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      »Das hast du auch verdient, aber nun geh.«

      Bettina sollte schließlich nicht sehen, daß sie vor lauter Rührung weinen mußte.

      Noch an diesem Nachmittag würde sie in die Kirche gehen und ein Kerzchen anzünden und für Bettinas Glück beten.

      Nur so zur Sicherheit, denn eigentlich hatte sie überhaupt keinen Zweifel, daß es diesmal ein Happy End geben würde mit den beiden.

      Bettina eilte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.

      Sie fühlte sich frei, jung und unbeschwert und hätte am liebsten die ganze Welt umarmt. Aber das sollte sie sich am besten für Thomas aufbewahren, der bald wieder bei ihr sein würde.

      Sie schaute in den Badezimmerspiegel und war entsetzt. Ihr Gesicht war noch immer schmutzig von den abgeschmirgelten Spänen, sie hatte überhaupt nicht daran gedacht, es zu waschen, und ihm schien es offensichtlich auch nichts ausgemacht zu haben.

      Nun wurde es aber Zeit, daß sie sich ihm in ihrer ganzen Schönheit präsentierte. Aber eigentlich kam es darauf nicht an.

      Bettina schlüpfte aus ihren verschmutzten Sachen und ging unter die Dusche.

      Während sie sich einseifte, begann sie lauthals zu singen.

      Vergessen waren all ihre Probleme. Sie dachte nicht mehr daran, wie sie alles finanzieren, wovon sie leben würde. Das alles war so unwichtig, zumindest in diesem Augenblick.

      Das einzige, was jetzt zählte, war Thomas, Thomas Sebelius, der Mann, den sie liebte, der ihre Gefühle erwiderte.

      Was immer auch geschehen würde, wo immer sie auch leben würden, das war alles ungewiß.

      Gewiß war, daß sie sich niemals mehr verlieren würden, und das war eine wundervolle Gewißheit.

Rote Rosen für Bettina

      Bettina warf einen letzten Blick in den Spiegel, zupfte eine vorwitzige Haarsträhne zurecht, dann wandte sie sich zufrieden ab.

      Es hatte zwar keine Verwandlung vom häßlichen Entlein zum schönen, stolzen Schwan stattgefunden, aber sie konnte mit dem Resultat ihrer Bemühungen durchaus zufrieden sein. Im übrigen war sie auch kein häßliches Entlein. Sie hatte lediglich ein wenig mitgenommen und schmutzig ausgesehen, als sie Thomas plötzlich und unerwartet gegenüber gestanden hatte. Schließlich hatte er sie auch bei der Arbeit angetroffen.

      Thomas…

      Ein weiches, glückliches Lächeln umspielte ihren schöngeschwungenen Mund.

      Noch schien es ihr unfaßbar, daß es Thomas wieder in ihrem Leben gab. Zehn Jahre des Haderns, des Unglücklichseins, waren wie weggewischt, als hätte es sie niemals gegeben.

      Sie beeilte sich, hinunterzugehen. Sicherlich würde Thomas bald mit seinem Gepäck zurück sein und dann für zwei bis drei wundervolle Wochen bei ihr auf dem Fahrenbach-Hof bleiben. Und danach…

      Es war zu früh, jetzt darüber nachzudenken. Es würde sich zeigen, aber sicher war schon jetzt, daß es ein ›Danach‹ geben würde.

      Wenn ihr jemand noch vor einer Woche gesagt hätte, daß Thomas Sibelius, die große Liebe ihres Lebens, nach mehr als zehn Jahren wieder ihre Wege kreuzen würde – nicht nur das, daß ihre Liebe so groß sein würde wie damals, den hätte sie ausgelacht.

      Und dann war er heute morgen einfach dagewesen.

      Es fühlte sich sofort so an, als wären sie sich gestern zum letzten Mal begegnet. Es gab nichts Fremdes zwischen ihnen, nur ihre grenzenlose große Liebe, die durch eine böse Intrige ihrer Mutter fast für immer zerstört worden wäre.

      Doch daran wollte Bettina jetzt nicht denken, nicht in diesem Augenblick.

      Leise vor sich hin trällernd hüpfte sie die Treppe herunter. Schon in der Diele roch es köstlich, unverkennbar nach Lenis Apfelkuchen.

      Bettina ging in die Küche, wo Leni emsig herumhantierte. Sie drehte sich um, und ein Strahlen ging über ihr rundliches Gesicht.

      »Du siehst wunderschön aus. Gut, daß du das dunkelblaue Tupfenkleid angezogen hast.«

      Bettina lachte.

      »Das habe ich nur für dich gemacht, du wolltest es doch so haben.«

      »Ich habe es mir gewünscht«, bestätigte Leni, »aber gemacht hast du es für Thomas.«

      Bettina tanzte auf die rundliche Haushälterin zu, die seit ihrer Jugendzeit in ihrem Leben war und drückte ihr einen übermütigen Kuß auf die glänzende Stirn.

      »Ach, Leni, ich bin ja so glücklich. Fast erscheint es mir noch immer wie ein Traum, daß Thomas plötzlich wieder da ist. Findest du nicht auch, daß er großartig aussieht? Noch viel besser als früher.«

      Leni lachte.

      »Er ist männlicher geworden. Aber gut ausgesehen hat er schon immer. Und er hat, was viel wichtiger ist, einen guten Charakter. Von einem schönen Teller kann man nicht essen.«

      »Ach, Leni, du mit deinen Sprüchen… aber es ist schon wahr, Thomas ist ein wunderbarer Mensch, und ich liebe ihn so sehr.«

      »Ich habe es gewußt, mein Kind. Aber warum hast du nie darüber gesprochen?«

      »Weil es so weh getan hat. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, und ich habe doch deswegen auch nicht hierher kommen können, weil mich alles an Thomas erinnert hätte. Wenn mein Vater mir nicht den Hof vererbt hätte, wäre ich heute noch nicht hier, und dann wäre ich Thomas nicht begegnet.«

      Sie seufzte.

      »Ich hätte alles vielleicht auch schon früher haben können, nicht auszudenken… ich weiß nicht, ob ich es meiner Mutter jemals verzeihen kann, daß sie so verletzend und intrigant in mein Leben eingegriffen hat.«

      »Sie hat es getan, und daran ist nichts mehr zu ändern. Aber es ist ihr nicht gelungen, eure Liebe zu zerstören. Wer weiß, vielleicht wäre es ja gar nicht gutgegangen, wenn ihr die ganzen Jahre über zusammen gewesen wärt.«

      »Doch, das wäre es. Ich hoffe nur, daß wir die lange Zeit überbrücken können, in der wir uns nicht gesehen haben. Ich weiß über Thomas nur, daß er in Amerika gelebt hat und auch noch lebt. Was hat er gemacht? Gibt es eine Frau in seinem Leben? Kann er…«

      Sie brach ab.

      »Leni, ich möchte ihn nicht mehr verlieren.«

      »Wirst du auch nicht. Und wenn es eine Frau gäbe, dann wäre er doch nicht sofort gekommen. Das muß dir dein gesunder Menschenverstand schon sagen.«

      Wieder umarmte Bettina die rundliche Frau. Leni hatte es schon immer verstanden, sie auf wunderbare Weise zu trösten. Etwas, was bei ihrer Mutter niemals möglich gewesen war.

      »Danke, Leni, und schön, daß du Apfelkuchen gebacken hast. Thomas mag ihn ja auch so gern.«

      »Weiß ich doch. Willst du schon mal probieren?«

      Bettina lachte.

      »Besser nicht.« Sie blickte auf ihre Armbanduhr. »Thomas müßte doch schon längst hier sein.«

      »Müßte er nicht. Vielleicht hat er sich etwas mit Markus verplaudert, oder er ist aus einem anderen Grund aufgehalten worden.«

      »Hoffentlich ist ihm nichts passiert.«

      »Bettina«, Lenis Stimme klang streng. »Jetzt hör auf damit. Deck den Tisch, dabei kommst du auf andere Gedanken. Nimm zur Feier des Tages das Meißner Porzellan.«

      Bettina erinnerte sich dabei, daß Leni immer tausend Argumente gefunden hatte, die gegen das Eindecken mit dem teuren Porzellan sprachen, und wenn sie das jetzt so großzügig gestattete, sprach das durchaus für ihre große Sympathie für Thomas.

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