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war Florenz verändert. Gleich einem Hagelwetter platzte sein dämonisches Wort auf die lebenslustige Menge nieder. Ein von Gott gesendeter Prophet schien herabgestiegen, die üppige Stadt zur Buße, zur Zerknirschung zu rufen. An die Stelle weltlicher Lustbarkeiten traten kirchliche Umzüge. Statt mutwilliger Karnevalslieder tönten geistliche Lobgesänge zum Himmel. Täglich vergrößerte sich die Zahl seiner Anhänger. Mochte der Papst mit dem Bannfluch drohen und die vornehmen Kreise gegen den Demagogen wüten – mit dem Kampfruf »Viva Cristo« stürmten die elektrisierten Massen daher, derwischhafte Scenen, die an die Geißlerfahrten des Mittelalters mahnen, begannen. Nicht mehr das Haus Medici herrschte, sondern Jesus Christus populi Florentini decreto creatus war in eigener Person König und Schutzherr von Florenz. Das »Autodafé der Eitelkeiten«, am Karnevalstag 1497 veranstaltet, bezeichnet wohl den Höhepunkt seiner agitatorischen Thätigkeit. 1300 Kinder hatten Haus für Haus den Tand der Welt eingefordert. Seidene Kleider und Musikinstrumente, Teppiche und Ausgaben des Decamerone, antike Klassiker und mythologische Bilder – alles wurde zu hoher Pyramide getürmt, und der Rauch stieg lohend gen Himmel. Frauen und Mädchen, mit Olivenzweigen bekränzt, umtanzten in mystischer Verzückung den Scheiterhaufen, opferten Ringe, Armbänder oder was sie noch besaßen an Schmuck, den Flammen. Eine dämonische hypnotisierende Kraft muß von dem Zeloten ausgegangen sein. Selbst Mirandola, der Freund des Magnifico, erzählt, daß er zitterte, daß seine Haare sich sträubten, als er eine der fanatischen Predigten des Dominikanermönchs hörte.

      Auch auf die Kunst schleuderte er seinen Bannstrahl. »Aristoteles, der ein Heide war, sagt in seiner Poetik, daß unzüchtige Figuren nicht gemalt werden dürften, damit die Kinder nicht verdorben würden durch den Anblick. Was soll ich dann von euch sagen, ihr christlichen Maler, die ihr halbnackte Figuren dem Auge darbietet! Das ist vom Uebel. Laßt davon ab! Ihr aber, die ihr solche Malereien besitzt, zerstört sie, übertüncht sie, ihr thut dann ein Werk, das Gott und der heiligen Jungfrau gefallen wird.« Wie gegen die Darstellung des Nackten eiferte er gegen die Einführung zeitgenössischer Bildnisse. »Die Figuren, die ihr in euren Kirchen malen laßt, sind die Gestalten eurer Götter. Trotzdem können die jungen Leute sagen, wenn sie diesem oder jenem Weib begegnen: das ist Magdalena, das der heilige Johannes. Denn die Bilder eurer Dirnen von der Straße laßt ihr malen als Heilige in den Kirchen. Damit zieht ihr das Göttliche in den Staub, bringt alle Eitelkeit in das Haus des Ewigen. Glaubt ihr, daß die Jungfrau Maria so gekleidet ging, wie ihr sie malt! Ich sage euch, sie trug die Kleidung der Armen ihr aber malt sie wie eine Dirne.«

       Wie viel diese große kirchliche Reaktion der Kunst geschadet hat, wurde oft geschildert. Sie hat das neue Athen in ein zweites Genf verwandelt, ebenso intolerant wie die spätere Hauptstadt Calvins. Wenn die Darstellung der Antike im 15. Jahrhundert nicht über Ansätze hinauskam, die Götter Griechenlands, denen Lorenzo ein Heim bereitet, wieder aus Italien flüchten mußten, so geht das ausschließlich auf die Lehren Savonarolas zurück. Ebenso wurde durch sein Eifern gegen die zeitgenössischen Bildnisse und gegen das moderne Kostüm der frische Zusammenhang der Kunst mit dem Leben zerrissen. Andererseits gab er für das, was er zerstörte, auch Ersatz, schenkte der Kunst das zurück, was sie in den Tagen Lorenzos verloren hatte: ihre christlichen Ideale, zeigte diese Ideale in einem Licht, daß sie plötzlich wieder ganz neue geworden schienen. Wenn er in seinen Predigten von der Mutterliebe Marias spricht, ihrer bangen ahnungsvollen Seele, die mit prophetischem Blick die Zukunft schaut, wenn er sie schildert als Somnambule, die tagaus tagein in qualvollem Vorempfinden eines kommenden Schicksals lebt, oder sie darstellt als das arme einfache Mädchen, das die Gnade gar nicht fassen kann, die Erwählte des Himmels zu sein, so verrät sich schon darin, welch viel tieferes Madonnenideal er den Malern brachte. »Schön ist nur die Schönheit der Seele. Betrachtet einen frommen Menschen, gleichviel ob Mann oder Weib, der vom Heiligen Geist beseelt ist, betrachtet ihn, wenn er betet und himmlische Begeisterung ihn durchströmt, da werdet ihr die Schönheit Gottes aus seinem Antlitz leuchten sehen, und seine Züge werden den Ausdruck eines Engels haben.« In solchen Worten war ein ganzes Programm gegeben. Und die Künstler – jeder in seiner Art – nehmen zu dem Bußprediger Stellung. Für den einen ist er der böse Dämon, für den anderen der Heilige Geist. Dem raubt er seine Ideale, jenem verhilft er dazu, sich selbst zu entdecken. Mitten in den leidenschaftlichen Zeitwirren stehend, ist auch die Kunst durchschüttelt von dem geistigen Fieber, das durch die Adern des ganzen Volkes stürmte.

      2. Piero di Cosimo

      Inhaltsverzeichnis

      Für Piero di Cosimo wurde Savonarola der böse Dämon. Denn er zerstörte ihm seine Märchenwelt, vertrieb ihn aus dem Zauberreich, das er in strahlender Herrlichkeit sich aufgebaut: wo Fabelwesen durch den Aether kreisen, schöne Ritter und gefangene Prinzessinnen, dreiköpfige Riesen und verzauberte Heidengötter sich erschrecken und lieben, sich befehden und necken. Wenn irgend einer ist Piero di Cosimo das echte Kind des Zeitalters des Magnifico, der Geistesverwandte jener Bukoliker, die so graziös, so schalkhaft anmutig ihr Spiel mit der alten Sagenwelt trieben.

      Als Schüler des plump geistlosen Cosimo Roselli wird er verzeichnet, doch in Wahrheit war Hugo van der Goes sein Lehrer. Er gab ihm den Sinn für Rusticität und für schöne leuchtende Farben, den Geschmack an der intimen Beobachtung der Tier- und Pflanzenwelt, die Freude an Sonnenstrahlen, die auf Menschengesichtern, auf Blumen und Kleidern spielen. Namentlich das Berliner Bild mit der Anbetung der Hirten ist für den nordisch-niederländischen Geist seiner Kunst bezeichnend. Kein Festgepränge, etwas Ländliches geht durch die Darstellung. Maria faltet innig die Hände. Ein grobkörniger Hirt, ein Böcklein unterm Arm, lüftet seinen großen graugelben Strohhut. Ein Sonnenstrahl streift sein wettergebräuntes Gesicht, den hellbraunen Rock und die blaugrauen Strümpfe. Einfach und schlicht, von gleichmäßigem Licht übergossen, baut die Landschaft sich auf. Fein setzt das lichtgrüne oder zartgelbe Laubwerk der hochstämmigen Bäume von dem blauen Firmament sich ab. Ein Getreideschober und das Strohdach der Hütte, auch die wuchtigen Tiere steigern noch den bäurischen Charakter des Bildes.

      Dieser erdenschwere, still trauliche Zug, der nichts mit der leichten Eleganz der Italiener gemein hat, geht auch durch seine anderen Werke. Ein Madonnenbild des Louvre mutet eher wie eine holländische Hökerin denn als italienische Maria an. Denn die Jungfrau, eine einfache Bäuerin in schlichter Haustracht, hat ein gestreiftes hellblaues Kopftuch unter dem Kinn zusammengesteckt und an den Enden geknotet – ein rührend ländliches Motiv, das niemals in italienischen Bildern vorkommt. Davor hat er eine weiße Taube und ein roteingebundenes Buch zu einem ganz niederländischen Stillleben geordnet. In anderen Bildern beschäftigt ihn die Analyse des Lichtes. Ganz im Sinne Ghirlandajos hat er in seiner Magdalena das Porträt einer reichgekleideten jungen Dame gegeben. Aber diese Dame steht am Fenster, und durch dieses Fenster flutet das Sonnenlicht, überströmt mit hellem Glanz die Figur, strahlt über ihre Wangen, hüpft über das Haar, glitzert auf den Perlen und Rubinen, schillert in tausend Farben auf dem dunkelgrünen Gewand. Niederländisch ist, daß er statt der italienischen Profilansicht die Dreiviertelansicht wählt; niederländisch ist das Stillleben – die Salbbüchse, der Zettel, das Buch – das er auf dem Fenstergesims aufbaut. Und dieses Fenstergesims ist sehr geschickt verwendet, das Dreidimensionale, den räumlich plastischen Eindruck zu heben. Wieder in anderen Bildern entzückt er durch die feine Beobachtung, die er dem Tier- und Pflanzenleben entgegenbringt. Auf einer Anbetung des Kindes, die er für Lorenzo Medici malte, rieselt ein Bächlein über Kieselsteine dahin. Ein Stieglitz sitzt neben einem Baumstamm. Duftig leuchten die Blumen aus dem Grün der Wiese heraus. Fast kein Bild giebt es, auf dem nicht Tiere vorkommen. Bald sind es Schweine, bald Kaninchen oder Tauben, Hunde, Kraniche oder Schwäne. Ueberall erkennt man ihn an der botanischen Treue, mit der er Palmen und Oliven, Myrtengestrüpp, Aehren und Nelken, Primeln und Gänseblümchen malt. Und bei allem Detailreichtum imponieren seine Landschaften durch ihre weiten Fernblicke, durch ihre großen einfachen Linien. Man fühlt, daß er die Natur nicht aufputzte, wie es die Früheren thaten, sondern gleich Goes ihr als schlichter Analytiker nahte.

      Was wir aus seinem Leben wissen, bestätigt den Eindruck der Bilder. Vasari erzählt von ihm, er habe immer in seinem Atelier sich eingeschlossen und nicht zugegeben, daß andere ihm beim Malen zusahen. Das zeigt, wie sehr er selbst sich als technischer Experimentator

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