Скачать книгу

sollte, für die Hilfe zu bezahlen? Vielleicht, sobald sie an der Tankstelle waren. Es war sicher besser, noch zu warten, bevor er die Brieftasche zückte. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Magneto sich irrte.

      »Gerne doch.« Der Mann warf Jaden ein strahlendes Lächeln zu und fuhr damit fort, Magnetos riesige Schlappohren zu kraulen. »Ich bin Chase Michaels. Wie heißt Ihr Hund denn?«

      »Magneto.«

      Chase Michaels …

      Irgendwie hörte sich dieser Name vertraut an. Doch Jaden konnte ihn nicht einordnen. Er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich nur ein Zufall. »Wie einer der X-Men.« Das sagte er inzwischen immer automatisch dazu, nur um die unausweichliche Frage gleich zu beantworten.

      Als Magneto seinen Namen hörte, wandte er sich von Chase ab und trottete zu Jaden. Dieser kraulte ihn zur Belohnung am Kinn.

      »Und ich bin Jaden. Jaden Matthews.«

      Chase wischte seine vollgesabberten Hände an seiner Jeans ab. Jaden krümmte sich innerlich. »Schön, Sie kennenzulernen. Wollen wir los oder brauchen Sie noch etwas aus dem Auto?«

      »Ich hole nur kurz seine Leine.« Als Jaden danach griff, steckte er seine Brieftasche unauffällig in die Hosentasche. Erst im letzten Moment fiel ihm auf, dass er seine Autoschlüssel mitnehmen sollte. Wenn er sich jetzt auch noch aussperrte, wäre das die krönende Kirsche auf seinem beschissenen Tag. Er mochte keine Kirschen.

      Magneto sprang auf den Rücksitz von Chases Auto und begann sofort damit, das Fenster vollzusabbern.

      Jaden starrte ihn bestürzt an. »Es tut mir so leid«, sagte er rasch. »Ich zahle natürlich für die Autoreinigung.« Drew hatte sich immer geweigert, Magneto in sein Auto zu lassen. Und er hatte sich fürchterlich aufgeregt, wenn Magneto im Haus alle Fenster verschmiert hatte, während er den Eichhörnchen draußen beim Spielen zugesehen hatte. Jaden war mittlerweile ein routinierter Fensterputzer. Wenn er keinen neuen Job als Steuerberater fand, könnte er ja die Branche wechseln. Er könnte seine eigene Firma gründen und die Steuer selbst erledigen.

      Aber Chase lachte nur. Die Sauerei, die Magneto in nicht einmal zwei Sekunden angerichtet hatte, schien ihn gar nicht zu kümmern. »Das ist schon okay«, sagte er. »Ich mache für ihn das Fenster auf.«

      Sein Auto roch nach Äpfeln. Jaden sah sich unauffällig um, bis er im Becherhalter etwas entdeckte, das wohl ein Smoothie war. Die Farbe war braun und eher wenig appetitanregend. Er hatte erwartet, dass Country aus den Lautsprechern schallen würde, also war er angenehm überrascht, etwas anderes zu hören. Indie-Rock vielleicht? Er kannte das Lied nicht, aber der Beat war gut und der Sänger hatte eine schöne Stimme. Sollte er Smalltalk machen und fragen, welche Band das war?

      »Also, was führt Sie nach Serenity?«

      Jaden pulte an der Haut neben seinen Fingernägeln. Chase sah konzentriert auf die Straße und aus diesem Winkel konnte Jaden sehen, dass er lange, dichte Wimpern hatte. Nur seine Augenfarbe konnte er noch immer nicht erkennen.

      »Meine Großmutter ist gestorben«, sagte er. »Anscheinend habe ich einen Teil ihres Unternehmens geerbt.«

      Chases Sonnenbrille verrutschte, als er rasch den Kopf wandte. Aus atemberaubend grünen Augen starrte er Jaden an. »Sind sind ein Enkel von Lily-Anne?«, fragte er und schob die Sonnenbrille wieder hoch.

      Jaden hatte zum wiederholten Male das Gefühl, auf irgendeine Art analysiert zu werden. Dann kam der Sinn von Chases Worten in seinem Kopf an. Ein Enkel. Wusste jeder außer ihm, dass er Brüder hatte? »Wie viele andere Enkel gibt es denn?«, wollte er wissen. Im Testament war das nicht genauer spezifiziert worden. Das Erbe sollte zwischen allen lebenden Enkeln aufgeteilt werden, so der genaue Wortlaut.

      Chase hob die Augenbrauen. »Drei. Sie leben alle in Serenity. Schon seit Jahren.«

      Hatte jemand Jaden ins Gesicht geschlagen? Es fühlte sich nämlich so an. Er hatte drei Halbbrüder und anscheinend waren sie alle miteinander aufgewachsen. In Serenity? Hieß das, dass sein Vater auch hier lebte? Würde er endlich den Mann kennenlernen, den er bisher eher als Samenspender betrachtet hatte?

      Chase legte eine seiner großen, warmen Hände auf seinen Oberschenkel, in einer beiläufigen Bewegung. Jaden zuckte zusammen und starrte sie an. Seine Gedankenblase zerplatzte abrupt. Doch für Chase schien die Berührung keine große Sache zu sein. Er sollte ihn bitten, die Hand wieder wegzunehmen, doch die Worte drangen nicht aus seiner Kehle.

      »Ähm«, sagte er.

      »Sind Sie okay?«

      »Ja.«

      Chase wirkte nicht überzeugt, zog die Hand aber wieder weg.

      Erst als Jaden tief Luft holte, fiel ihm auf, dass er den Atem angehalten hatte. Er sollte etwas sagen, bevor Chase Fragen stellte, die er nicht beantworten wollte. »Sie haben sie also gekannt?«

      »Ja. Sie war wirklich unvergleichlich. Ich war am Sonntagabend oft bei ihr und Ihren Brüdern zum Essen eingeladen. Sie hat ein altes Lagerhaus gekauft, es renoviert und dort ein Fitnessstudio eröffnet. Die Jungs leiten es nun. Ich unterrichte ein paar Kurse dort, mehrmals die Woche. Das Studio bietet auch Physiotherapie an.« Er lächelte. »Ihre Großmutter war Krankenschwester, wussten Sie das? Sie hat es geliebt, Menschen zu helfen.«

      Das hatte Jaden nicht gewusst. Er kratzte sich am Nacken. Seine Nerven flatterten. Er würde ein Außenseiter sein. Ein Außenseiter, der … Ja, was eigentlich? Der in eine Situation hineinplatzte, die ohne ihn perfekt funktionierte? »Ich kannte sie nicht wirklich«, murmelte er.

      »Oh.«

      Sofort breitete sich peinliches Schweigen aus. Es waren die längsten zehn Minuten seines Lebens. Obwohl er schon öfter solche unangenehmen Situationen erlebt hatte.

      Als sie die Tankstelle erreichten, waren weit und breit keine anderen Kunden zu sehen. Jaden kaufte im Eiltempo einen Kanister und füllte ihn auf. Chase hatte Magneto aus dem Auto gelassen und spazierte mit ihm über die nahe Wiese, wo Magneto Grasbüsche und Sträucher markierte.

      Anscheinend mochte Chase keine Stille. Auf dem Rückweg räusperte er sich nach einigen Minuten und fragte: »Also, wie lange wirst du bleiben?«

      »Ein paar Wochen? Vielleicht einen Monat.« Das war zumindest der Plan. Lange genug, um sich um alles Nötige zu kümmern. Nur, dass es eigentlich nichts zu tun gab. Das Unternehmen seiner Großmutter lief auch ohne ihn und seine Brüder hatten wahrscheinlich schon ihr Haus ausgeräumt. Vielleicht würde er ein bisschen Krimskrams mitnehmen und sich darum kümmern, seinen Anteil an der Firma zu verkaufen. Seine Halbbrüder wollten sicher nicht, dass er plötzlich aus dem Nichts auftauchte und ihr Leben durcheinanderbrachte.

      »Serenity ist eine kleine Stadt, etwa fünftausend Einwohner. Aber ich finde, es ist wirklich schön hier. Wir haben viel zu bieten.«

      Jaden schnippte einen Fussel von seinem Hosenbein. Eigentlich sollte er Chase das nicht fragen … Aber er würde es trotzdem tun. »Kannst du mir etwas über sie erzählen? Über … meine Brüder?« Er hielt seinen Blick angestrengt auf die Bäume gerichtet, die draußen vor dem Autofenster an ihnen vorbeizufliegen schienen.

      Chase zögerte kurz, doch dann drehte er das Radio leiser und begann zu sprechen. »Da sind Elliot, Phoenix und Zane. Phoenix und Zane haben schon hier gelebt, als ich nach Serenity gezogen bin, vor etwa sechs Jahren. Elliot ist dann ungefähr ein Jahr später dazugekommen. Soweit ich weiß, haben sie nach ihrem Vater gesucht und sind dann geblieben. Zane und ich sind im Studio für die Physiotherapie verantwortlich, Elliot ist fürs Personal Training zuständig. Phoenix macht alles Mögliche. Er leitet ein Rehabilitationszentrum für Wildtiere, das ist ziemlich zeitintensiv. Sie leben alle getrennt, aber Elliot hat die letzten sechs Monate bei Lily-Anne gewohnt, um sich um sie zu kümmern.« Er hielt neben Jadens Auto an. Sein Tonfall war warm, beruhigend. »Sie sind alle wirklich nett. Du musst dir keine Sorgen machen.«

      Jaden lächelte schief. Sein Magen schien zu schlingern. Nun wusste er zumindest, dass sie nicht gemeinsam aufgewachsen waren. Aber trotzdem, es war eben nicht so einfach, sich keine Sorgen

Скачать книгу