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Sie wurden immer schwitzig, wenn er nervös war.

      »Freut mich auch«, sagte er. Es war ein Wunder, dass seine Stimme nicht brach.

      Phoenix deutete auf einen freien Tisch, der wie ein roter Cadillac aussah. »Wir wäre es, wenn wir uns setzen? Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich brauche meinen Morgenkaffee.«

      Jaden folgte ihnen zum Tisch. Zanes Schweigen machte ihn fertig. Warum sagte er nichts? Würde er derjenige sein, der Jaden nicht mochte und ihn als einen Eindringling betrachtete? Natürlich erwischte er den Platz neben Zane. Ihre Ellbogen berührten sich und er trat unabsichtlich unter dem Tisch gegen Zanes Knöchel. Er entschied sich dafür, so zu tun, als wäre nichts, und starrte mit brennenden Wangen auf seine Speisekarte. Eigentlich hatte er keinen Hunger. Es fühlte sich an, als würde ein schweres Bleigewicht in seinem Magen liegen. Schon allein beim Gedanken an Essen wurde ihm schlecht. Aufregung schlug ihm immer auf den Magen. Vor einiger Zeit hatte er vermutet, dass er ein Magengeschwür hatte. Sein Arzt hatte einige Tests gemacht und ihm dann empfohlen, zum Seelenklempner zu gehen. Laut ihm bestand keine Gefahr, dass er ein Magengeschwür entwickelte, sondern eher, dass sich eine Panikattacke anbahnte. Rein körperlich sind Sie gesund wie ein Pferd, hatte er gesagt. Jaden hatte diese Redewendung noch nie verstanden, aber die Nachricht war angekommen. Er war physisch in bester Form, mental war er ein Wrack. Eigentlich brauchte er keinen Arzt, um zu wissen, dass er ein neurotischer Mensch war. Das war eben einfach so.

      »Wenn du Waffeln magst, empfehle ich die mit Zimt und Äpfeln. Aber der gefüllte French Toast ist auch gut. Und Gloria macht die fluffigsten Pfannkuchen der Welt. Also, ich meine, die sind auch lecker.«

      Phoenix stieß Elliot mit dem Ellbogen an, nickte Jaden zu und verdrehte die Augen. »Ich muss mich für Elliot entschuldigen. Er kommt nicht viel raus und seine sozialen Kompetenzen sind verbesserungswürdig.«

      Zane neben ihm schnaubte. Er zog den Kopf ein, versteckte sein Grinsen hinter seiner Faust und tat so, als würde er husten.

      Jaden war sich ziemlich sicher, dass Elliot nicht auf sein Schienbein gezielt hatte, sondern auf Zanes. Doch er kickte Jaden. Fest. Jaden sog scharf die Luft ein.

      Elliot wurde schlagartig rot. »Oh Fuck«, sagte er. »Sorry.«

      Nun begann Zane wirklich zu lachen. Seine Schultern zuckten.

      Phoenix biss sich auf die Unterlippe und gab sich sichtlich Mühe, seinen Lachanfall zu unterdrücken.

      Genau in diesem Moment erschien die Kellnerin. Sie war groß, kurvig, rothaarig und wirkte kein bisschen überrascht, sie zu sehen. Ihre weiße Bluse hatte sie in ihre kurze Jeansshorts gesteckt, sodass man ihre langen, blassen Beine bewundern konnte. Sie sah Zane an und hob fragend eine Augenbraue. »Was ist denn so lustig?«, wollte sie wissen. »Ich kann um diese Uhrzeit auch eine Aufmunterung gebrauchen.«

      Zane grinste zum ersten Mal und unterdrückte immer noch sein Kichern. »Oh, ich muntere dich immer gerne auf«, sagte er und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.

      Sie schlug ihm mit ihrem Notizblock auf den Hinterkopf. »Nicht in einer Million Jahren.« Ihr Blick aus grünen Augen wanderte zu Jaden. Interessiert musterte sie ihn. »Und wen haben wir hier? Dich habe ich noch nie gesehen.«

      »Das ist Jaden. Unser Bruder«, sagte Phoenix.

      Jaden erstarrte. Ihm hatte es die Sprache verschlagen. Phoenix sagte das so einfach, als wäre es überhaupt nicht merkwürdig, dass ein Verwandter, ein Bruder auch noch, einfach so auftauchte. Er kannte Jaden gar nicht und trotzdem akzeptierte er einfach, dass sie Brüder waren.

      »Noch ein Bannister? Wachst ihr auf Bäumen?« Die Kellnerin musterte Jaden erneut, diesmal von Kopf bis Fuß.

      Jaden rutsche unruhig auf seiner Bank hin und her und sah angestrengt in die andere Richtung. Er stand nun mal nicht auf Frauen. Aber das hier war nicht New York, sondern eine Kleinstadt in Florida. Er würde seine sexuelle Orientierung nicht jedem auf die Nase binden.

      »Was kann ich dir zu trinken bringen?«, fragte sie.

      Er räusperte sich. »Kaffee, bitte.«

      »Klar doch.« Ihr Blick verweilte noch einen Moment auf ihm, dann nahm sie die Bestellungen der anderen auf. »Kommt sofort.« Mit schwingenden Hüften ging sie davon.

      Die Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf ihn. Jaden war versucht, die Kellnerin zurückzurufen. Zane hatte wieder seine neutrale Miene aufgesetzt.

      Elliot kratzte sich am Kinn und lächelte verlegen. »Sorry wegen all der Fragen. Aber im Ernst: Hast du gut geschlafen?«

      Es war seltsam, in Augen zu blicken, die seinen so ähnlich sahen. Jadens Mutter hatte braune Augen. Er hatte zwar gewusst, dass er das Blau von seinem Vater geerbt hatte, aber nun wurde ihm erst wirklich bewusst, was es bedeutete. Jaden hatte eine Seite, die er selbst gar nicht kannte. »Ich habe okay geschlafen«, antwortete er. Er erwähnte nicht, dass er auf der Couch übernachtet hatte statt in einem der Gästezimmer. Es war eigentlich keine Absicht gewesen, aber er würde wahrscheinlich auch heute nicht in einem der Betten schlafen. Es fühlte sich irgendwie zu persönlich an. Wahrscheinlich ergab das nur für ihn selbst Sinn. Aber es war einfach merkwürdig, sich im Haus seiner toten Großmutter einzurichten. Es war nicht sein Zuhause. Die Nachrichten heute Morgen hatten ihm nur bestätigt, wie weit er von zu Hause entfernt war. Er hatte den Fernseher eingeschaltet, komplett groggy ohne seinen üblichen morgendlichen Kaffee, und einen Bericht über einen Alligator gesehen, der sich auf einem Golfplatz herumtrieb. Es war ganz eindeutig: Er war nicht mehr in New York.

      Phoenix gähnte. Sein Kiefer knackte. »Ich kann heute mit dir Einkaufen fahren, wenn du willst. Und ich kann dir die Stadt zeigen, damit du dich auskennst.«

      »Ich …« Jaden wollte nicht bleiben. Er bekam aber langsam den Eindruck, dass sie das glaubten. Er musste das klarstellen. Also öffnete er den Mund, um genau das zu tun. »Das wäre nett«, sagte er.

      Was zur Hölle?

      Wer hatte seinem Mund erlaubt, das zu sagen? Ganz sicher nicht er.

      »Cool.« Phoenix grinste und entblößte seine Zähne, die so aussahen, als würden sie aus einer Zahnpastawerbung stammen. »Wir haben uns gedacht, dass jeder von uns einen Tag mit dir verbringt. Um dich kennenzulernen.«

      Jaden blinzelte. »Wollt ihr nicht über das Geschäftliche reden?« Offensichtlich hatte er keine Kontrolle mehr darüber, was er sagte. Am liebsten hätte er sich die Hand vor den Mund geschlagen, um nicht mehr mit allem ungefiltert herauszuplatzen.

      Zane lehnte sich nach vorn, stützte sich auf den Ellbogen ab und verschränkte die Hände ineinander. Seine Haltung wirkte so ernst wie sein Gesichtsausdruck. »Willst du denn über das Geschäftliche reden?«

      Jaden entschied sich für die Wahrheit. »Deshalb bin ich hier«, sagte er. »Ich dachte, ihr wollt mir meinen Anteil des Erbes abkaufen.«

      Phoenix lehnte sich nach hinten und verschränkte die Arme. »Was, wenn wir das nicht wollen?«

      Jaden öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder. Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht.«

      »Das Fitnessstudio ist ein Familienunternehmen und Lily-Anne hat dir einen Teil davon hinterlassen. Sie wollte, dass du dabei bist. Wir werden dir deinen Teil nicht abkaufen, außer, du willst das unbedingt.« Phoenix hob die Hand, bevor Jaden antworten konnte, dass er genau das wollte. »Aber wir würden dich gerne kennenlernen. Wir hätten gerne, dass du uns eine Chance gibst.«

      Elliot übernahm. »Uns ist klar, dass du vermutlich nicht ewig bleiben kannst. Aber auch, wenn es nur eine Woche ist, oder es drei Tage sind oder was auch immer, es würde uns viel bedeuten, wenn wir diese Zeit gemeinsam verbringen könnten. Du hast wahrscheinlich ein Leben, in das du zurückkehren willst. Aber auch, wenn Serenity in deinem Leben keine Rolle spielt, wir sind miteinander verwandt und das bedeutet uns etwas. Also. Bitte.«

      Jaden betrachtete ihre ernsten Mienen, die drei dunkelblauen Augenpaare, die einander so ähnelten. Er sah sich im Café um. Die Menschen, die Auto-Tische, das allgegenwärtige Südstaatenflair …

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