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ich es dir.«

      Bekümmert blickte Linde ihr hinterher. Sie hatte gleich vermutet, daß Bettina ihre große Jugendliebe nicht vergessen hatte, denn warum hätte sie sich gleich bei ihrem ersten Besuch nach Thomas erkundigt.

      Sie wurde gerufen.

      »Aber du wartest auf mich und läufst mir nicht auch weg«, sagte sie, ehe sie davonwirbelte.

      *

      Wie in Trance war Bettina zu ihrem Auto gegangen. Sie hatte Mühe, das Fahrzeug zu starten.

      Thomas hatte sie nicht verlassen. Ihre Mutter war es gewesen, die eigenmächtig in ihr Leben eingegriffen und bestimmt hatte, daß es Thomas darin nicht mehr geben durfte.

      Und dann war sie selbst gegangen und hatte nichts als Scherben hinterlassen.

      Sollte sie ihre Mutter dafür hassen?

      Nein, das konnte sie trotz allem nicht. Außerdem würde es ihr nichts mehr bringen. Ihre Mutter war unerreichbar und Thomas, das hatte sie aus Markus’ Verhalten geschlossen, verheiratet.

      Es war ihm auch nicht zu verdenken. Er hatte an den Verrat ihrer Liebe geglaubt, und wenn es da eine Frau gegeben hatte…

      Sie wollte diesen Gedanken nicht zu Ende bringen. Das würde sie an den Rand des Wahnsinns bringen.

      Bettina war so sehr durcheinander, daß sie überhaupt nicht merkte, wie sie den Weg zum See einschlug.

      Sie überholte eine Gruppe junger Mädchen, die lachend auf ihren Fahrrädern saßen und ihr übermütig zuwinkten. Sie zwang sich, zurückzuwinken.

      So fröhlich und so unbeschwert war sie damals auch gewesen, als für sie der Himmel voller Geigen hing und sie sich der Liebe von Thomas absolut sicher gewesen war.

      Neben dem Bootshaus hielt sie ihren Wagen an, dann lief sie den Steg entlang und ließ sich auf die Bank fallen. Sie preßte ihr Gesicht an das harte Holz der Lehne und begann hemmungslos zu weinen.

      Sie hätte später nicht zu sagen vermocht, wie lange sie sich ihrem Leid hingegeben hatte. Aber irgendwo war es wohl auch die verkrümmte, unbequeme Haltung, die sie zwang, sich aufzurichten.

      Sie trocknete ihre Tränen und starrte hinaus auf das klarblaue Wasser, das im monotonen Gleichklang an das Ufer und gegen den Steg schwappte.

      Warum hatte sie eigentlich von sich aus nichts unternommen, Thomas zu finden? Warum hatte sie sich darauf verlassen, daß er sich melden mußte. Aus verletztem Stolz? Warum war sie nicht einfach nach Fahrenbach gefahren, um sich nach ihm zu erkundigen, so wie sie es jetzt auch getan hatte. Sie hatte doch gewußt, daß Thomas und Markus Freunde gewesen waren. Warum hatte sie nichts anderes getan, als sich nur ihrem Leid hinzugeben?

      Warum… warum… warum…

      Sie kannte die Antwort nicht.

      Aber vielleicht war es ja auch ihr Schicksal, die große, die einzige Liebe zu erfahren, um sie dann für immer zu verlieren.

      »Thomas, Thomas, ich hätte wissen müssen, daß du dein Wort nicht brichst«, wimmerte sie. »Bitte, verzeih mir.«

      Enten flatterten schnatternd vorüber, um sich ganz in der Nähe auf das Wasser fallen zu lassen.

      Doch das alles nahm Bettina nicht wahr, sie weinte und trauerte um sich und ihre verlorene Liebe.

      Es war schon später Nachmittag, als sie sich endlich erhob, um zu ihrem Auto zu gehen. Sie mußte dringend nach Haus, Leni würde sich schon Sorgen machen.

      Sie war schon eingestiegen, als sie es sich anders überlegte.

      Sie lief ins Bootshaus und holte dort den blauen Pullover heraus, den Thomas vergessen hatte. Sie preßte ihr Gesicht hinein – er roch nur leicht muffig, weil er so viele Jahre in einem Raum gelegen hatte, der nur selten, wenn überhaupt, gelüftet worden war.

      Sie würde Leni bitten, den Pullover zu waschen, und dann würde sie ihn tragen, auch wenn er eigentlich zu groß für sie war.

      Ehe sie den Pulli auf den Beifahrersitz legte, preßte sie ihn nochmals an sich und zwang sich, nicht schon wieder zu weinen. Sie hatte wahrlich genug Tränen vergossen.

      *

      Die nächsten Tage waren für Bettina ganz schrecklich. Sie mußte immer an Thomas denken. Sollte sie Markus um seine Adresse und Telefonnummer bitten? Einen solchen Gedanken verwarf sie so schnell, wie er ihr gekommen war. Wenn Thomas verheiratet war, und daran zweifelte sie nicht, würde sie ihn nur in Verlegenheit bringen. Und wenn er es nicht war, wer sagte ihr, daß er nach so vielen Jahren noch daran interessiert war, von ihr zu hören.

      Die Bitterkeit war aus ihrem Herzen verschwunden, aber der Schmerz würde bleiben. Damit mußte sie sich ganz einfach abfinden.

      Aber das Leben ging weiter. Und sie mußte ihres endlich ordnen.

      Bettina hatte bereits die umliegenden Gebäude inspiziert. Jetzt mußte sie sich nur noch die »Likörfabrik« anschauen. Jetzt, da es die Rezeptur für das KRÄUTERGOLD nicht mehr gab, konnte sie das Gebäude durchaus anderweitig nutzen. Und da das Haus etwas abgelegen war und mehrere Räume besaß, war es vielleicht sinnvoll, dort mit den Ferienwohnungen und Appartements zu beginnen.

      »Arno, gehst du mit mir rüber in die Destille?« fragte sie. »Du kennst dich dort ja am besten aus.«

      Er bekam glänzende Augen.

      »Hast du die Rezeptur bekommen?«

      Bettina schüttelte den Kopf.

      »Leider nicht, KRÄUTERGOLD wird es wohl nicht mehr geben, deswegen müssen wir das Haus anderweitig nutzen.«

      »Aber das geht nicht.«

      »Alles geht«, widersprach sie.

      Das Haus war ungefähr zweihundert Meter von dem eigentlichen Hauptgebäude entfernt. Von außen wirkte es sehr gepflegt. Der Anstrich war vor nicht allzulanger Zeit erneuert worden, auch die Holzrahmen und die Türen waren frisch gestrichen. Das verwunderte Bettina ein wenig, denn soweit sie sich erinnern konnte, hatte das Haus früher in einer Art Dornröschenschlaf verharrt. Es war nicht mehr gewesen als ein Relikt aus alter Zeit, von ihrem Vater allerdings gehütet. Sie hätte mit ihren Geschwistern dort schrecklich gern gespielt, aber davon wollte ihr Vater nichts wissen. Und es hatte zwischen ihm und ihrer Mutter deswegen Streit gegeben, weil sie nicht begreifen konnte, daß er an diesem alten Krempel so hing.

      Und nun würde sie wohl keine andere Wahl haben, als Container aufzustellen und alles zu entsorgen, denn was sollte sie damit tun?

      »So, da sind wir«, sagte Arno und schloß das Haupttor auf.

      Bettina trat ein und prallte fast zurück.

      Der Flur war ebenfalls renoviert, die Wände erstrahlten in Weiß und der Boden war wechselseitig mit schwarzen und weißen Fliesen belegt.

      »Was ist denn hier passiert?«

      »Da staunst du, was?« strahlte er, »dein Vater hat alles renovieren lassen, aber jetzt zeig ich dir mal was…«

      Er ging vor und öffnete die Tür zur eigentlichen Destillation.

      Bettina glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Von wegen alte Geräte, es war ein hochtechnisierter Raum mit den modernsten Maschinen und Kesseln.

      »Ich glaube es nicht«, ächzte sie. »Warum hat Papa das denn gemacht?«

      »Na ja, als dein Vater sich entschlossen hat, unser gutes Kräutergold wieder herzustellen, mußte hier etwas geschehen. Die alte Destille war hoffnungslos veraltet, und bei der Herstellung von Schnaps unterliegt man strengen Nahrungsmittelgesetzen und ebenso strengen Hygienevorschriften. Deswegen hat dein Vater diese moderne Anlage hier gebaut und bei der Gelegenheit auch alle Räume entsprechend modernisiert und herrichten lassen.«

      »Und wir wissen nicht, nach welcher Rezeptur hier gearbeitet wurde.«

      »Da war dein Vater wirklich sehr eigen.«

      »Aber

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