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gemacht. Gerade so viel, damit er im Footballteam hatte bleiben können. Er hatte keinen Plan B gebraucht. Bis er doch einen gebraucht hatte. Nun, zehn Jahre später, wäre er ohne den Abschluss, den er nie gewollt hatte, aufgeschmissen. Der Gipfel der Ironie. »Was wolltest du werden, bevor du vernünftig geworden bist?«

      Jaden knabberte auf seiner Unterlippe herum. Chase begann langsam zu verstehen, dass Jaden das immer machte, wenn er nachdachte. Er wartete geduldig, schaufelte das Essen in sich hinein und sah den Bildschirm an, nicht Jaden. Schließlich, als schon die nächste Folge lief, sagte Jaden: »Ich wollte Han Solo sein.«

      Chase lachte auf. »Wir sind ja zwei. Ich wollte Indiana Jones sein.«

      Das entlockte Jaden ein ehrliches Lächeln. Seine Zähne blitzten auf, Grübchen bildeten sich in seinen Wangen. Chases Herz blieb für einen Moment stehen. Er mampfte weiter, um nicht irrtümlich etwas Unangebrachtes zu sagen.

      Entspanntes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, als sie sich wieder auf den Fernseher konzentrierten. Chase erwischte sich dabei, wie er sich auf Jadens Kichern konzentrierte. Er wollte wissen, ob sie dieselben Dinge lustig fanden. Immer wieder sah er aus dem Augenwinkel zu Jaden, um heimlich seinen Gesichtsausdruck zu studieren. Er wirkte schon viel entspannter, die Falte zwischen seinen Augenbrauen hatte sich geglättet und sein Kiefer war nicht mehr so angespannt, als würde er ununterbrochen mit den Zähnen knirschen. Wenn Jaden Chase nervös machte, war es umgekehrt anscheinend zehnmal schlimmer. Er wollte das gerne ändern.

      Nach einer Weile begann Jaden, die Werbeunterbrechungen auf lautlos zu stellen, um Chase Fragen über seine Brüder zu stellen. Er sprach nur zögerlich und verknotete die Finger ineinander. Den Blick hielt er meist stur auf den Fernseher gerichtet. »Haben sie Familien?«

      Chase lehnte sein Knie in einer beruhigenden Geste gegen Jadens und ignorierte das Flattern in seinem Bauch. »Nein, sie haben nur einander. Sie sind ja auch jünger als du. Elliot ist einunddreißig, er ist der Älteste. Die anderen beiden sind erst Ende zwanzig.«

      »Ich sehe also älter aus als einunddreißig?«

      Chase brauchte eine Minute, um zu verstehen, dass Jaden ihm nie gesagt hatte, wie alt er war. Er dachte sicher, dass Chase ihn beleidigen wollte. Rasch setzte er zu einer Erklärung an. »Lily-Anne hat von dir erzählt. Sie hat mir gesagt, wann du geboren wurdest, ich habe daher nicht einfach so angenommen, dass du der Älteste bist. Du siehst keinen Tag älter aus als dreißig.« Das war nicht einmal gelogen. Nun, da er nicht mehr so verkrampft dasaß und die Falten auf seinem Gesicht sich geglättet hatten, sah Jaden um Jahre jünger aus als noch vor einer Stunde.

      Jaden blinzelte ihn unter niedergeschlagenen Wimpern an. »Hat sie noch etwas über mich gesagt?«

      Chase versuchte, sich zu erinnern, durchsuchte fieberhaft sein Gehirn. Lily-Anne hatte einmal gesagt, dass Jaden seinem Vater ähnlicher war, als seine Mom es sich gewünscht hatte … Doch das wollte Jaden sicherlich nicht hören. »Sie war stolz auf dich. Hat sich allerdings oft darüber beschwert, dass du kein Facebook hast.« Er grinste. »Sie hätte ihren Freunden gerne Bilder von dir gezeigt. Und sie hätte gerne Kontakt mit dir gehabt.«

      »Ja?«

      »Ja«, sagte Chase. Er wartete, bis Jaden die Information verarbeitet hatte, und konzentrierte sich auf eine komplett sinnlose Autowerbung. Sie zeigte Leute, die auf den Straßen tanzten. Aus irgendeinem Grund kam auch ein Elefant darin vor.

      Dann ging die Serie weiter. Jaden stellte den Fernseher wieder laut. »Denkst du, sie werden mich mögen?«, fragte Jaden leise.

      »Deine Brüder?«

      »Halbbrüder.«

      Chase legte den Arm um Jadens Schultern. Im ersten Moment verkrampfte sich Jaden, doch dann entspannte sich seine Haltung und er ließ sich gegen Chase sinken. »Es sind trotzdem deine Brüder. Und, ja, ich bin mir sicher, sie werden dich lieben.«

      »Okay.«

      Nur kurze Zeit später schlief Jaden ein, an Chases Schulter gelehnt. Es war schon nach Mitternacht, als Chase vorsichtig aufstand. Er deckte Jaden zu, ließ Magneto ins Haus und machte sich auf den Weg nach Hause.

      Kapitel 3

      Jaden war sich ziemlich sicher, dass man Daisy’s Diner direkt aus den Achtzigerjahren hierher versetzt hatte. Das Lokal war in grellen Farben eingerichtet und die Bilder, die an den Wänden hingen, hatten alle etwas gemeinsam: Sie wirkten, als wären sie der Serie Ein Duke kommt selten allein entsprungen. Sie zeigten Autos oder Mädchen in überaus knappen Jeansshorts, manchmal auch beides zusammen. Die Sitznischen waren klassischen Autos nachempfunden, nur dass kleine Tische in der Mitte standen. Eine Kreuzung zwischen Südstaaten-Stil und Pulp Fiction. Es war unglaublich kitschig. Countrymusik schallte aus einer leibhaftigen Jukebox in der Ecke. Ein Mann mit krächzender Stimme sang etwas darüber, dass eine Frau ihm das Herz gebrochen hatte. Es ging auch um Bier, und um Trucks. Dies hätte wirklich eine Parodie sein können, um sich über Florida lustig zu machen.

      Jaden blieb direkt hinter der Eingangstür stehen und starrte auf sein Handy. War das wirklich der Ort, an dem Elliot sich mit ihm zum Frühstück treffen wollte? Ja. Tatsächlich.

      Die Tür in seinem Rücken wurde geöffnet, Jaden sprang hastig zur Seite und entschuldigte sich bei der Frau, die soeben hereinkam. »Sorry«, sagte sie im selben Moment und schenkte ihm einen langen, fragenden Blick. Dann ging sie an ihm vorbei und setzte sich gegenüber an einen Tisch in der Ecke.

      Es war ganz anders als in New York. Die Leute starrten. Jaden konnte ihre Blicke regelrecht auf seiner Haut spüren wie ein unangenehmes Kribbeln. Als er sich nach Elliots Gesicht umsah, versuchten sie, seinen Blick zu erhaschen. Sie tuschelten miteinander. Über ihn? Jaden war die schnelllebige Umgebung von New York gewohnt. Dort kümmerte sich niemand um die Leute in seiner Umgebung. Doch hier redeten die Menschen tatsächlich miteinander, niemand starrte auf sein Handy. Er gehörte nicht hierher. Das war mehr als deutlich. Ihm war selbst nicht klar, was er hier eigentlich wollte.

      Gerade, als er wieder gehen wollte, kam Elliot herein, flankiert von zwei anderen Männern. Der zu seiner Linken hatte leuchtend blaues, langes Haar, das sein Gesicht umrahmte. Seine Nase war gepierct. Er trug Skinny Jeans und ein weites, schwarzes T-Shirt mit zerrissenem Kragen. Seine Kleidung war mit Tierhaaren übersät. Der Mann neben ihm trug eine kurze Sporthose und ein Tanktop, auf dem stand: I woke up like this. Er hatte dunkles, schwarzbraunes Haar, das vorne länger war als im Nacken. Beide hatten die gleichen dunkelblauen Augen. War es nun zu spät, um zu entscheiden, dass er das nicht schaffte? Jaden hatte fünfunddreißig Jahre als Einzelkind verbracht. Er hatte nur seine Mom und ihre Familie. Wieso sollte er das ändern wollen?

      Elliot und der blauhaarige Halbbruder lächelten, als sie ihn sahen. Der dritte verzog keine Miene.

      Ja. Es war nun definitiv zu spät, um sich anders zu entscheiden. Er versuchte, das Lächeln zu erwidern. Nun, es war wohl mehr eine Grimasse, aber er hatte es zumindest versucht.

      »Hi«, sagte Elliot. Er trug heute ein legeres Sportoutfit. Seine Nikes waren neonblau. Jaden konnte nicht anders, als sie anzustarren. Die Farbe war sogar noch greller als die Einrichtung um ihn herum. »Hast du gut geschlafen? Konntest du etwas zu Essen auftreiben? Ich weiß nicht mehr, ob noch Vorräte im Haus waren. Wenn nichts mehr da war, hast du hoffentlich die Kataloge vom Lieferservice entdeckt.«

      Anscheinend war Jaden nicht der Einzige, der nervös war. Er war sich nicht sicher, ob er erzählen sollte, dass Chase ihm Essen vorbeigebracht hatte. Das war eine süße Geste gewesen. Zuerst waren zwar Schmetterlinge in Jadens Bauch erwacht, aber dann hatte sich etwas verändert. Ein warmes, angenehmes Gefühl hatte sich in Jadens gesamtem Körper ausgebreitet. Sie hatten stundenlang geredet und Serien geguckt, bis Jaden anscheinend eingeschlafen war. Nun hatte Jaden eine Menge Essensreste, und er war ein bisschen in Chase verknallt. Auch, wenn das natürlich hoffnungslos war.

      Der blauhaarige Mann schob Elliot kurzerhand beiseite und streckte Jaden die Hand entgegen. »Ich bin Phoenix.« Er deutete mit dem Kopf auf den dritten Mann. »Und das ist Zane. Es ist schön, dich kennenzulernen.« Sein Lächeln wirkte entspannt und ehrlich.

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