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man zu dem warmherzigen Dr. Daniel auch kein Vertrauen haben?

      Lena hatte das Zimmer gerade verlassen, da öffnete Svenja auch schon die Augen. Als sie Dr. Daniel sah, huschte der Ansatz eines Lächelns über ihr Gesicht.

      »Herr Doktor«, flüsterte sie, und ihre Stimme klang dabei noch ziemlich müde. »Schön, daß Sie mich besuchen.«

      »Das ist doch selbstverständlich«, meinte Dr. Daniel und setzte sich wie immer auf die Bettkante, dann griff er mit einer väterlichen Geste nach Svenjas Hand. »Ich war auch gestern schon hier, aber da standen Sie noch unter den Nachwirkungen der Narkose.« Er lächelte. »Ansonsten haben Sie den Eingriff jedoch gut überstanden.«

      Svenja nickte ein wenig halbherzig. Sie wollte nicht über die Operation sprechen. Am liebsten war es ihr, wenn weder der Eingriff noch ihr Fuß überhaupt erwähnt wurden. Dr. Daniel spürte, was in ihr vorging, trotzdem blieb er hartnäckig bei dem angeschnittenen Thema.

      »Ich weiß, daß Sie es nicht hören wollen, Frau Birkert«, fuhr er fort. »Aber Ihrem Fuß zuliebe sollten Sie einer Krankengymnastik zustimmen.«

      Svenja schüttelte entschieden den Kopf. »Sie haben recht, Herr Doktor, davon will ich wirklich nichts hören.«

      »Frau Birkert, es ist nicht damit getan, daß Dr. Metzler und Dr. Scheibler Sie erfolgreich operiert haben«, entgegnete Dr. Daniel eindringlich. »Wenn Sie selbst nicht mitmachen, dann stehen Sie in spätestens zwei Jahren wieder genau dort, wo Sie vor der Operation gestanden haben.«

      Svenjas Gesicht verschloß sich. »Bitte, Herr Doktor, sprechen wir von etwas anderem. Ich will über meinen kranken Fuß nichts mehr hören.«

      »Er wird nicht mehr lange krank sein, wenn Sie ihm eine Chance geben. Frau Birkert, bitte, lassen Sie sich doch helfen.«

      Ohne wirklich überzeugt zu sein, sondern nur weil sie endlich mit diesem Thema in Ruhe gelassen werden wollte, stimmte Svenja zu.

      »Also schön, ich mache diese Krankengymnastik«, erklärte sie und blickte Dr. Daniel fordernd an. »Aber bitte, sprechen Sie jetzt von etwas anderem.«

      Dr. Daniel nickte. »Von Herzen gern, Frau Birkert.« Und dabei war ihm zumute, als hätte er schon einen großen Sieg errungen.

      *

      Die Angst um ihre Babys ließ Gerda Rauh nicht zur Ruhe kommen. Seit einer Woche lag sie nun schon in der Waldsee-Klinik, und Dr. Daniel kam täglich mindestens zweimal zu ihr. Dabei sagte er immer wieder, daß er mit der Entwicklung der Dinge bis jetzt recht zufrieden sei, und daß sie um einen vorzeitigen Kaiserschnitt vielleicht doch herumkommen würde. Trotzdem wurde Gerda ihre Furcht davor nicht los. Dabei merkte sie bereits seit gestern, daß sich ihr Zustand wieder zu verschlechtern drohte. Die Kopfschmerzen, die fast verschwunden gewesen waren, kehrten allmählich zurück.

      »Ich weiß, daß es nicht einfach ist, Liebling, aber ich glaube, du solltest versuchen, nicht ständig an die drohende Gefahr zu denken«, riet ihr Mann Ferdinand ihr ein wenig halbherzig. Er selbst konnte vor lauter Sorge um seine Frau und die drei Babys, die sie erwartete, kaum noch an etwas anderes denken.

      »Wenn Dr. Daniel sie vorzeitig holen muß…«, begann Gerda mit bebender Stimme. »Ferdi-nand, ich liebe diese Kinder doch jetzt schon… wie soll ich akzeptieren können, daß ich eines, womöglich sogar alle drei verliere…«

      Ferdinand schüttelte den Kopf. »Das wird Dr. Daniel niemals zulassen.«

      Gerda schluchzte auf. »Er hat selbst gesagt, daß ein Kaiserschnitt zu diesem frühen Zeitpunkt riskant ist – na ja, vielleicht nicht so direkt, aber es klang jedenfalls aus seinen Worten durch.«

      »Ich habe aber auch gesagt, daß wir uns mit diesem Problem erst befassen sollten, wenn es soweit ist«, erklärte Dr. Daniel, der unbemerkt das Zimmer betreten und Gerdas Worte gehört hatte.

      Jetzt begrüßte er das junge Ehepaar und setzte sich dann auf der anderen Seite an Gerdas Bett.

      »Ich hätte Ihnen die Wahrheit vielleicht doch besser nicht sagen sollen«, meinte Dr. Daniel. »Andererseits hatten Sie mir eine Frage gestellt, die ich ehrlich beantworten mußte. Mit einer barmherzigen Lüge wäre Ihnen letzten Endes wohl auch nicht gedient gewesen. Allerdings dürfen Sie sich nicht so sehr in diese Sache hineinsteigern – auch wenn das natürlich leichter gesagt als getan ist. Doch damit schaden Sie nicht nur sich, sondern auch Ihren Kindern.«

      »Wie soll ich denn keine Angst haben, wenn ich weiß, daß meine Babys zu früh auf die Welt kommen werden?« fragte Gerda nervös.

      »Das muß nicht der Fall sein«, entgegnete Dr. Daniel. »Und das habe ich Ihnen auch ganz deutlich gesagt.« Seine Stimme nahm an Eindringlichkeit zu. »Frau Rauh, im Augenblick sieht es gar nicht so schlecht aus. Die Wahrscheinlichkeit, daß wir die Gestose in den Griff bekommen, ist sehr hoch – vorausgesetzt, Sie vermeiden jegliche Art von Streß, denn der ist für Ihren Zustand das Schlechteste. Im übrigen hat die Ultraschalluntersuchung, die Frau Dr. Reintaler heute früh vorgenommen hat, ergeben, daß Ihre Babys jetzt bereits lebensfähig wären. Selbstverständlich werden wir die Kleinen so lange im Mutterleib halten wie irgend möglich, aber in einer entsprechend ausgestatteten Klinik hätten sie schon jetzt eine reelle Überlebenschance.«

      Gerda, die bei Dr. Daniels Worten merklich ruhiger geworden war, runzelte die Stirn. »Was bedeutet, in einer entsprechend ausgestatteten Klinik? Ist die Waldsee-Klinik das etwa nicht?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Wir haben zwar eine

      ausgezeichnete Entbindungsstation, aber Ihre Babys bräuchten in diesem Fall eine erstklassi-

      ge Frühgeborenen-Intensivstation, und über die verfügt die Waldsee-Klinik leider nicht. Allerdings haben wir eine solche in greifbarer Nähe, nämlich in München bei Dr. Sommer. Den kennen Sie ja noch von der künstlichen Befruchtung, die wir bei Ihnen vorgenommen haben. Also, selbst wenn wir Ihre Babys früher holen müßten, hätten sie in der Sommer-Klinik die besten Chancen.«

      Gerda atmete tief durch. »Ich will Ihnen keinen Vorwurf machen, Herr Doktor, aber das hätten Sie mir vielleicht schon früher sagen sollen.«

      »Das konnte ich nicht«, erwiderte Dr. Daniel bedauernd. »Als die Gestose bei Ihnen aufgetreten ist… nein, eigentlich sogar bis zum heutigen Ultraschall mußte ich davon ausgehen, daß Ihre Drillinge noch nicht lebensfähig seien. Wäre die Schwangerschaftsvergiftung in massiverer Form aufgetreten, hätten wir die Babys mit ziemlicher Sicherheit nicht retten können.« Dabei verschwieg er wohlweislich, daß es sogar jetzt noch recht unwahrscheinlich war, bei einem möglicherweise unvermeidlichen Kaiserschnitt alle drei Babys am Leben zu halten.

      *

      Dr. Daniel hatte gerade mit der Nachmittagssprechstunde be-gonnen, als Sarina von Gehrau Raimund Brunner anmeldete.

      »Meine Güte, den habe ich ja völlig vergessen«, stöhnte Dr. Daniel erschrocken, dann stand er auf, um dem jungen Krankengymnasten entgegenzugehen. »Herr Brunner, bei Ihrem Erscheinen fallen mir alle meine Sünden ein«, sagte er mit einladender Geste.

      Raimund grinste. »So viele werden es sicher nicht sein.«

      »Wie man’s nimmt«, entgegnete Dr. Daniel. »Es ist zumindest eine Unterlassungssünde dabei. Ich habe nämlich völlig vergessen, Sie davon zu informieren, daß ich Frau Rauh in die Waldsee-Klinik einweisen lassen mußte.«

      Raimund nickte und wurde plötzlich sehr ernst. »Mit so etwas hatte ich schon fast gerechnet, als sie zu dem vereinbarten Termin nicht gekommen ist und auch nicht angerufen hat. Ist es… etwas Schlimmes?«

      Dr. Daniel nickte. »Eine EPH-Gestose, die wir noch nicht richtig im Griff haben. Die Gefahr, daß wir die Babys vorzeitig holen müssen, ist noch nicht ganz gebannt. Eine Weile sah es schon recht gut aus, doch seit gestern hat sich Frau Rauhs Zustand wieder etwas verschlechtert.« Er seufzte. »Das liegt wahrscheinlich an ihrer Angst vor einem vorzeitigen Kaiserschnitt. Leider war ich gezwungen, ihr das zu sagen.«

      Raimund zuckte die Schultern. »Herr Doktor, Sie haben sicher recht damit,

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