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Gegenüber an. »Haben Sie gekündigt?«

      »Ihr Bruder hat mich entlassen.«

      »Das kann doch nicht wahr sein, ich werde gleich mit Frieder reden.«

      »Tun Sie das nicht, es ist zwecklos. Ich bin die letzte vom alten Mitarbeiterstab. Er hat alle ausgewechselt und durch neues, junges Personal ersetzt… er will durch nichts und niemanden an Ihren Vater erinnert werden, deswegen auch der Umbau.«

      »Das kann er doch nicht machen.«

      »Doch, er kann. Er ist im Recht, und man kann ihm noch nicht einmal etwas vorwerfen. Er hat allen eine Abfindung gezahlt und zahlt auch das Gehalt nach der Freistellung weiter bis zum Ende der Kündigungsfrist. Reden Sie mit ihm nicht darüber, es hat wirklich gar keinen Sinn. Aber schön, daß ich Sie noch sehe. Geht es Ihnen denn gut?«

      Bettina plauderte noch etwas mit Frau Schmitz, dann betrat sie das Haus, das im Inneren einer Großbaustelle glich.

      Frieder kam die Treppe herunter, mit Plänen unter dem Arm.

      »Schwesterlein, das ist aber eine Überraschung«, rief er und schien sich wirklich zu freuen, sie zu sehen. »Komm, ich zeig dir, was ich plane. Du wirst hingerissen sein.«

      Er freute sich wie ein Kind an Weihnachten, und Bettina ließ alles über sich ergehen. Zu der Welt, in der er sich jetzt bewegte, hatte sie keinen Zugang, wollte auch keinen haben.

      Er redete nur über sich, fragte mit keiner Silbe nach ihr.

      »Frieder, hast du eigentlich die Rezeptur für unser Kräutergold?«

      Er begann schallend zu lachen.

      »Nein, natürlich nicht, selbst wenn ich es gehabt hätte, hätte ich sie entsorgt. Kräutergold ist mega-out. Was willst du denn damit?«

      Sollte sie es ihm sagen? Es interessierte ihn ohnehin nicht.

      »Ach, nur so… Jörg hat sie vermutlich auch nicht?«

      »Ganz gewiß nicht. Nun vergiß es, kein Mensch will mehr dieses gräßliche Zeug trinken. Am Wochenende geben Mona und ich eine Party, du bist herzlich eingeladen.«

      »Ich fahre morgen wieder nach Fahrenbach.«

      »Sicherlich um zu verkaufen.«

      »Nein, um dort zu leben.«

      Eine hochgewachsene Blondine kam auf sie zugestöckelt. Bettina kannte sie nicht, vermutlich jemand von dem neuen Personal.

      »Chef, ich sollte Sie an den Termin mit dem Architekten erinnern. Er und Ihre Frau warten bereits.«

      »Ach ja, danke, Sandy, ich fahre gleich los.«

      Er wandte sich Bettina zu.

      »Tut mir leid, Schwesterlein…«

      »Laß dich nicht aufhalten, Frieder. Alles Gute für deinen Umbau, und grüße Mona und die Kinder.«

      »Ich geh gleich mit raus«, er hielt ihr die Tür auf, »schade, daß du nicht zu der Party kommen kannst. Melde dich, und überleg es dir mit Fahrenbach. Du bist zu jung, um dich in der Provinz zu vergraben, verkauf alles, ein bißchen was wirst du für den Krempel schon bekommen.«

      Er winkte ihr zu, lief zu dem Porsche, sie hatte sich also doch nicht geirrt, stieg ein und fuhr mit laut aufquietschenden Reifen davon.

      Bettina sah ihm wie einem bösen Geist hinterher.

      Zuerst Grit, jetzt Frieder…

      Um beide konnte man nur Angst haben. Sie mußte ihren Bruder Jörg überhaupt nicht anrufen, das, was sie über ihn gehört hatte, seit er auf Chateau Dorleac lebte, reichte, um sich klar darüber zu sein, daß er in bezug auf Größenwahn der Dritte im Bunde war.

      Ihre Hand zitterte, als sie ihr Auto startete und langsam vom Parkplatz fuhr.

      In ihr war die dumpfe Ahnung, daß es mit dem, was das WEINKONTOR FAHRENBACH ausmachte, endgültig vorbei war.

      Sie hoffte von ganzem Herzen, daß Frieder sich besinnen würde, wie sie es sich ebenso für Grit wünschte, aber wirklich glaubte sie nicht daran.

      *

      Auf dem Weg zu ihrer Wohnung mußte Bettina an einer Ampel stehenbleiben. Ihr Blick fiel auf einen jungen Mann, der – wie es schien – ein wenig gelangweilt vor seinem Computer saß, aber irgendwie sehr sympathisch wirkte.

      IMMOBILIEN STEIN

      las sie auf der Scheibe. Das Schild wirkte noch sehr neu.

      Als die Ampel grün wurde, suchte Bettina sich einen Parkplatz und ging in das Büro.

      Der junge Mann blickte überrascht auf, nachdem Bettina eingetreten war.

      »Sind Sie Herr Stein?« wollte sie wissen, und als er das bestätigte, sagte sie: »Schön, dann habe ich einen Auftrag für Sie, Sie können meine Wohnung verkaufen.«

      Er starrte sie an, als habe sie gerade Suaheli gesprochen.

      »Haben Sie verstanden, Herr Stein?« Bettina konnte sich aus seinem Verhalten keinen Reim machen.

      »Ja, ja, bitte, nehmen Sie Platz… ich bin so durcheinander, weil ich gerade heute mein Büro eröffnet habe, Sie sind meine erste Kundin… welch ein Glücksfall, damit habe ich wirklich nicht gerechnet.«

      Bettina war nahe daran, ihre spontane Handlung zu bereuen. Ein Anfänger?

      Er schien ihre Gedanken erraten zu haben.

      »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe zwar mein Büro heute erst eröffnet, aber ich bin kein Neuling in der Branche. Ich habe einige Jahre bei Immobilien Sänger gearbeitet. Aber leider ist mein Chef gestorben, und mit dem Junior kam ich nicht klar. Er wollte auf einmal alles anders machen, dabei waren wir erfolgreich.«

      Das kannte Bettina aus eigener Erfahrung, der junge Mann wurde ihr immer sympathischer, und rasch erklärte sie ihm, worum es sich handelte und erteilte ihm schriftlich einen Verkaufsauftrag.

      »Sie müssen sich allerdings heute noch die Schlüssel holen, denn morgen fahre ich weg.«

      »Kein Problem, und vielen Dank. Ich werde alles tun, um Ihr Vertrauen nicht zu enttäuschen.«

      Sie verabschiedeten sich und verabredeten sich für den Abend. Sichtlich zufrieden verließ Bettina das Büro.

      Sie gratulierte sich zu ihrem spontanen Entschluß und war überzeugt davon, daß dieser junge Herr Stein alles tun würde, um ihre Wohnung rasch zu verkaufen.

      Und wenn sie es so recht bedachte, war das das einzige positive Erlebnis, seit sie wieder in der Stadt war.

      Ehe sie in ihre Wohnung fuhr, kaufte sie noch für Linde und ihre drei Champagnertrüffel, weil es die nirgendwo so gut gab wie in der Hofkonditorei.

      Dann packte sie die Sachen ein, die sie in den nächsten Wochen brauchen würde.

      Vor dem Verkauf der Wohnung würde sie noch einmal herkommen müssen, um alles aufzulösen.

      Einen Teil der Wohnung würde sie auf dem Hof bei sich unterbringen, den Rest in den Ferienwohnungen. Und was sie nicht mehr benötigte, würde sie entsorgen.

      Bettina wunderte sich, wie leicht es ihr fiel, Abschied von ihrem bisherigen Leben zu nehmen. Aber vielleicht hatte das mit den Horrorbildern zu tun, die sie leider von ihren Geschwistern bekommen hatte.

      Fahrenbach erschien ihr als ein Paradies, aber dennoch war sie nicht töricht genug zu glauben, daß sie dort eitel Sonnenschein erwarten würde. Schließlich gab es auch im Paradies Schlangen.

      *

      Da sie zügig vorangekommen war, wählte sie nicht die Abkürzung durch die Wiesen, sondern fuhr durch das Dorf, weil sie Linde die Champagnertrüffel überreichen wollte.

      Die Gaststube war brechend voll – eine Reisegesellschaft nahm ihr Mittagessen in der LINDE ein, und die junge Frau Linde wirbelte munter umher und gab dem Servierpersonal

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