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rechnen. Der Markt für Eigentumswohnungen in der Stadt war im Moment nicht so gut, auch wenn sie überzeugt war, daß ihr Makler sich sehr bemühte. Er rief sie, und das war ganz rührend, dauernd an, um sie über jede Besichtigung zu informieren. Aber dem einen war die Wohnung zu groß, dem anderen zu klein, dem dritten zu teuer. Außerdem gab es auch viele Immobilientouristen, die überhaupt nicht kaufen wollten, sondern nur Spaß daran hatten, sich Wohnungen und Häuser anzusehen.

      An diesem Morgen war sie ausgesprochen schlecht gelaunt. Sie hatte in der Nacht kaum geschlafen, in wirren Träumen war sie von den Fangarmen einer gewaltigen Krake umschlungen gewesen, die sie gewaltsam in brackige Abgründe herunterziehen wollte. Und so sehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht, sich zu befreien. Sie bekam immer weniger Luft, drohte zu ersticken…

      Schweißgebadet war sie aufgewacht. Und man mußte eigentlich kein Psychologe sein, um diesen Traum, auf ihre Realität bezogen, zu deuten – sie hatte Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Und ihr Blick war, was ihre Zukunft anbelangte, getrübt. Und Angst nahm ihr die Luft zum Atmen.

      Vielleicht war sie auch so mutlos, weil inzwischen der Architekt auf dem Hof gewesen war. Von der Idee war er total begeistert, aber er war auch realistisch genug, ihr zu sagen, daß der Umbau weitaus teurer würde als von ihr angenommen. Auch wenn Toni und Arno viel selbst machen konnten.

      Vielleicht sollte sie vorübergehend einige Zimmer in ihrem Haus für Touristen herrichten. Sie brauchte doch die ganzen Zimmer nicht. Und daß Fremde im Haus sein würden, daran mußte sie sich eben gewöhnen.

      Irgend etwas mußte sie tun, und das vordringlichste war, das Gesindehaus erst einmal komplett leerzuräumen und zu entrümpeln.

      Bettina wollte gerade hinüber gehen, um damit anzufangen, als sie sah, daß Linde auf den Hof gefahren kam. Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen, denn sie hatte sich bei ihr nicht mehr blicken lassen, weil immer etwas dazwischen gekommen war.

      »Hast du etwas gegen mich?« rief Linde ihr lachend zu. »Oder habe ich in deinen Augen die Beulenpest oder eine andere ansteckende Krankheit?«

      »Bitte, entschuldige… ich freue mich, dich zu sehen, aber bei mir kam immer irgend etwas dazwischen. Außerdem bin ich im Augenblick wirklich nicht gut drauf.«

      »Wegen Thomas?« erkundigte Linde sich behutsam. »Markus hat mir erzählt, was da gelaufen ist.«

      Bettina seufzte.

      »Ach, weißt du, Linde. Ich werde mich zwingen, Thomas endgültig zu vergessen. Aber nachdem ich weiß, was wirklich geschehen ist, kann ich es ohne Bitterkeit im Herzen tun.«

      »Du liebst ihn also noch immer.«

      »Er war die große Liebe meines Lebens, aber laß uns bitte nicht mehr über Thomas reden. Wenn du etwas Zeit hast, möchte ich gern mit dir über meine Probleme, aber auch über meine Ideen sprechen.«

      Nachdem sie es sich auf der neben dem Eingang zum Haupthaus stehenden Bank gemütlich gemacht hatten, erzählte Bettina ihr von der Idee mit den Feriengästen, Rindersalami herzustellen oder Senf der besonderen Art.

      »Am besten wäre es natürlich, wieder die Produktion unseres Kräutergoldes aufzunehmen. Wußtest du, daß mein Vater einen hochmodernen Betrieb errichtet hat?«

      Linda nickte.

      »Klar. Meine Eltern und ich haben ihn auch besichtigt. Er war ja so stolz darauf und hat sich so sehr gewünscht, daß Kräutergold wieder ein wichtiger Bestandteil in eurer Firma wird.«

      »Aber er hat niemandem von uns die Rezeptur hinterlassen. Kannst du das verstehen?«

      »Das glaube ich nicht, du mußt nachforschen.«

      Bettina erzählte ihr, was sie alles unternommen hatte.

      »Dieser Punkt kann gestrichen werden. Aber wie findest du meine anderen Ideen? Ich muß unbedingt etwas unternehmen. Ich habe zwar einen stattlichen Besitz geerbt, aber leider kein Geld. Und verkaufen werde ich nicht.«

      »Nein, das solltest du wirklich nicht tun. Ja, weißt du, die Idee mit den Appartements und Ferienwohnungen finde ich gut. Möglichkeiten hast du hier oben genug, die Lage ist bilderbuchreif, die Hofanlage auch, und der Ort Fahrenbach wird aufgewertet. Ich denke, daß der eine oder andere verkaufen wird, und dann entsteht hier viel Neues. Ob es zum besten sein wird, wird sich zeigen. Aber, ehrlich gesagt, das mit der Salami und dem Senf, ich weiß nicht. Ich glaube, damit würdest du dich nur verzetteln, und es dauert lange, da etwas aufzubauen. Und Galloway-Rinder. Stell dir doch mal vor, was unsere Bauern sagen würden, wenn zwischen unseren braungescheckten Kühen auf einmal diese Exoten herumlaufen würden.«

      »Na ja, jetzt übertreibst du aber, Galloway-Rinder sind doch keine Exoten.«

      »Für uns hier schon.«

      »Normale Rindersalami hat keinen Charme und läßt sich nicht als Spezialität vermarkten.«

      Linde lachte.

      »Hier spricht die Werbefachfrau. Aber Spaß beiseite. Warum baust du nicht beispielsweise eine Reithalle? Platz genug hast du, und Pferdeboxen gibt es bereits.«

      »Linde, ich kann die Wohnungen kaum bauen. Wie, bitte, soll ich das finanzieren?«

      »Indem du Markus beispielsweise ein paar von deinen Bäumen verkaufst. Du hast doch genug davon.«

      Irritiert blickte Bettina zur Seite.

      »Wie meinst du das?«

      »Ganz einfach. Ich habe es so gemacht, dein Vater auch, und eigentlich jeder Waldbesitzer hier in der Gegend. Es muß doch immer wieder aufgeforstet werden. Markus ist da sehr gewissenhaft. Er kennzeichnet die Bäume, zeigt sie dir, fällt sie und… bezahlt, sogar sehr ordentlich.«

      Lindes Handy klingelte.

      Sie meldete sich, hörte kurz zu.

      »Schade, ich muß zurück. Ein Bus mit Ausflüglern ist gerade angekommen, und die wollen zum Mittagessen bleiben.«

      »Dann freu dich, ist doch gut, wenn das Geschäft blüht. Aber danke, du hast mir sehr geholfen.«

      Linde umarmte ihre Jugendfreundin.

      »Mach dir keine Sorgen, du schaffst das schon. Und wenn dein Vater nicht davon überzeugt gewesen wäre, hätte er dir diesen Hof mit allem, was dazugehört, nicht hinterlassen. Neben dir war das, glaub ich, das Wichtigste in seinem Leben.«

      Sie winkte ihr nochmals zu.

      »Und laß dich unten wieder mal blicken.«

      Bettina versprach es und blickte Linde nach, bis sie das Auto nicht mehr sehen konnte.

      Eine Reithalle?

      Nun, zumindest gab es im weiteren Umkreis keine.

      Und Boxen hatte sie auch, um wenigstens acht Pferde unterzustellen.

      Und Pferde liebte sie über alles. Sie war selbst eine begeisterte Reiterin, hatte aber in den letzten Jahren den Sport nicht mehr ausgeübt.

      Hier gab es viele wunderbare Möglichkeiten, auszureiten. Und wenn sie den Gedanken mit der Reithalle auch noch hintenanschieben mußte, obgleich er nicht schlecht war. Vielleicht konnte sie sich ein Pferd kaufen? Platz, es unterzustellen, hatte sie ja.

      »Jetzt hör auf zu spinnen, altes Mädchen«, wies sie sich selbst zurecht. »Dazu hast du weder Zeit noch Geld.«

      Leni kam aus der Tür.

      »Mit wem redest du da? Ist doch niemand hier.«

      »Ach, weißt du, ich habe mich bloß zurechtgewiesen, weil ich einen spinnerten Gedanken hatte… sag mal, weißt du, wo Arno ist?«

      »Ach, der ist mit Toni unterwegs. Sie wollen irgendwelche Geräte holen, die sie brauchen, um das Gesindehaus zu entkernen.«

      »Na ja, ich geh schon mal rüber und fange an, einen Container zu beladen.«

      »Aber das kannst du doch nicht. Warte doch, bis

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