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es früher immer getan hatte, ein Stück freihändig zu fahren.

      Thomas versuchte mit fast akrobatischem Geschick Steine wegzukicken.

      Bestens gelaunt kamen sie am See an.

      »Hier hat sich wirklich nicht viel verändert«, sagte er ganz verwundert.

      Bettina lehnte ihr Fahrrad an einen Baum.

      »Doch, die Bäume, Sträucher sind höher geworden… aber ich glaube, das war’s auch schon. Mein Vater scheint nicht mehr oft hier gewesen zu sein. Aber offensichtlich hat er alles in Ordnung gehalten. Ich bin zwar noch nicht rausgefahren, aber das Segelboot hat zumindest eine funkelnagelneue Persenning. Ich nehme an, daß das Boot gewartet wurde.«

      »Gibt es das alte Ruderboot noch?«

      Bettina nickte.

      Thomas stellte den Picknickkorb ab.

      »Dann laß uns den Kahn nehmen, wie früher. Aber vorher möchte ich einfach den Anblick des Sees genießen. Mein Gott, ist es schön hier. So friedlich – wirklich ein Stückchen Paradies.«

      Er ergriff ihre Hand und zog sie den Bootssteg entlang zu der Bank, auf der sie auch hunderte Male gesessen hatten.

      Genau wie sie es beim ersten Mal getan hatte, fuhr er mit den Fingern die Konturen des verwitterten Herzens nach, in das sie T + B eingeritzt hatten.

      »Sieh, es hat allen Stürmen getrotzt.«

      Er zog sie neben sich auf die Bank, legte seinen Arm um ihre Schulter. Sie lehnte sich an ihn und schloß die Augen.

      Auch Thomas sprach nicht.

      Es war ganz still bis auf das leise Plätschern der Wellen, die im sanften Gleichklang gegen die Pfosten unter ihnen schlugen.

      Ein Augenblick der Ewigkeit…

      Das Gekreisch zweier Möwen brachte sie in die Wirklichkeit zurück, die mit kräftigen Flügelschlägen über sie hinwegflogen, um sich dann pfeilschnell aufs Wasser stürzten, um die gesichtete Beute zu erhaschen.

      »Nehmen wir den Picknickkorb mit aufs Boot, oder soll ich ihn ins Haus bringen?«

      »Bring ihn ins Haus, wir picknicken dann hier, das ist gemütlicher, auf dem engen Boot ist es nicht so prickelnd«, lachte Thomas. »Schließlich sind wir nicht mehr die Jüngsten. Ich hol das Boot raus.«

      Bettina spürte seinen Blick in ihrem Rücken. Als sie sich umdrehte, warf er ihr verliebt eine Kußhand zu, was sie, ebenso verliebt, erwiderte.

      Sie beeilte sich, den Korb im Haus zu verstauen, dann lief sie, bewaffnet mit einer Flasche Wasser, den Steg entlang.

      Thomas half ihr in das Boot. Sie machte es sich vorn an der Spitze gemütlich, wobei sie sich so hinsetzte, daß sie ihn im Auge hatte.

      Mit gleichmäßigen Schlägen bewegte er das Boot in Richtung Seemitte. Sie sah, wie sich unter dem dünnen Stoff seines Shirts die Muskeln spannten.

      Es war fast windstill, die Sonne brannte vom fast wolkenlos klarblauen Himmel. Nur hier und da schien eine weiße Wolke wie ein vergessenes Relikt am Himmel zu kleben.

      Er tauchte die Ruder ins Wasser, zog sie kraftvoll durch, und wenn sie wieder aus dem Wasser kamen, zogen sie kleine Wasserfontänen nach sich, die in der Sonne blitzten wie Diamanten.

      Ein sich wiederholendes Spiel, das sie voller Faszination beobachtete.

      Während Bettina eine Hand unter ihrem Kopf gelagert hatte, glitt ihre zweite durch das Wasser, wie ein kleines Beiboot, das dem Widerstand der Wellen trotzte.

      Ein schnittiges Segelboot glitt an ihnen vorüber. Bettina kannte den Eigner, der alle Mühe hatte, sein Boot bei dem kaum vorhandenen Wind auf Kurs zu halten.

      Er war ein pensionierter Professor, der seit vielen Jahren schon nach Fahrenbach kam und noch bei ihrem Vater einen Liegeplatz in dem kleinen Yachthafen am Ostufer des Sees gemietet hatte.

      Bettina winkte ihm zu, er winkte zurück, dann war sein Boot vorbeigeglitten.

      »Mach keine fremden Männer an«, beschwerte Thomas sich lachend.

      »Der Professor ist mir viel zu alt«, ging sie auf seinen launigen Ton ein, um dann ernst zu werden. »Wer könnte schon neben dir bestehen? Nur du bist es, der für mich zählt.«

      Er hielt in seinen Ruderbewegungen inne und blickte sie an.

      »Richtig geliebt habe ich immer nur dich.«

      Dieser Satz ließ alle Alarmglocken in ihr angehen. Was hatte er damit sagen wollen? Richtig geliebt – bedeutete das, das er ›anders‹ geliebt eine andere hatte? Oder mehrere Andere? Außerdem – lieben ist lieben, ohne richtig oder falsch oder anders.

      Bettina merkte, wie brennende Eifersucht sich in ihr ausbreitete. Es gab auf einmal eine Schlange in ihrem Paradies.

      Sie richtete sich so heftig auf, das das Boot anfing gefährlich zu schwanken.

      Geistesgegenwärtig brachte Thomas es wieder in die richtige Position.

      »Tom… gab oder gibt es andere Frauen in deinem Leben?«

      Ihre direkte Frage war ihm mehr als unangenehm, das spürte sie.

      Er zögerte einen Moment.

      »Tini, findest du, daß dies der richtige Augenblick ist für Lebensbeichten? Hier, mitten auf dem See, in dieser herrlichen Natur?«

      Er wollte nicht darüber reden, sie hatte also ins Schwarze getroffen, und das schürte ihre Eifersucht nur noch mehr.

      Er seufzte.

      »Tini, ich bin hier, weil ich es wollte, weil es für mich, nachdem Markus mich angerufen und aufgeklärt hatte, was geschehen war, kein Halten mehr gab. Ich wollte nichts anderes als nur zu dir, weil ich dich liebe.«

      Das klang so aufrichtig, daß sie begann, sich zu schämen.

      »Aber ich weiß nichts über dich, ich meine, was du in all den Jahren so getrieben hast.«

      »Das kannst du alles erfahren. Das Wichtigste für mich war eigentlich zunächst, dich zu sehen, dich zu spüren, dich, deine aufregende Nähe zu genießen.«

      »Na ja, eigentlich ist es nicht so wichtig…«

      Er unterbrach sie.

      »Oh doch, für dich scheint es wichtig zu sein… weißt du was, laß uns die Zeit hier genießen, heute abend das Treffen mit unseren Freunden. Für morgen machen wir keine Pläne, und dann können wir uns die gegenseitige… Beichte abnehmen. Wir können rückhaltlos – sofern der Andere es wissen möchte über das reden, was in den letzten zehn Jahren passiert ist.«

      Sie begann sich wegen ihres Eifersuchtsanfalls zu schämen.

      »Es tut mir leid, Tom. Vielleicht reagiere ich über, weil ich mir deiner noch nicht wieder sicher bin. Ich habe einfach Angst, dich zu verlieren.«

      Thomas zog die Ruderblätter ein. Das Boot schaukelte sanft auf den Wellen.

      Er beugte sich ein wenig vor.

      »Tini, Angst ist ein schlechter Begleiter, und Sicherheit ist trügerisch. Man kann sich keiner Sache sicher sein, und eines Menschen schon gar nicht.«

      Ihr Kopf ruckte hoch.

      »Was willst du damit sagen?«

      »Ein Haus kann abbrennen, die teure Porzellantasse herunterfallen und ein Mensch, nun, der kann sterben, mit dem Auto vor einen Baum fahren. Sicherheit – wenn wir überhaupt bei diesem Wort bleiben wollen – findet man nur in sich und für sich, nicht im außen, nicht bei einem Anderen, und man kann sich auch nicht durch einen Anderen definieren … wie heißt es so schön im Zen-Buddhismus – wahre Liebe und Verbundenheit zwischen zwei Menschen ist dann gegeben, wenn noch soviel Platz zwischen ihnen ist, daß ein sanfter Wind hindurchwehen kann.«

      Bettina war beschämt.

      »Und

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