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Giamberti und des Architekten Giuliano da Sangallo fallen in diese Zeit. Gewiß keine Aufträge, sondern die Bildnisse von Freunden, verbitterten Menschen, mit denen er wie Gottfried Keller abends beim Fiasco zusammensaß und auf den Wechsel der Zeiten schimpfte: Giuliano aus trübem Auge halb verblödet dreinblickend, der andere ein zahnloser alter Idealist, der sich seine große Mütze wütend über das Ohr gestülpt; die Landschaft so wenig passend zu dem allegorischen Beiwerk, daß man meint, er habe die Köpfe nachträglich auf alte Landschaftsstudien gemalt.

      Der Lebensnerv seiner Kunst war durch Savonarola unterbunden. Der christliche Ideenkreis, der wieder der alleinherrschende geworden, bot für Phantastik keinen Raum. Nach strengen Vorschriften waren die nämlichen seit Jahrhunderten geheiligten Gestalten darzustellen. So lebt noch einmal die alte Lust an Maskenzügen in ihm auf. Im Mummenschanz will er sich austoben. Der Karnevalzug, den er 1511 anordnete, brachte zum letztenmal seinen Namen in aller Mund! Aber was hatte Savonarola aus dem lustigen Piero gemacht, Der Zug zeigte, wie Vasari erzählt, »den Triumphwagen des Todes, von Büffeln gezogen, ganz schwarz und mit Totengebeinen und weißen Kreuzen bemalt. Darauf die Figur des Todes mit der Sense in der Hand. Dann folgten Särge. Wenn der Zug Halt machte und sang, öffneten sich die Deckel, man sah Totenskelette, in schwarze Leichentücher gehüllt, worauf die Knochen und Rippen so natürlich gemalt waren, daß man nur mit Grauen es betrachten konnte. Dann erschollen schrille Posaunenklänge, bei deren Schall sich die Toten halb aus ihrem Sarg erhoben, sich daraufsetzten und mit jammernder Stimme sangen: Dolor, pianto e penitenzia. Hinter dem Wagen ritten Tote auf Pferden, die er sorgsam unter den magersten Schindmähren der Stadt ausgewählt hatte. Auf die schwarzen Decken waren weiße Kreuze gemalt. Und jeder Tote hatte vier Knappen, die ebenfalls als Tote verkleidet waren, in der Hand schwarze Lanzen und große schwarze Standarten mit Kreuzen und Totenköpfen. Andere Tote mit schwarzen Tüchern gingen neben dem Wagen einher und sangen mit jammernder Stimme: Miserere mei deus.«

      Seitdem hörte von Piero, obwohl er noch zehn Jahre lebte, niemand mehr sprechen. Selbst die Schüler, die er gehabt hatte, entfernte er. Manche Bildchen, wie die Darstellungen mit der Andromedasage in den Uffizien entstanden noch. Aber es sind Arbeiten, die er nur malte, um die Zeit totzuschlagen, freudlose, mit zitternder Hand hingeschriebene Wiederholungen dessen, was er so schelmisch geistvoll in seiner Jugend gesagt. Wenn es regnet, läuft er auf die Straße hinaus, um zu beobachten, wie die Tropfen auf der Erde zerspritzen. So sei, meinte er, das menschliche Schicksal. Wenn ein Gewitter kommt, sitzt er, in den Mantel gehüllt, zitternd, als sei er von Geistern verfolgt, in der Ecke des Zimmers. Menschenscheu, ohne Freunde, verwahrlost, ein brotlos gewordener Phantast lebt er dahin und erwartet den Tod. Nur wenn er Kirchenglocken und Priestergesänge hört, wird er aufgeschreckt in seiner Apathie und ballt zornig die Fäuste. Denn die Kirchenglocken und die Priestergesänge hatten seine Kunst getötet. Eines Morgens findet man ihn tot an der Treppe.

      3. Botticelli

      Inhaltsverzeichnis

      In ganz anderer Weise hat auf Botticelli die Savonarola-Tragödie gewirkt. Ja, im Angesicht seiner Jugendwerke scheint es, als sei die Bewegung nicht auf den Mönch von San Marco, sondern auf den Maler Botticelli zurückzuführen. Was Savonarola predigte – Botticelli malte es schon vorher.

      Seine Jugend fiel noch in die Zeit, die nicht mehr träumen, nur forschen und beobachten wollte. Fra Filippo, der lustige Karmeliter, der seine Geliebte als Madonna malte, war sein erster Lehrer. Dann, als dieser Florenz verließ, schloß er an die großen Techniker Verrocchio und Pollajuolo sich an, lernte mit Farben umgehen, lernte Anatomie und Perspektive. Doch schon seine frühen Werke zeigen, wie er die von seinen Lehrern entlehnten Formen zu Trägern eines ganz anderen Empfindens macht. Inmitten einer Zeit, die keinen übersinnlichen Zug mehr hatte, dringt Botticelli von neuem ein in die unergründlichen Tiefen religiösen Gefühlslebens. Inmitten einer Gruppe von Realisten steht er als mystischer Schwärmer, eine fest abgeschlossene Welt für sich. Der Naturfreude, dem lachenden Optimismus der anderen, setzt er schon damals die feierliche Kirchlichkeit des Mittelalters gegenüber, Bilder, die wie der Protest eines träumerischen, zart empfindenden Menschen gegen die ringsum herrschende poesielose Sachlichkeit wirken. Bei den Aelteren ein verstandesmäßiges, nüchtern klares Schaffen, hier Stimmungsschwelgerei und Träumen, eine Romantik, die sich in der Sehnsucht nach einem Heimatland der Seele wieder ins glaubensstarke Mittelalter flüchtet und es mit allen Reizen der Mystik umwebt.

       Drei Bilder der Uffizien – eine Fortezza, die kleine Judith und die Auffindung des Holofernes – dann der Sebastian in Berlin lassen verfolgen, wie er als Schüler Pollajuolos beginnt und doch durch einen leise wehmütigen Zug sich von ihm unterscheidet. Ebenso hält er sich in mehreren Madonnen streng an die Typen seiner Lehrer, trennt sich aber von ihnen dadurch, daß er keine genrehaft gemütlichen Scenen giebt, sondern den Bildern symbolische Gedanken unterlegt. Entweder blickt die Madonna sinnend auf Dornenkranz und Nägel, die das Kind ahnungslos hält, oder ein lockiger Engel bietet ihr Trauben und Aehren, das Symbol des Todesopfers Christi. An die Stelle der frischen Weltlichkeit Fra Filippos ist bei Botticelli das leise Hereinragen des mystisch Uebersinnlichen, das Ernste, sakramental Feierliche getreten. Während die Realisten in ihren Madonnen das Mutterglück schildern, kennen die Botticellis keinen Frohsinn. Düster und in sich versunken sitzt Maria da, als ob ahnungsvolles Vorgefühl kommenden Leides, selbst wenn sie das Kind an sich preßt, ihre Seele umschatte.

      Doch für gewöhnlich entrückt er die Madonna überhaupt in überirdische Sphären und wirkt noch feierlicher, wenn er das mittelalterliche Thema der Himmelskönigin Maria neu aufnimmt. Entweder heilige Männer, herb und ernst wie Dürers vier Apostel, haben sich gleich Hütern des heiligen Graal um den Thron Marias geschart, oder Engel schlagen einen Baldachin zurück und setzen dem königlichen Weib die Krone aufs Haupt. In diesen Bildern, die in ihrer weihevollen Andachtsstimmung gänzlich verschieden sind von der heiter prosaischen Art seines Lehrers, sind auch in der Formgebung alle Reminiscenzen verschwunden. Ein neuer Madonnentypus, von Botticelli selbständig geschaffen, hält in der Kunst seinen Einzug. Maria ist nicht mehr die Mutter, sondern ein bleiches, gedankenvolles Mädchen, das nur dazusein scheint, als unaufgegangene Knospe zu verkümmern, von einer stillen Schwermut, als ob man am Ende der Schöpfung stehe. Keine Lebensfreude, kein Sonnenschein, keine Hoffnung. Blaß und bebend die Lippen, ein müder, weltschmerzlicher Zug um den Mund. Auch in den Augen des Christkindes dämmert ein Geheimnis, als ob es ahnte, wozu es auserkoren. Kein Kind, das spielt, sondern der Heiland der Welt, der feierlich den Segen erteilt oder wie in einer Inspiration gedankenvoll aufblickt. Selbst die Engel, bei Fra Filippo mutwillige Jungen, verrichten bei Botticelli ihr Amt in andachtsvollem Ernst, keine Gespielen, die mit einem kleinen Kinde tändeln, sondern prophetisch ahnungsvolle Wesen, die aus innigem Mitleid auf »Schmerzensreich« blicken, in sehnsuchtsvoller Hingabe und scheuer Zurückhaltung dem Gottessohn ihre Dienste weihen.

      Auch in der Art, wie er das Kostüm behandelt und Blumen zur Steigerung der Stimmung verwendet, hat er mehr mit den Trecentisten als mit seinen realistischen Zeitgenossen gemein. Statt der Madonna das modische Zeitkostüm anzuziehen, hüllt er sie in blumengeschmückte, mit Gold und Stickereien verzierte Mäntel, die allein schon den Eindruck preciöser Feierlichkeit geben. Für die Kleidung der Engel greift er auf den griechischen Chiton zurück, dem er noch Stücke der altbyzantinischen Kirchentracht, Alba, Stola und Amictus beifügt. Ganze Stillleben von Früchten und Blumen, kunstvolle, aus Cypressenzweigen und dicken Palmblättern errichtete Laubnischen bauen neben und hinter den Gestalten sich auf. Mit Rosenkränzen und Vasen, Kerzen und Lilienzweigen drängen sich die Engel heran. Er braucht nur den Pinsel anzusetzen, und man befindet sich in einem weiten, hohen Dom, wo der Duft des Weihrauchs zum Himmel steigt und tausend große, weiße Wachskerzen flimmern. Man sieht feierliche Prozessionen mit blumengeschmückten Baldachinen über rosenbestreuten Boden wallen, hört silberne Kinderstimmen das Lob des Unendlichen singen.

      Das Magnificat, das Tausenden zu still andächtigem Genuß jetzt in einem Ehrensaal der Uffizien hängt und die Palmenmadonna des Berliner Museums sind die bezeichnendsten Beispiele. Das Florentiner Bild hat einen so unsagbaren Charakter von Größe und Feierlichkeit, daß man glaubt, die ernsten mächtigen Töne der Orgel mit Engelchören vermischt zu hören. Das Wort

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