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Blättern weißblühende Myrten schimmern, wölbt sich über der blassen, mädchenhaft zarten Maria, während es rings von Rosen und Lilien, von unzähligen Blumen duftet. Die ganze Psychologie des Blumenduftes, die wir so gern für das 19. Jahrhundert in Anspruch nehmen – Botticelli hat sie schon vorgeahnt. Alle jene rosenbekränzten Engel, die sich mit brennenden, blumenumwundenen Kerzen der Himmlischen nahen, oder lange Lilienstengel hieratisch steif in ihren weißen zitternden Händen halten – wir bewundern sie in den Bildern des Burne Jones, aber vergessen oft, daß sie von Botticelli stammen.

      Selbst ein Fresko, das damals entstand, der heilige Augustin der Kirche Ognisanti, zeigt, daß er mit anderen Sorgen als die Realisten sich trug. Während Ghirlandajo in dem Gegenstück des heiligen Hieronymus einen alten Herrn als Heiligen drapierte, starrt Botticellis Augustin mit den Augen des Visionärs ins Weite, die Hand auf die Brust gepreßt, wie um seiner Erregung Herr zu bleiben über die Offenbarung, die ihm plötzlich zu teil wird. Seine Fresken der sixtinischen Kapelle sind keine Bilder, sondern gelehrte Traktate, Interpretationen theologischer Weisheit, wie sie in strengerem Dogmatismus kaum die Dominikanermaler des 14. Jahrhunderts schufen. Inmitten einer Kunst, die alles Symbolische haßte, die keine Gedankenreihen, sondern Thatsachen geben, nicht erfinden, sondern beobachten und erzählen wollte, steht Botticelli als ein Denker, der ebensoviel mit der ideenreichen Kunst des Trecento wie mit der gedankenvollen Schwere des Cornelius gemein hat.

      Daß im übrigen ein so sensibler erregbarer Geist auch von der antiken Herrlichkeit nicht unberührt blieb, versteht sich von selbst. So wenig er stilistisch von der Antike beeinflußt wurde – denn es giebt nichts weniger Antikes als diese mageren Formen, diese unruhigen, gefältelten, gebauschten Draperien – so verraten doch die Hintergründe seiner Bilder, mit welcher Begeisterung er die Reste des Altertums betrachtete. Altrömische Bauwerke, Skulpturen oder Gemmen kehren nun häufig in seinen Werken wieder. Auf einem seiner Fresken der Sixtinischen Kapelle malt er den Konstantinbogen, im Hintergründe eines anderen Bildes die Dioskurengruppe des Quirinal. Das junge Mädchen des Frankfurter Museums trägt als Collier eine antike Gemme mit Apollo und Marsyas. Jeder heidnische Tempel, jeder Triumphbogen hatte damals noch seine Legende. Seltsame Wundergeschichten raunte man sich zu. Und gerade dieses Mysterium, das die Antike umfloß, zog den Träumer, den Grübler Botticelli an.

      Als er nach Florenz zurückkehrte, war unterdessen auch dort die Saat des Humanismus aufgegangen. Er trat in den Kreis der Aestheten, die um den Magnifico sich scharten, war mehrere Jahre Gast in Lorenzos Hause und speiste an seinem Tisch. Für die Villa Careggi waren die meisten seiner antiken Bilder bestimmt. An die Werke, die er für den Mediceer malte, denkt man hauptsächlich, wenn der Name Botticelli genannt wird. Jeder weiß, daß von diesen bestrickenden Bildern ein Duft von Jugend, Reinheit und Grazie ausströmt, der Botticelli selbst identifiziert mit jenem Frühling, den er in seinem Hauptwerk verherrlichte. In der »Pallas« ist der Kopf der Göttin mit seinen weichen, vollen Formen und dem langwallenden Haar von so strahlender Schönheit, so abweichend von dem herben Simonettatypus, der sonst bei ihm wiederkehrt, daß man einen Hauch schon von der überirdischen Süßigkeit Leonardo da Vincis zu spüren meint. In den Gestalten der übrigen Bilder herrscht die Grazie der Magerkeit, zugleich etwas Traumverlorenes, Verklärtes, Visionäres, das den geheimnisvollen Zauber erhöht. Dreißig Jahre später hätten die geschickten Dekorateure von Rom und Venedig, um die »Geburt der Venus« zu schildern, Genien in den Lüften schweben lassen, Götter auf Wolken gebettet, den ganzen Olymp in Bewegung gesetzt, und es wäre ein Bild wie Rafaels »Triumph der Galatea« entstanden. Bei Botticelli entwickelt sich die Stimmung aus der Landschaft, jenem endlos weiten Ocean, auf dessen leise plätschernden Wellen Kypris wie ein holdes Traumgebilde herbeischwebt. In der Luft klingt, singt und rauscht es. Sehnsüchtig träumerische Stimmung ist über die Erde gebreitet. – Ein Sommernachtstraum hat in der »Primavera« Gestalt genommen, jenen nixenhaften graziösen Wesen, die wie eine Vorahnung Böcklins wirken. Botticelli war der erste, der die Elfen tanzen sah. Schlanke Dryaden, die im Dickicht der Wälder neben rieselnden Quellen hausen, sind herbeigekommen, sich im Frühlingstanze zu drehen.

      Wunderbar ist, wie er auch in diesen Bildern Blumen zur Steigerung der Stimmung verwendet. Oelzweige umranken die »Pallas« und bekränzen ihr Haupt. Auf dem Venusbild ist der Mantel der Hore mit Frühlingsblumen übergossen, Windgötter streuen Rosen in die Luft. Auf dem Frühlingsbild leuchten Orangen und Myrten; goldene Früchte und weiße Blüten strahlen aus dunklem Laube hervor. Wie ein Dornröschen ist Primavera von wilden Rosen umwuchert, Wiesenblumen umschließen ihren Hals, blaue Cyanen und weiße Primeln winden sich durch das blonde Haar. Blüten, die der Lenz gewoben, Anemonen, Nelken, Narcissen, streut sie tändelnd zur Erde. Als ganz reizender Manierist erscheint er in der Art, wie er die Draperien behandelt, diese durchsichtigen Schleier und flatternden Bänder. Keiner vor ihm kannte so seine Florgewände, die, eng an die Glieder geschmiegt, deutlich die knospenhaften Formen zeigen.

      Gleichwohl, so zauberhaft schön die Bilder sind – die herrlichsten Dokumente jener glorreichen Zeit, die Griechenlands Götter aus dem Exil zurückrief -, es bleibt ein unaufgelöster Rest, eine Dissonanz zwischen den heiteren Märchen, die er schildert, und der Art, wie er es thut. Sowohl die Poesie Lorenzo Magnificos wie die Polizians, die die Anregung für die Werke gab, ist eine Poesie der Genußfreudigkeit und epikureischen Frohsinns, eine Poesie sinnlicher, arkadisch gestimmter Seelen, die ganz vergessen haben, daß sie Christen sind. Botticellis Werke haben nichts von dieser bukolischen Ruhe, nichts von der Märchenlust und schalkhaften Anmut, die durch Piero di Cosimos Bilder geht. Daß er nicht lachen kann, zeigt sich deutlich, wo er sich zwingt, es zu thun. »Mars und Venus« in London ist ganz besonders bezeichnend. Eine schöne Frau, ein nackter Jüngling, Amoretten, südliche Landschaft, dünne Gewänder, glänzender Schmuck, das sind die Elemente des Bildes, und doch vermitteln diese Worte nicht den Eindruck. Mars gleicht einem gekreuzigten Heiland. Schmerzvoll ist der Mund verzerrt. Er schläft nicht, sondern atmet schwer, wie von einem Alp gedrückt. Ebenso unerfreut, mit einem kalten, männermordenden Blick, wie Salome in der Klingerschen Büste, schaut Venus auf den Schlafenden hin. Ist das die Glückseligkeit, die unsterbliche Götter in himmlischer Ruhe genießen? Ist das die Liebesgöttin der Hellenen? Selbst wenn Botticelli es wagt, sie nackt zu malen, hat sie etwas Gespenstisches, mag sie mit grünen Nixenaugen ins Unendliche starren, oder ein wehmütiges Lächeln ihre bebenden Lippen umspielen. Nicht als die lustige Maitresse des Mars kennt er die schöne Olympierin. Sie ähnelt der rothaarigen Teufelin des Mittelalters, die auf ihrem Zug ins Exil an dem Kreuz, an das der Menschensohn geheftet war, vorbei wallte. Da eine müde Träumerei, dort resignierte Schwermut ist allen Gestalten eigen. Es ist, als würden diese Weiber noch ins Kloster gehen, um dort für die Sünden des Fleisches zu büßen. Die klassische Klarheit heidnischer Mythologie verbindet sich mit katholischem Mysticismus. Ein Hauch mönchischer Askese dämpft die Freude.

      Botticelli fühlte sich nicht wohl im Venusberg. Es ist, als habe ihn der Gedanke an eine reinere Geliebte, an die keusche Maria verfolgt, der er seine ersten Hymnen gedichtet. Mit allen Fasern seiner Seele im Mittelalter wurzelnd, empfand er Grauen vor dem heidnischen Enthusiasmus, der eine Zeit lang wie ein Delirium seine Seele benebelte. Wie mit Zögern, als hätte eine unsichtbare Hand ihn abgehalten, scheinen seine Bilder aus der Antike gemalt. Aus dem letzten, der »Verleumdung des Apelles«, klingt ein schriller Schrei der Verzweiflung. Maßlose stürmische Bewegung, Unruhe der flatternden Gewänder, ein unheimlicher, wilder, grauenhafter Ausdruck der Köpfe ist an die Stelle stiller Linienschönheit und verhaltener Wehmut getreten. Man fühlt, daß ein von seelischem Unfrieden durchschütteltet Mensch das fast wahnsinnige Bild gemalt hat. Am entsetzlichsten ist die Gestalt der Reue, diese magere, vergrämte, in zerrissene Trauergewänder gehüllte Alte mit den blutlosen Spinnenfingern, die tastend, zitternd, unsicheren Schrittes dahinwankt. Botticelli bereute, daß er im Venusberg war. Doch welche Macht konnte ihn zurückführen in die Gemeinschaft der Reinen, ihn, den Christen, der fremden Göttern geopfert! Ausgestoßen, das Paradies verloren! Aus dieser Stimmung heraus malte er das Bild der Ausgestoßenen, jenes Werk, das einzig dasteht in der ganzen Kunst des Jahrhunderts, nur entstehen konnte, weil untröstlicher Jammer mit elementarer Kraft aus einem Künstlerherzen nach Ausdruck rang. Vor dem verschlossenen Thor eines Renaissancepalastes sitzt dürftig bekleidet ein Mädchen. Auch sie war im Venusberg, und nun da der Morgen graut und sie zurückkehren will in das Haus des Vaters, ist das Thor verschlossen. Zitternd vor Frost, bitterlich schluchzend vergräbt sie das Gesicht

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