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Robert, das wäre falsch gewesen«, entgegnete Dr. Sommer. »Ich habe Frau Rauh vor ein paar Wochen angerufen, um mich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Dabei erwähnte sie, wie wohl sie sich in der Waldsee-Klinik fühlt und wie gut ihr die vielen Gespräche mit dir getan haben. Eine Überweisung zu mir hätte sich nur negativ auf ihr Allgemeinbefinden ausgewirkt.« Er schwieg kurz. »Deine Entscheidung war also vollkommen richtig.« Wieder machte er eine Pause. »Im übrigen wären die Chancen der Drillinge hier in meiner Klinik auch nicht größer.«

      »Du hast die beste Frühgeborenen-Intensivstation«, warf Dr. Daniel ein.

      »Ja, aber nur weil Senge bei mir arbeitet. Er ist übrigens schon auf dem Weg zu dir.«

      »Danke, Schorsch.«

      Dr. Daniel wollte auflegen, doch die Stimme seines Freundes hielt ihn zurück.

      »Frau Rauh hat Vertrauen zu dir, das ist wichtiger als alle Technik, die ich ihr bieten könnte«, meinte er. »Darüber hinaus bist du der beste Gynäkologe, den ich kenne. Wenn es dir nicht gelingt, die Babys zu retten, dann würde es mir hier auch nicht gelingen. Mach dir also keine Vorwürfe, wenn dir eines der Kinder wegsterben sollte.«

      *

      Dr. Erika Metzler, die Ehefrau des Chefarztes und Anästhesistin der Gynäkologie, wartete nur noch auf Dr. Daniels Zeichen, um die Narkose bei Gerda Rauh einzuleiten. Die Wehentätigkeit bei Gerda war dank der Infusion zum Erliegen gekommen, und Dr. Daniel hoffte, auf das rasche Eintreffen des Frühgeborenen-Spezialisten Dr. Bruno Senge.

      Im Laufschritt betrat der Arzt nun die Waldsee-Klinik und eilte sofort zum Operationssaal der Gynäkologie.

      »Wie beurteilen Sie die Chancen der Babys?« wollte Dr. Daniel wissen, während sie sich gemeinsam die Hände wuschen.

      »Schlecht«, gab Dr. Senge unumwunden zu, dann sah er Dr. Daniel an. »Ich kenne Sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, was Sie jetzt denken, aber die Antwort lautet eindeutig nein. Die Drillinge hätten auch in der Sommer-Klinik keine größeren Chancen. Mehrlinge sind immer ein Risiko, vor allem, wenn sie zu früh kommen. Im Grunde haben Sie hier alles, was die Babys brauchen, und ich werde mein Möglichstes tun. Mehr wäre auch in der Sommer-Klinik nicht drin gewesen.«

      »Sie wollen mich nur beruhigen«, vermutete Dr. Daniel. »Aber gleichgültig, wie es sich tatsächlich verhält. Wenn mir auch nur eines der Babys hier wegstirbt, werde ich mir mein Leben lang Vorwürfe machen.«

      »Völlig unnötig«, entgegnete Dr. Senge. Dann lächelte er ein wenig. »Gemeinsam werden wir es schon schaffen.«

      Dr. Daniel nickte und ließ sich von der OP-Schwester keimfreie Handschuhe überstreifen. Erst jetzt gab er Erika das Zeichen für die Narkose, denn die Babys sollten dem schädlichen Medikament nur so kurz wie möglich ausgeliefert sein.

      »Sie können anfangen, Ro-bert«, erklärte Erika, sobald Gerda eingeschlafen war.

      Die OP-Schwester reichte Dr. Daniel unaufgefordert das Skalpell, und er führte mit einer raschen Bewegung den Bauchschnitt durch, wartete, bis die Gynäkologin Dr. Alena Reintaler die Haken angesetzt hatte, und öffnete dann vorsichtig den Uterus.

      Dr. Senge stand mit drei Brutkästen bereit und nahm nun das erste, winzig kleine Baby entgegen.

      »Oh, mein Gott«, flüsterte Alena Reintaler betroffen, als sie die zarten, so zerbrechlich wirkenden Neugeborenen sah, und in ihrem Gesicht stand nur zu deutlich geschrieben, was sie in diesem Augenblick dachte: Niemals können diese Kinder überleben.

      Dieser Gedanke streifte auch Dr. Daniel, als er das letzte Baby aus dem Uterus holte und Dr. Senge übergab. Er warf einen kurzen Blick zurück, sah, wie sich der Arzt um die Neugeborenen bemühte, und erwartete jeden Moment die Nachricht vom Tod der Babys zu bekommen.

      Erika Metzler hatte bis zur Geburt des letzten Kindes gewartet, ehe sie die Narkose bei Gerda vertiefte. Dr. Daniel entfernte die Plazenta, vergewisserte sich, daß keine Reste in

      der Gebärmutter zurückblieben, und begann schließlich, die Wunde zu schließen.

      »Soll ich weitermachen?« bot Alena an, da sie genau wußte, wo Dr. Daniels besorgte Gedanken jetzt weilten.

      »Ja, Alena, vielen Dank«, entgegnete er, betrachtete noch einmal die Werte, die die Monitoren anzeigten, und erkannte, daß es wenigstens Gerda Rauh gutging. Erst danach verließ er den Operationssaal und eilte in die Intensivstation, wohin Dr. Senge die drei Babys nach der Erstversorgung gebracht hatte.

      »Wie sieht’s aus?« fragte Dr. Daniel in banger Erwartung.

      »Gar nicht so schlecht«, urteilte Dr. Senge. »Die beiden Mädchen sind kräftig, nur der kleine Junge bereitet mir ein wenig Sorgen.« Er lächelte. »Bei der Kraft geballter Weiblichkeit, ist er offenbar ein bißchen zu kurz gekommen. Aber ich denke, wir werden ihn ebenfalls durchkriegen.«

      Erleichtert atmete Dr. Daniel auf. »Das sind wirklich gute Nachrichten.« Er betrachtete die drei Babys, die im Gegensatz zu einem normal ausgebildeten Neugeborenen wie kleine Püppchen aussahen. »Sind Sie denn sicher, daß es ihnen hier an nichts fehlen wird? Ich meine… eine Verlegung in die Sommer-Klinik…«

      »Nein, die halte ich für unnötig«, entgegnete Dr. Senge. »Die Drillinge sind zwar sehr klein, aber ansonsten gut entwickelt. Sie können ohne Hilfe atmen, und in ein paar Wochen werden sie sich kaum noch von anderen Babys ihres Alters unterscheiden. Eine Verlegung muß wirklich nicht sein. Wenn die Mutter in der Lage ist, ihre Kinder liebevoll zu versorgen, sehe ich zumindest für die Mädchen kein Risiko. Sicherheitshalber sollten sie die ersten Tage noch im Brutkasten bleiben. Der kleine Bub braucht vielleicht sogar ein paar Wochen im Inkubator, ansonsten muß aber gerade er viele Streicheleinheiten bekommen, um das aufzuholen, was er im Mutterleib versäumt hat.« Er lächelte. »Nun sollten wir die frischgebackene Mami aber nicht mehr länger warten lassen.«

      Dr. Daniel nickte. »Das denke ich auch. Herr Rauh dürfte in der Zwischenzeit ja ebenfalls eingetroffen sein. Schwester Bianca hat ihn jedenfalls benachrichtigt.«

      Es stellte sich heraus, daß Ferdinand Rauh schon ungeduldig auf dem Flur wartete.

      »Herzlichen Glückwunsch«, erklärte Dr. Daniel und konnte nun zum ersten Mal wieder lächeln, wenn auch nicht ganz so herzlich wie sonst. Er unterlag noch immer einer gewaltigen Anspannung, die erst allmählich nachlassen würde. »Sie sind soeben dreifacher Vater geworden.«

      »Drei…«, stammelte Ferdi-nand, dann ließ er sich mit einem erleichterten Aufseufzen gegen die Wand sinken. »Es ist also alles gut gegangen, Gott sei Dank.«

      »Kommen Sie, Herr Rauh, Sie dürfen Ihre Frau und Ihre Babys besuchen«, erklärte Dr. Daniel und begleitete den jungen Mann in den Aufwachraum, wo Gerda gerade im Begriff war, aus der Narkose zu erwachen.

      Als sie die Augen aufschlug, fiel ihr erster Blick auf die drei Brutkästen, die neben ihrem Bett standen. Mit Mühe gelang es ihr, eine Hand auszustrecken.

      »Sie sind… so klein«, flüsterte sie mit heiserer Stimme.

      »Das ist bei Drillingen nicht ungewöhnlich«, meinte Dr. Daniel lächelnd, dann sah er Dr. Senge an. »Nicht wahr, Herr Kollege?«

      Der Arzt nickte. »Sie haben drei gesunde Kinder zur Welt gebracht, Frau Rauh. Die beiden Mädchen sind ein bißchen kräftiger als der Junge, aber um den Kleinen werden wir uns ganz intensiv kümmern, damit er auch gegen seine Schwestern bestehen kann.«

      Ein Lächeln huschte über Gerdas Gesicht, dann richtete sie ihren Blick auf Dr. Daniel.

      »Ich wußte, daß ich Ihnen vertrauen kann«, erklärte sie, hatte dabei aber schon Mühe, unter den Nachwirkungen der Narkose nicht wieder einzuschlafen. Dennoch schaffte sie es, die Hand ihres Mannes zu ergreifen und ihn anzulächeln. »Ferdinand, was hältst du davon, wenn wir unseren kleinen Sohn Robert nennen würden?«

      Ferdinand nickte. »Sehr viel. Ohne Dr. Daniel würde es unsere drei Kinder ja gar nicht geben.« Dankbar sah er den Arzt an. »Sie haben nicht nur die künstliche

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