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einen kurzen Blick darauf, dann zuckte er die Schultern. »Wenn das so ist, beantworte ich Ihre Fragen na-türlich.«

      »Ich hätte gern Einblick in die Krankenakten«, verlangte Dr. Daniel.

      Der Chirurg nickte knapp, stand auf und holte eine dünne Akte hervor, die er Dr. Daniel gab. Dieser schlug den Aktendeckel auf und überflog die kurzen Berichte, doch das, wonach er eigentlich gesucht hatte, war nicht enthalten.

      »Sie haben bei Fräulein Meinhardt eine Endometriose diagnostiziert«, erklärte Dr. Daniel. »Warum steht davon nichts in der Akte?«

      Dr. Kreutzer zuckte die Achseln. »Möglicherweise ist der Untersuchungsbericht verlorengegangen. Mit der Bürokratie nehmen wir es hier nicht ganz so pingelig – das Wohl der Patienten liegt uns mehr am Herzen.«

      Dr. Daniel hatte bereits eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, schluckte sie aber hinunter. Noch war nicht zweifelsfrei erwiesen, daß Dr. Kreutzer einen Fehler gemacht hatte, wenn auch das Fehlen der wichtigsten Berichte dafür sprach.

      »Ich vermute, mit dem Operationsprotokoll verhält es sich genauso.«

      »Das ist anzunehmen«, meinte Dr. Kreutzer. »Wie gesagt…«

      »Ja, ich weiß«, fiel Dr. Daniel ihm ins Wort. »Die Bürokratie ist für Sie unwichtig.« Er stand auf. »Ich werde dieser Sache auf den Grund gehen, verlassen Sie sich darauf, und wenn sich herausstellen sollte, daß die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken in diesem Fall nicht dringend notwendig war, dann sind Sie die längste Zeit Arzt gewesen.«

      »Hören Sie auf, mir zu drohen«, erklärte Dr. Kreutzer aufgebracht. »Sie können mir nicht das geringste beweisen.«

      »Noch nicht, aber das kann sich rasch ändern.«

      Dr. Daniel nickte ihm verabschiedend zu, dann verließ er die Klinik. Er war überzeugt davon, daß das Fehlen der Berichte kein Zufall war. Dr. Kreutzer wollte hier etwas vertuschen, und möglicherweise würde es ihm sogar gelingen.

      Aber Dr. Daniel gab noch längst nicht auf. Als nächstes suchte er Siegfried Hilgert auf, doch dieser bedeckte sich mit dem Mäntelchen der Unschuld.

      »Ich habe Fräulein Meinhardt in eine Klinik überwiesen, weil ihr gesundheitliches Problem von mir nicht behandelt werden konnte. Nach der Operation kam sie zu mir und beklagte sich über Schlaflosigkeit. Daraufhin habe ich ihr einen Tee empfohlen, der mit Sicherheit nicht gesundheitsschädlich war.«

      Bei diesen Worten konnte er Dr. Daniel nicht in die Augen sehen.

      »Sie haben Fräulein Meinhardt gegenüber geäußert, daß Ihnen die Berichte der Klinik vorliegen«, hakte Dr. Daniel nach.

      Der Heilpraktiker schüttelte den Kopf. »Da muß sie etwas mißverstanden haben. Eine derartige Äußerung habe ich nicht gemacht.«

      Dr. Daniel spürte, daß er auch hier nicht weiterkam, und das, was er im Moment in den Händen hatte, reichte bei weitem nicht für eine Anklage aus.

      »Kreutzer und Hilgert dürfen nicht ungeschoren davonkommen«, knurrte Dr. Daniel ärgerlich. »Es muß einen Weg geben, um sie zur Rechenschaft zu ziehen.«

      *

      Völlig aufgelöst kam Sabrina Hardenborn zu Dr. Daniel in die Sprechstunde.

      »Ich habe Blutungen«, stieß sie hervor. »Ich werde das Baby doch nicht verlieren, oder?«

      »Immer mit der Ruhe, Sabrina«, versuchte Dr. Daniel die aufgeregte junge Frau zu beruhigen. »Ich sehe mir das gleich mal an.«

      Die Untersuchung ergab tat-sächlich ein besorgniserregendes Ergebnis. Es bestand die Gefahr einer Fehlgeburt.

      »Sie müssen jetzt strikte Bettruhe halten«, riet Dr. Daniel ihr. »Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, daß Sie im Moment in einer Klinik am besten aufgehoben wären.«

      Sabrina nickte. »Ich tue alles, was Sie sagen, Herr Doktor.« Dann brach sie in Tränen aus. »Wenn Patrick schon nicht zu mir zurückkommt, will ich wenigstens sein Kind haben.«

      Dr. Daniel rief in der Waldsee-Klinik an und bat darum, einen Krankenwagen zu ihm zu schicken, dann legte er mit einer väterlichen Geste einen Arm um Sabrinas bebende Schultern.

      »Sie müssen versuchen, ein wenig zur Ruhe zu kommen«, meinte er. »Ich weiß schon, daß das gerade in einer solchen Situation sehr schwer ist, aber Ihrem Baby zuliebe sollten Sie sich nicht so viel Streß aufbürden.« Er schwieg kurz. »Haben Sie schon mit dem Bruder Ihres Freundes telefoniert?«

      Sabrina bejahte deprimiert. »Patrick hat sich auch bei ihm noch nicht gemeldet. Ach, Herr Doktor, ich weiß nicht mehr weiter. Wie kann er mir nur so etwas antun? Ich dachte, er würde mich lieben…« Sie putzte sich die Nase und wischte die Tränen ab. »Patrick ist kein Mensch, der mit Gefühlen spielt. Wenn er von Liebe sprach, dann stand das auch in seinen Augen geschrieben. Ich verstehe das alles nicht. Es paßt einfach nicht zu ihm, und wenn es nicht sein Bruder Tobias wäre, der mir das erzählt hat, würde ich kein Wort glauben. Aber welchen Grund sollte Tobias haben, mich anzulügen? Und vor allem… selbst wenn er lügen würde – Patrick würde sich niemals davon abhalten lassen, sich bei mir zu melden. Es muß wahr sein… wenn ich es auch nicht begreife.«

      Dr. Daniel wußte nicht, was er darauf erwidern sollte, aber vermutlich erwartete Sabrina auch gar keine Antwort.

      »Ich werde Sie jetzt erst mal in die Waldsee-Klinik begleiten«, erklärte er schließlich. »Die Bettruhe wird Ihnen guttun und…« Er überlegte kurz. »Vielleicht sollte ich einmal bei diesem Tobias anrufen. Ich glaube, die Gespräche mit ihm würden Ihnen im Augenblick nur schaden, denn jedes Telefonat bedeutet eine erneute Aufregung, die Sie in Ihrem augenblicklichen Zustand unbedingt vermeiden sollten.«

      Sabrina nickte, dann schrieb sie mit zitternden Fingern die Telefonnummer auf, die Tobias ihr gegeben hatte. »Es ist die Nummer von seinem Busunternehmen. Sie können ihn dort also nur tagsüber erreichen.«

      »In Ordnung«, meinte Dr. Daniel. »Ich werde mich heute noch mit ihm in Verbindung setzen.« Dann lächelte er Sabrina aufmunternd an. »Vielleicht wendet sich doch noch alles zum Guten, auch wenn es im Moment nicht so aussieht.«

      Sabrina nickte zwar, doch man sah ihr an, daß sie daran nicht mehr glaubte. Das Warten auf Patrick dauerte bereits viel zu lange, als daß sie wirklich noch Hoffnung hätte haben können.

      *

      Nach fast zwei Wochen war Patrick nur noch ein Schatten seiner selbst und Tobias voller Sorge um ihn. Damals, als er sich von Mareike zu diesem Plan hatte überreden lassen, hatte er nicht damit gerechnet, daß es so schlimm werden würde. Sicher, er hatte gewußt, daß Patrick Sabrina liebte, aber daß ihm die Trennung von ihr so sehr zusetzen würde…

      »Ich fahre jetzt«, erklärte Patrick und riß Tobias damit aus seinen Gedanken.

      Tobias blickte von den Unterlagen, in denen er vorgegeben hatte zu lesen, auf und direkt in das blasse Gesicht seines Bruders hinein. Die tiefen Schatten unter den Augen zeugten von vielen schlaflosen Nächten. Plötzlich bekam Tobias Angst. Wenn Patrick in diesem Zustand den Reisebus fuhr, konnte das äußerst gefährlich werden.

      »Patrick, bitte, bleib hier«, erwiderte Tobias spontan. »Ich kann das nicht länger verantworten. Du bist total übermüdet und…«

      Doch Patrick hörte gar nicht hin. Er drehte sich um und verließ das Büro. Tobias lief ihm nach und hielt ihn fest.

      »Ich lasse dich nicht fahren.«

      Aus brennenden Augen starrte Patrick seinen Bruder an.

      »Dieser komische Graf hat mir Sabrina genommen – willst du mir jetzt noch meine Arbeit nehmen? Sie ist das einzige, was mir geblieben ist.«

      »Patrick, ich will dir deine Arbeit nicht nehmen«, entgegnete Tobias eindringlich. »Aber ich will auch nicht, daß dir etwas passiert. Ich mache mir wirkich Sorgen um dich.«

      »Seit wann?«

      Tobias

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