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gehen. Ich bezweifle, dass Vorräte im Haus sind. Also habe ich dir etwas mitgebracht.« Er war so nervös, dass er Blödsinn redete. Wundervoll. »Chicken Wings, Nudelsalat und Käsemakkaroni. Ich dachte, irgendetwas davon magst du sicher. Und ich verstehe, wenn du keine Gesellschaft haben willst. Gehört alles dir.«

      Jaden griff nicht nach der Tüte, die Chase ihm entgegenstreckte. Er leckte sich über die Lippen und sah zwischen Chase und der Tüte hin und her.

      Gleich würde Chase vor Unruhe zu zappeln beginnen.

      Jaden fuhr sich durchs Haar und hinterließ Furchen, die sich nur eine Sekunde später wieder von selbst glätteten. Dann trat er einen Schritt zurück. »Komm rein.«

      Seine Nervosität ließ nach. Chase trat über die Schwelle mit baumelnder Einkaufstüte. Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Vielleicht, dass sich das Haus anders anfühlte, nun, da Lily-Anne nicht mehr hier war? Doch die Jungs hatten alles im ursprünglichen Zustand hinterlassen. Die Bilder hingen noch an der Wand, sogar ihre Schuhe standen noch im Schuhregal hinter der Tür. Er musste sich in Erinnerung rufen, dass sie nicht gleich die Stufen hinunterkommen würde, um ihm Limonade anzubieten. Aus Gewohnheit zog er sich die Schuhe aus und stellte sie oben im Schuhregal ab.

      Er folgte Jaden ins Wohnzimmer. Der Fernseher war eingeschaltet, The Big Bang Theory lief gerade und das Gelächter vom Band zerriss die Stille. Ihm fiel auf, dass Jaden noch seine braunen Segelschuhe trug. Sie passten gut zu seiner Khakihose und dem kurzärmeligen Hemd. Chase lächelte. Jaden erinnerte ihn an einen dieser adretten Studenten aus einer Elitehochschule. Fehlte nur noch der lässig über die Schultern geworfene Pullover.

      »Wo bist du zum College gegangen?«, fragte er.

      »New York University.« Jaden sah ihn an, eine Augenbraue war hochgezogen. »Warum?«

      Ja, Chase, warum?

      Chase kratzte sich an der Nase. »Ich bin nur neugierig. Du weißt schon, ich mache Smalltalk, versuche, dich kennenzulernen.« Wenn Chase ebenfalls etwas über sich erzählte, würde Jaden dann eins und eins zusammenzählen? Würde ihm klar werden, wer Chase gewesen war? Wäre er damals nicht im Vollrausch in eine Telefonzelle gefahren, dann hätte er ein Star werden können. Doch so hatte er seine zukünftige Footballkarriere ein für alle Mal ruiniert. War es wichtig, ob Jaden es herausfand? Nein. »Ich war an der Texas A&M University.«

      »Wie schön«, sagte Jaden. Er klang steif, nicht unfreundlich, aber man merkte, dass er Smalltalk nicht gewohnt war. Oder es war ihm unangenehm. Vielleicht auch beides. Doch es gab kein Anzeichen dafür, dass Jaden seinen Namen kannte. Oder die Schlagzeilen, die nach seinem Unfall in den Zeitungen zu lesen gewesen waren. Irgendwie war Chase erleichtert, obwohl er nicht wusste, weshalb. Es war ja nicht so, als wäre seine Vergangenheit ein Geheimnis. Verdammt, kurz nachdem es passiert war, hatten alle so getan, als wüssten sie mehr darüber als er selbst. Vielleicht redete er deshalb nicht gern darüber.

      Jaden stand inmitten des Raumes, als wäre er fehl am Platz. Es gab keinen anderen Ausdruck dafür. Dies hier war nicht sein Zuhause, das war deutlich ersichtlich. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, und es war ihm eindeutig unangenehm, an diesem fremden Ort zu sein. Er machte einen Schritt auf den Fernseher zu, drehte sich um, um nach der Fernbedienung zu suchen, und änderte dann erneut die Richtung, als ob er zur Couch gehen wollte.

      Chase verstand. Anscheinend versuchte er sich zu entscheiden, ob er den Fernseher während des Essens ausschalten sollte oder ob sie ins Esszimmer gehen sollten. Er erbarmte sich. »Ich liebe die Serie«, sagte er.

      Jaden entspannte sich sichtlich. »Penny mag ich am liebsten.«

      »Es ist also okay für dich, wenn wir auf der Couch essen?« Chase aß immer auf der Couch. Er lebte nun schon eine Weile allein. Anfangs hatte er noch am Tisch gegessen, aber dort fühlte er sich so einsam. Es gab ja niemanden, den er beeindrucken musste. Nur in dem seltenen Fall, dass er ein Date hatte, aß er am Tisch. Die Betonung lag auf selten. Er liebte Serenity, aber die Datingoptionen für schwule Singles waren beschränkt.

      »Jepp«, antwortete er.

      Er war es nicht gewohnt, sich vor anderen Menschen unsicher zu fühlen, egal ob er sie kannte oder nicht. Aber irgendetwas an Jaden machte ihn verlegen. Chase war nie der schüchterne Typ gewesen. Er war immer gut damit klargekommen, im Rampenlicht zu stehen. Der Klassenclown, der König des Abschlussballs, der Quarterback … Chase liebte es, Aufmerksamkeit zu bekommen. Immer noch, auch wenn er jetzt etwas zurückhaltender war. Er gab Kurse im Fitnessstudio und hatte keinerlei Probleme damit, wenn alle ihn ansahen. Er versuchte, sich zu beruhigen und seine ungewohnte Unsicherheit zu überwinden. Also ließ er sich einfach auf die riesige Couch sinken und machte es sich bequem, wie er es immer tat. Wenn er wartete, bis sich Jaden zuerst setzte, würden sie noch die ganze Nacht hier stehen. Chase griff nach der weinroten Couchdecke und legte sie über seinen Schoß. Er stellte das Essen ab und klopfte einladend auf den freien Platz neben sich. »Komm, setz dich. Wo ist eigentlich dein Pferd?« Er würde einfach so tun, als wäre die Situation überhaupt nicht unangenehm. Bis sie tatsächlich nicht mehr unangenehm war. Das war das Lieblingssprichwort seiner Mutter: Fake it till you make it.

      Während Chase einfach auf die Couch geplumpst war, lässig und sorglos, setzte sich Jaden überaus vorsichtig. Als würde die Couch gleich explodieren, wenn er nicht aufpasste. Er faltete die Hände im Schoß. Seine Sitzhaltung sah äußerst unbequem aus. »Er ist draußen eingeschlafen. Magneto ist es nicht gewohnt, einen Garten zu haben, in dem er herumlaufen kann.«

      Chase bekam schon Verspannungen, wenn er ihn nur ansah. Er schüttelte den Kopf, begann die Tüte auszupacken und stellte das Essen auf den Couchtisch. Er war aus Treibholz. Lily-Annes Lesebrille lag darauf, neben der Schale mit den Muschelschalen. Planten ihre Enkel etwa, aus dem Haus eine Art Schrein zu ihrem Andenken zu machen? Er wandte den Blick ab und sah zu Jaden. Seine Fingerknöchel waren weiß. »Wir werden Teller und Gabeln brauchen«, sagte er. »Und etwas zu trinken. Ich hätte Bier mitbringen sollen, sorry.«

      Jaden sah so erleichtert aus, etwas zu tun zu haben, dass Chases Herz einen Schlag lang aussetzte. Tat er das Richtige, wenn er Jaden seine Gesellschaft aufdrängte?

      Nun, gehen kannst du jetzt auch nicht mehr. Das wäre verdammt unhöflich.

      Jaden kehrte mit Besteck und Tellern zurück. Sie wandten sich dem Fernseher zu und aßen.

      Das war eine der unangenehmsten Situationen, die Chase je erlebt hatte. Er hätte schwören können, dass er gleich aus der Haut fahren würde, wenn er nicht etwas sagte. Irgendetwas. Das Essen lag ihm wie ein Stein im Magen. Er hielt etwa sieben Minuten durch, die absolut maximale akzeptable Dauer für Schweigen. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. »Also, was machst du beruflich?«, fragte er schließlich.

      Jaden balancierte umständlich seine Makkaroni auf der Gabel. Er sah nicht auf, als er antwortete. »Ich bin Steuerberater. Das heißt, ich war Steuerberater.« Er verzog den Mund. »Ich wurde gefeuert. Budgetkürzungen. Eigentlich hätte mein Chef in Pension gehen sollen, dann hätte ich seine Stelle bekommen. Nun, er hat sich anders entschieden«, erzählte er und machte eine ausschweifende Geste, sodass der Teller fast von seinem Schoß fiel. »Aber es ist okay. Ich sehe mich nach etwas Neuem um und werde sicher bald etwas finden. Das ist einer der Vorteile, wenn man eine ordentliche Ausbildung hat.«

      »Das klingt wie ein Zitat«, meinte Chase.

      Das brachte ihm ein Lächeln von Jaden ein. Nur ein kleines Lächeln, kaum sichtbar, aber seine Mundwinkel bogen sich eindeutig nach oben. »Meine Mom sagt das immer.«

      »Und sie hat auch eine ordentliche Ausbildung?«

      Jaden nickte und deutete mit dem Kopf auf den Fernseher. »Sie ist biomedizinische Wissenschaftlerin. Deshalb mag ich die Serie auch so gerne: Weil sie mich an sie erinnert. Die Serie ist allerdings lustiger.«

      Diesmal musste Chase lächeln. »Meine Eltern haben das auch immer gesagt. Das mit der Ausbildung. Also habe ich Betriebswirtschaft studiert. Ich dachte, das reicht.« Mit achtzehn hatte er es gehasst, dass sie ihn dazu gedrängt hatten, einen Plan B in Betracht zu ziehen. Er war jung gewesen, unbesiegbar. Hatte eine strahlende Zukunft vor sich gehabt,

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