Скачать книгу

dem Stifter und der Vollendung des Werkes berichtet; wenn er Sebastian nicht an einen Baum, sondern an eine Tempelruine fesselt und seinen Namen in griechischen Buchstaben beifügt, so verrät auch das, wie sehr die Antike seinen Geist beherrschte. Und später als Isabella von Este den Thron von Mantua bestieg, ward ihm Gelegenheit geboten, auch das Werk zu schaffen, in dem er selbst wohl den Höhepunkt seines Schaffens sah: den Triumph des Cäsar. Hatte er vorher die Kunstdenkmäler des Altertums nur als Beiwerk in religiösen Bildern verwenden können, so war ihm hier erlaubt, wirklich ein antikes Thema zu behandeln. Und gestützt auf all das Material, das er seit Jahrzehnten gesammelt, gab er die gelehrteste Rekonstruktion, die das Altertum wohl überhaupt gefunden, eine Evokation der Vergangenheit, der die folgenden Jahrhunderte nichts hinzufügen konnten, weder in der Exaktheit des archäologischen Details noch in der Art, antik zu denken.

      Doch nicht nur das ist neu, daß zu den christlichen Stoffen, die bisher ausschließlich das Repertoire der Kunst beherrscht hatten, nun allmählich die antiken traten. Die Beschäftigung mit der Antike brachte überhaupt eine Anzahl neuer Probleme in Fluß. Zunächst regten die antiken Statuen an, die Bewegungsgesetze des nackten Körpers noch genauer als bisher zu ergründen. Denn wenn auch Piero della Francesca in der Darstellung des Nackten schon den entscheidenden Schritt gethan hatte, lag es doch nicht im Wesen seiner Kunst, Bewegung zu geben. Alle seine Gestalten sind wie für die Ewigkeit hingestellt, von einer unbeweglichen unverrückbaren Ruhe. Sie schreiten so schwerfällig daher, wie der Bauer, der über den Acker geht und bei jedem Schritt in lehmiges Erdreich versinkt. Mantegna, dessen Menschen nicht auf der Scholle, sondern auf Felsen leben, ergänzte ihn, indem er als erster nicht die Ruhe nur, auch die Bewegtheit malte. Erst von ihm wurden die Bewegungen des nackten Körpers und die dadurch hervorgebrachten Zusammenziehungen und Streckungen der Muskeln als besonderes Studienobjekt aufgestellt. Namentlich sein Kupferstich des Herkules, der den Antäus würgt, muß auf die Künstler jener Jahre wie eine Offenbarung gewirkt haben.

      Nicht minder ersichtlich ist der Einfluß der Antike in der Behandlung des Kostüms. Waren bisher die Bizarrerien der Mode ein unerschöpfliches Feld neuer Entdeckungen für die Maler gewesen, so vermeidet Mantegna das Zeitkostüm. All der lustige Kostümprunk, all der Bricabrac, den die Früheren geliebt hatten, ist verabschiedet und durch eine einfache antike Gewandung ersetzt, auf deren künstlerische Durchbildung er besondere Aufmerksamkeit verwendet. Aehnliches hatte ebenfalls Piero della Francesca erstrebt, aber für Manegna ist das Suchen schöner Draperiemotive überhaupt ein bestimmender Faktor des Schaffens. Er begnügt sich nicht, mit souveräner Geschicklichkeit die Stoffe über den Körper zu legen, sondern macht sich an jene Probleme von Harmonie und Eleganz, wie sie die Bildhauer des Altertums in so unvergleichlicher Weise lösten. Schon auf einem seiner Erstlingswerke, der heiligen Eufemia der Brera ist das Spiel der Draperien von einer Schönheit wie bei den besten antiken Gewandfiguren. Der Parnaß des Louvre, den er für das Arbeitszimmer der Isabella von Este malte, könnte von Poussin sein, so streng antik ist der Rhythmus der Bewegungen, so antik der Faltenwurf der bald weich sich anschmiegenden, bald im Winde flatternden dünnstoffigen Gewänder. Eine ganz neue Schönheit, die nichts mehr mit dem wirklichkeitsfrohen Realismus, der wahllosen Naturabschrift des frühen Quattrocento gemein hat, hält in der Kunst ihren Einzug. Und addiert man alles: daß Mantegna als erster seinen Gestalten die volle plastische Rundung gab, daß er die ersten perspektivischen Gewölbemalereien und die ersten Porträtgruppen schuf, als erster die Darstellung des bewegten nackten Körpers und das Studium der Draperien zum künstlerischen Problem erhob, – so erkennt man in ihm den Genius, der nächst Piero della Franccsca am meisten das Schaffen der jüngeren Generation bestimmte.

      13. Mantegnas Nachfolger.

      Inhaltsverzeichnis

      Melozzo da Forli ist ohne Mantegna undenkbar. Nur hat er nichts von der wuchtigen Größe des Paduaners. Er ist ebenso weich wie jener hart, ebenso mild wie jener trotzig und herb ist. Sein Landsmann Piero della Francesca hat auch auf ihn gewirkt und ihm etwas von seiner feinen Anmut gegeben.

      Schon in seinen ersten Arbeiten, den Personifikationen der freien Künste, die er 1474 für die Bibliothek des Herzogs von Urbino malte, verrät sich in der Art, wie er die Figuren in den Raum komponiert, der Zusammenhang mit dem großen Raumkünstler Piero. Statt die Scenen reliefartig anzuordnen – die Gestalt der Wissenschaft links, ihren Verehrer rechts – setzt er den Thron in die Mitte des Hintergrundes, läßt die männliche Figur davor knieen und markiert durch die Stufen des Thrones die Tiefendimension. Außerdem beschäftigen ihn hauptsächlich die Draperien. Ein ausgesprochen formales Talent, wendet er dem Faltenwurf eine Aufmerksamkeit zu, über die Fra Bartolommeo, der Erfinder der Gliederpuppe, sich gefreut hätte.

       In seinem nächsten Werk, den Kuppelbildern des Domes von Loreto nimmt er zum erstenmal das von Mantegna gestellte Problem der Disotto-in-su-Malerei auf. Aber es gelingt ihm noch nicht, es zu lösen. Die Leichtigkeit fehlt. Die Gestalten ersticken in ihren schweren Draperien. Erst in den Kuppelbildern der Kirche Santi Apostoli in Rom wurde er der Schwierigkeiten Herr. Christus schwebt, wie Basari schreibt, so frei im Aether, daß er die Wölbung zu sprengen scheint. Ebenso meint man, daß die Engel im freien Himmelsraum sich bewegen. Heute läßt sich, da die Kuppel zerstört ist, nicht mehr beurteilen, inwieweit diese perspektivische Illusion erzielt war. Desto mehr sieht man aus den Fragmenten, die in die Sakristei des Vatikans gekommen, welch zarter Schönheitssinn bei Melozzo mit den perspektivischen Tendenzen sich verband. Diese Engel mit den flatternden, blonden Locken, die musizierend und singend daherstürmen, während ein überirdischer Lufthauch ihre Gewänder peitscht, übten auf unsere Zeit eine solche Anziehung, daß die Natur imitierte, was damals ein Künstler ersann. Die Barisons sind die sehr weltlichen Töchter der Engel des Melozzo da Forli.

      In seinem letzten Werk, dem Fresko der vatikanischen Bibliothek, das Sixtus IV. darstellt, wie er Platina zum Direktor der Bibliothek ernennt, reichen wieder Mantegna und Piero della Francesca sich die Hand. Im Anschluß an die Gonzagabildnisse Mantegnas hat er eine Porträtgruppe von repräsentierendem Adel geschaffen. Die Raumanlage – die in starker Verkürzung gesehene inkrustierte Decke, die Art, wie die Säulen zurückgehen und im Hintergrund noch der Ausblick in die Loggia sich öffnet – geht auf die Mailänder Santa Konversazione des Piero della Francesca zurück und weist zugleich vorwärts in die Zukunft: Rafael hatte das Bild vor Augen, als er die Schule von Athen konzipierte.

      In Florenz, wo Mantegna 1466 geweilt hatte, fand er in Antonio Pollajuolo, den großen Erzgießer, einen Nachfolger. Auch auf Pollajuolo wie auf Melozzo wirkte die mächtige statuarische Plastik des Paduaner Meisters, die klassische Ruhe seiner Draperien, und er schuf in den Figuren der fünf Tugenden, die er für das Handelsgericht in Florenz lieferte, das Gegenstück zu den Personifikationen der Wissenschaften, die Melozzo für die urbinatische Bibliothek gemalt. Doch mehr noch wurde auf einem anderen Gebiet Mantegna sein Lehrmeister. Pollajuolo als erster wandte, von Mantegna angeregt, der Technik des Kupferstiches sich zu, und unter diesen Blättern ist namentlich eines, die »Schlacht der Nackten« für seine Richtung bezeichnend. Mit solcher Geschicklichkeit waren wildkämpfende Gestalten, Leben und Bewegung noch nicht dargestellt. All diese Muskelspannungen, all diese komplizierten Bewegungsmotive sind mit unerhörter Meisterschaft gegeben. Dieser Kupferstich kennzeichnet auch die Tendenzen, die ihn als Maler beherrschten. Die Anatomie machte er, Mantegna folgend, zu seinem Studienfeld. »Er verstand das Nackte,« erzählt Vasari, »besser als irgend einer seiner Vorgänger. Da er die Anatomie am Sektionstisch studierte, war er der erste, der wirklich das Spiel der Muskeln wiedergab.« Nach diesem Gesichtspunkt wählte er sich die Stoffe, und allein daraufhin sind seine Bilder zu betrachten. Menschliche Körper, die im Kampf sich messen, angespannte Glieder in den verschiedensten Verzerrungen, das In- und Gegeneinander ringender Kräfte ist seine Domäne. Auch der Erztechniker macht sich in der Formgebung fühlbar. Er liebt pralle, schneidig geschwungene, schillernde Formen. Alles bekommt eine Stilisierung von metallisch hartem Charakter. Von christlichen Stoffen, die gestatteten, solche Probleme zu lösen, bot zuerst Sebastian sich dar. Das Bild der Pittigalerie ist ein lebensgroßer Akt, mit wuchtigen, wie aus Erz gegossenen Formen: der Kopf verkürzt, die Muskeln geschwellt, der Lendenschurz wie aus Bronzeblech geformt. In dem Londoner Bild multipliziert er das Problem noch

Скачать книгу