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war noch nie am Strand gewesen. Aber er hatte Dokumentationen über Haie gesehen. Vielleicht waren diese auch der Grund dafür, warum er nie an einem Strand gewesen war. Aber solange sie vom Wasser wegblieben, dürfte wohl nichts passieren. Er folgte Phoenix die Straße entlang und zuckte zusammen, als der Asphalt seine bloßen Fußsohlen verbrannte und Kieselsteine sich in seine Haut bohrten. Phoenix schien die Hitze gar nicht zu bemerken, denn er tat so, als würde er nicht gerade über glühende Lava gehen.

      Der Gehweg und der darauf folgende Sand waren nicht weniger heiß. Jaden sog schmerzerfüllt die Luft ein und trat unruhig von einem Bein auf das andere. Er war kein Fan davon, barfuß umherzulaufen. Er hatte es immer unhygienisch gefunden, und nun wusste er, dass es auch schmerzhaft war. Erst, als sie nur mehr wenige Schritte vom Wasser entfernt waren, wurde der Sand merklich kühler. Er seufzte erleichtert auf, krümmte die Zehen und blickte aus dem Augenwinkel aufs Wasser. Die Wellen schlugen unablässig gegen die Brandung und brausten ohrenbetäubend laut. Das Wasser war klar und dunkelblau, der Schaum weiß, stellenweise durchsetzt von dem Grün des Seegrases. Sobald die Wellen den Strand erreichten, wurde der weiße Schaum trüb, vermischte sich mit Sand und kleinen Muscheln. Der Ozean traf am Horizont auf den Himmel und es sah aus, als würde beides ineinander verschwimmen. Jaden entdeckte ein paar Boote, kaum mehr als winzige Punkte in der Ferne. Ja, er fand die endlosen Tiefen des Ozeans furchterregend, aber dennoch musste er zugeben, dass es ein wunderschöner Anblick war.

      Phoenix blieb stehen und krempelte seine Hosenbeine hoch, so weit es nur ging. Dann watete er ins Wasser. Es umfloss seine Waden, die Spritzer der Wellen durchnässten seine Jeans und färbten sie dunkel. Er reckte seinen Kopf der Sonne entgegen, sein blaues Haar wehte ihm Wind und umflatterte sein Gesicht. Unwillkürlich tauchte ein Bild in Jadens Kopf auf: Phoenix, der in einem Bikini für Victorias Secret modelte. Er war sich nicht ganz sicher, ob er den Gedanken lustig oder grauenhaft finden sollte. Wahrscheinlich eher grauenhaft.

      Jaden steckte die Hände in die Hosentaschen. Zögerlich streckte er einen Fuß aus, bis er eine Zehe ins Wasser tauchen konnte.

      Fuck!

      Eilig trat er wieder einen Schritt zurück. Viel zu kalt.

      Sie gingen nebeneinander den Strand entlang; Phoenix im Wasser und Jaden mit Sicherheitsabstand auf dem Sand. Die Sonne brannte auf sie herab und durch seine Kleidung hindurch, bis der Stoff schweißnass war. Kräftiger Wind wehte. Das war wahrscheinlich das Einzige, was verhinderte, dass er in dieser Hitze einfach zusammenklappte. Das Gefühl von Sand zwischen seinen Zehen war neu und er war sich noch nicht sicher, ob er es mochte. Er war es gewohnt, immer Schuhe zu tragen. Schon jetzt dachte er darüber nach, dass er sich die Füße waschen würde waschen müssen, bevor er ins Haus ging.

      Phoenix stieß ihm leicht gegen die Schulter. »Hör auf, zu denken und genieß es einfach.«

      Das war auch neu für ihn. Noch nie hatte jemand ihm gesagt, dass er aufhören sollte, zu denken. Im Gegenteil, er konnte sich noch genau daran erinnern, dass seine Lehrer immer gesagt hatten, er sollte weniger vor sich hin träumen und mehr denken.

      »Du denkst immer noch«, sagte Phoenix und unterbrach damit seine Grübeleien. »Atme tief durch und entspann dich. Konzentriere dich auf das Geräusch der Wellen.«

      Jaden versuchte es. Doch sein Kopf arbeitete weiter. In den letzten vierundzwanzig Stunden war so viel passiert, auf das er nicht vorbereitet gewesen war. Es gab so viel, das er verarbeiten musste. Ihm war klar, dass Phoenix wahrscheinlich die Stille genoss, die friedliche Stimmung am Strand, doch wenn er nicht augenblicklich etwas sagte, würde er durchdrehen. Jaden wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Also, das hier ist ein Teil von Serenity?«, fragte er. Durch die Sonne konnte er Phoenix‘ Gesicht kaum erkennen. Halb blind verengte er die Augen.

      »Nein«, antwortete Phoenix und bückte sich, um eine Muschelschale aus dem Wasser zu fischen. »Das ist die Definition von Serenity.«

      Kapitel 4

      »Okay. Hebt eure Hände über den Kopf und atmet tief ein. Dann langsam wieder aus. Dabei bückt ihr euch herab, bis eure Hände den Boden berühren, oder so nahe es eben geht. Haltet die Pose.«

      Als Lehrer war es für Chase nicht unbedingt entspannend, dem Kurs die Yogaübungen vorzuführen, aber er fand es trotzdem bereichernd. Es ging dabei nicht um ihn, vielmehr half er anderen dabei, ihren inneren Frieden zu finden.

      »Nun richtet euch wieder auf, sodass ihr wieder aufrecht steht. Wir machen nun mit dem rechten Bein einen Schritt nach vorn, winkeln das Knie an und strecken die Arme aus.«

      Er demonstrierte jede Pose vorne im Raum und hielt die Augen offen, ob jemand Probleme hatte. Montagmorgen bestand seine Yogagruppe hauptsächlich aus Senioren. Die Übungen waren perfekt für sie. Solange er es nicht übertrieb und jemand sich eine Hüfte ausrenkte. Seine Abendkurse am Mittwoch und am Freitag wurden hauptsächlich von jüngeren Frauen besucht, die nach der Arbeit noch trainieren wollten. Männer waren nur selten dabei. Als früherer Athlet verstand Chase nicht wirklich, warum Yoga und Pilates als Frauensportarten betrachtet wurden. Aber es war tatsächlich so, dass alle Kurse, die er besucht oder geleitet hatte, zum Großteil von Frauen belegt waren. Seiner Meinung nach würden Männer vermutlich bessere Beziehungen führen, wenn sie mehr an ihrer Beweglichkeit arbeiteten. Andererseits waren die Stellungen, die Chase mit seinen Partnern ausprobierte, vielleicht nicht so interessant für Heteropaare. Er schüttelte den Kopf. Das waren keine angemessenen Gedanken, wenn er gerade einen Kurs unterrichtete. Schon gar nicht, wenn der Kurs von den größten Klatschtanten der Stadt besucht war. Er brauchte wirklich keinen Aushang am schwarzen Brett, auf dem stand, dass er mitten im Kurs einen Ständer bekommen hatte.

      »Wir kommen jetzt zu den Bodenübungen.« Er zählte während den Atemübungen laut mit und das half ihm dabei, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sobald alle mit der Brücke fertig waren und sie zu den komplexeren Übungen übergingen, begann er im Raum herumzugehen und dem einen oder anderen zu helfen. Er legte eine Hand auf Mrs. Declans unteren Rücken und zeigte ihr, dass sie ihn nicht halb ausrenken musste, um die Pose richtig zu machen. Dann half er Mr. Wingels dabei, sein Bein in die Luft zu strecken, und versicherte ihm, dass es okay war, wenn er das Knie dabei anwinkelte. Als Mrs. Whitaker einen Krampf in der Wade bekam, knetete er sie, bis es vorbeiging. Alles in allem eine ganz normale Unterrichtsstunde.

      Er verabschiedete sich von jedem Einzeln, erinnerte alle daran, ausreichend zu essen und zu trinken, und Mr. Jenson daran, sein Gebiss nicht zu vergessen. Chase wusste nicht, wie jemand seine Zähne vergessen konnte, aber Mr. Jenson verlegte sie ständig.

      Er hätte wissen sollen, dass er nicht ungeschoren davonkommen würde. Mrs. Declan blieb vor ihm stehen, die zusammengerollte Yogamatte auf der Schulter. »Ich habe gehört, du hast dich mit dem Neuen furchtbar gut verstanden.«

      Chase blinzelte sie an. Manchmal vermutete er, dass die Leute in Serenity irgendwo zwischen den Fünfzigern und der heutigen Zeit hängen geblieben waren. Gott, Jaden war doch erst seit weniger als vierundzwanzig Stunden hier. »Ich habe ihm nur gezeigt, wo er hinmuss«, sagte er in neutralem Tonfall.

      »Er wollte zu Lily-Anne.« Sie verengte die blassblauen Augen. »Er ist ein Bannister, nicht wahr? Kevins erster Sohn. Wie hieß er noch gleich? Jaden? Ich kannte seine Mutter. Hochnäsiges Ding. Dachte, sie sei zu gut für uns.« Wie immer, ignorierte sie jegliche persönliche Distanz und tippte Chase gegen die Brust. »Sei vorsichtig. Dieser Junge hat von beiden Seiten kein gutes Temperament geerbt.«

      Sprachlos blickte Chase ihr hinterher. Das war ein hartes Urteil, wenn man bedachte, dass sie ihn noch nicht einmal kennengelernt hatte.

      Mrs. Jenkins blieb auf ihrem Weg nach draußen ebenfalls vor ihm stehen. Chase wappnete sich für weitere ungefragte Ratschläge. Doch sie tätschelte nur seinen Arm und verdrehte die Augen. »Ignorier sie. Du weißt ja, wie schrullig sie ist.«

      Die Worte brachten ihn zum Lächeln. Er verabschiedete sich mit einem Küsschen auf die Wange von ihr.

      Sobald der Raum leer war, rollte er seine mintgrüne Yogamatte zusammen und schlüpfte in seine Flipflops. Es war kurz nach zehn Uhr morgens. Carly Matheson, seine Angestellte, beziehungsweise

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