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daß ich rasch in die Klinik hinüberschauen könnte. Ein paar gezielte Entspannungs-übungen würden Frau Rauh jetzt bestimmt sehr guttun.«

      Dr. Daniel lächelte. Dieser Raimund Brunner gefiel ihm immer besser. Er wollte helfen, wo es ging, und dabei war es ihm völlig gleichgültig, ob er einen Teil seiner Freizeit opferte oder noch einen zusätzlichen Weg machen mußte.

      »Ich bin sicher, Frau Rauh wird sich freuen, wenn Sie kommen«, meinte Dr. Daniel, »und mit den Entspannungsübungen wäre ihr bestimmt sehr geholfen.« Er schwieg kurz. »Dabei fällt mir ein – wenn Sie schon in der Waldsee-Klinik drüben sind, könnten Sie auch mal nach der jungen Patientin sehen, über die wir uns ansatzweise schon mal unterhalten haben.«

      Raimund grinste wieder. »Allerdings nur sehr ansatzweise. Ich weiß bisher lediglich, daß es ein ziemlich schwieriger Fall sein soll.«

      »So kann man das eigentlich gar nicht sagen. Im Grunde geht es nur um ein Fußgelenk, das sich die junge Frau vor über zehn Jahren gebrochen hat. Bei uns in der Klinik wurde nun festgestellt, daß das Gelenk steif zu werden droht. Nach einigem Zureden hat sich die Patientin schließlich doch mit einer Operation einverstanden erklärt. Ohne gezielte Krankengymnastik nutzt aber der ganze Eingriff nicht viel. Das eigentliche Problem von Svenja Birkert liegt jedoch…«

      »Svenja Birkert?« unterbrach Raimund betroffen. »Die Bal-lettänzerin?«

      Erstaunt sah Dr. Daniel den jungen Krankengymnasten an.

      »Sie kennen die junge Frau?«

      »Kennen wäre übertrieben«, meinte Raimund, »aber ich habe sie vor Jahren einige Male auf der Bühne gesehen. Meine Güte, sie tanzte wie ein leibhaftiger Engel.« Einige Augenblicke schwieg er ergriffen, dann fuhr er fort: »Sie soll einen Unfall gehabt haben…, jedenfalls verschwand sie ganz plötzlich von der Bildfläche. Ich…« Er zögerte, entschloß sich dann aber doch für die Wahrheit. »Ich habe versucht, etwas über sie und ihr weiteres Schicksal zu erfahren, doch es war…« Er zuckte die Schultern. »Niemand wollte mir etwas über sie sagen. Es war, als hätte sie plötzlich eine ansteckende Krankheit bekommen.«

      »Das war es nun ganz bestimmt nicht«, entgegnete Dr. Daniel. »Wie gesagt – sie hatte sich das Fußgelenk gebrochen… eine Verletzung, die ihre Ballettkarriere leider beendete.«

      »Das muß ganz schrecklich für sie gewesen sein«, murmelte Raimund noch immer betroffen, dann sah er Dr. Daniel an. »Ich nehme an, trotz Operation und Krankengymnastik wird der Zug jetzt für sie abgefahren sein, oder?«

      Dr. Daniel nickte. »Mit Sicherheit. An Spitzentanz ist bestimmt nicht mehr für sie zu denken, und ich will Ihnen gegenüber ganz offen sein: Frau Birkert lehnt die Krankengymnastik eigentlich ab. Sie hat höchstwahrscheinlich nur zugestimmt, um endlich mit diesem Thema in Ruhe gelassen zu werden. Sie werden also einen ziemlich schweren Stand bei ihr haben.«

      Entschlossen stand Raimund auf. »Das macht nichts. Ich bin es gewohnt, mit Schwierigkeiten fertigzuwerden.«

      *

      Obwohl es Raimund mit aller Macht zu Svenja Birkert zog, suchte er zuerst Gerda Rauh auf.

      »Herr Brunner«, erklärte sie überrascht. »Sind Sie extra meinetwegen hierher in die Klinik gekommen?«

      Raimund lächelte, doch diesmal kam es nicht so ganz von Herzen, weil seine Gedanken schon bei seiner nächsten Patientin weilten.

      »Ja und nein«, antwortet er. »Ursprünglich kam ich tatsächlich Ihretwegen nach Steinhausen, doch nun hat es sich ergeben, daß ich auch noch eine zweite Patientin hier habe.« Er setzte sich auf die Bettkante. »Dr. Daniel hat mir gesagt, daß Sie sich wegen der Schwangerschaftsvergiftung so große Sorgen machen.«

      Gerda seufzte. »Wie man’s nimmt. Angst habe ich eigentlich nur vor einem vorzeitigen Kaiserschnitt. Dr. Daniel hat zwar versucht, mich zu beruhigen, aber ich fühle, daß die Gefahr noch immer besteht. Seit heute früh habe ich wieder Eiweiß im Urin, und meine Kopfschmerzen werden auch stündlich schlimmer.«

      Raimund nickte. »Sie steigern sich zu sehr in Ihre Angst vor einem Kaiserschnitt hinein, dabei steht der im Moment noch gar nicht zur Debatte. Soweit ich von Dr. Daniel unterrichtet wurde, könnte man erst noch auf Infusionen umsteigen, und das wird er auch tun, wenn sich Ihr Zustand nicht bessern sollte.« Nun grinste er wieder in altbekannter Manier. »Na, wie sieht’s aus? Wollen wir Dr. Daniel eine kleine Überraschung bereiten?«

      »Eine Überraschung? Wie soll ich das verstehen?«

      »Mit Hilfe der Entspannungsübungen, die ich Ihnen jetzt zeige, werden wir Angst und Gestose einfach wegzaubern.«

      Gerda seufzte leise. »Wenn das nur so einfach wäre.«

      »Sie werden schon sehen«, meinte Raimund zuversichtlich. »Legen Sie sich auf die linke Seite und schließen Sie die Augen.«

      Gerda kam der Aufforderung nach, und Raimunds tiefe, beruhigende Stimme zeigte tatsächlich Wirkung. Es gelang ihr, sich zu entspannen, und sie fühlte, wie die Kopfschmerzen ein wenig nachließen.

      »So, Frau Rauh, ich verlasse mich darauf, daß Sie diese Übungen mehrmals am Tag

      wiederholen«, meinte Robert schließlich.

      Gerda nickte lächelnd. »Das mache ich bestimmt, Herr Brunner. Ich glaube, diese Entspannungsübungen tun nicht nur mir selbst, sondern auch meinen Babys sehr gut.« Sie schwieg kurz. »Ich bin froh, daß ich hier bin. Von Ihnen und Dr. Daniel betreut zu werden, ist das beste, was einer Schwangeren überhaupt passieren kann.«

      Raimund wurde ein bißchen verlegen. »Von Dr. Daniel, ja – aber ich… ich kann seine Arbeit doch nur ein bißchen unterstützen, mehr nicht.«

      »Da stellen Sie Ihr Licht aber wirklich ganz gehörig unter den Scheffel, Herr Brunner«, urteilte Gerda.

      Raimund zuckte die Schultern. »Wie auch immer. Wichtig ist ja nur, daß Sie sich wohl fühlen und in ein paar Wochen gesunde Drillinge zur Welt bringen. Mehr wollen weder Dr. Daniel noch ich erreichen.« Dann sah er auf die Uhr. »Jetzt muß ich aber zusehen, daß ich weiterkomme.« Er lächelte Gerda an. »Ich besuche Sie morgen wieder, einverstanden?«

      »Ja, Herr Brunner, und vielen Dank.«

      Raimund verabschiedete sich, dann verließ er den Raum und ging den Flur entlang. Vor dem Zimmer Nr. 18 blieb er stehen und zögerte. Wie sollte er dem Mädchen gegenübertreten, das er einst so verehrt hatte? Was sollte er sagen… und was sollte er tun?

      Raimund atmete tief durch, dann klopfte er an die Tür und trat ein. Die junge Frau, die im Bett lag, wandte den Kopf und sah ihn an. Ja, das war dieses aparte Gesicht, das waren die samtgleichen dunklen Augen, in die er vor so vielen Jahren einmal geblickt hatte. Es war nach der Aufführung von Schwanensee gewesen. Raimund, damals gerade zwanzig Jahre alt, hatte sich einen Weg zu den Garderoben gebahnt, und dann war sie herausgetreten. Svenja Birkert! Der kleine, fast zerbrechlich wirkende Engel, der noch wenige Augenblicke zuvor wie schwerelos über die Bühne geschwebt war und das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hingerissen hatte.

      Ein wenig schüchtern hatte Raimund das Bild vorgewiesen, das er extra mitgenommen hatte, und Svenja hatte ihre kindliche Unterschrift daraufgesetzt. Raimund hatte dieses Bild mit ihrem Autogramm aufbewahrt wie einen wertvollen Schatz, er besaß es noch heute.

      »Warum schauen Sie mich so an?«

      Svenjas Frage riß ihn aus seinen Gedanken.

      »Entschuldigen Sie«, entgegnete Raimund, und seine Stimme klang dabei ein wenig heiser. »Ich war mit meinen Gedanken gerade ganz woanders.« Er streckte die Hand aus. »Ich bin Raimund Brunner, Ihr Krankengymnast.«

      Svenja begrüßte ihn zwar, zog ihre Hand aber sofort wieder zurück. Ihr Blick wurde abweisend.

      »Ich brauche eigentlich keine Krankengymnastik«, behauptete sie. »Und ich will sie auch gar nicht. Im Grunde war es sinnlos, daß Sie sich hierher bemüht haben.«

      Raimund schüttelte den Kopf. »Es war absolut nicht sinnlos.

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