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Fräulein, heute um die Mittagszeit hat Herr Scholz für Sie angerufen«, erklärte der Butler Alfons mit einer formvoll-endeten Verbeugung.

      Sabrinas Herz begann heftiger zu schlagen. Patrick! Er hatte ihren Brief also bekommen!

      Hastig lief sie auf ihr Zimmer, riß den Hörer von der Gabel und wählte die Nummer, die Tobias ihr gegeben hatte. Jetzt verfügte sein Unternehmen ja endlich über eine funktionierende Telefonleitung.

      »Tobias!« stieß sie hervor, kaum daß er sich gemeldet hatte. »Patrick hat bei mir angerufen!«

      Einen Augenblick herrschte Schweigen in der Leitung.

      »Es tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muß, Sabrina«, erklärte Tobias dann. »Ich war es, der angerufen hat.«

      Deprimiert sackte Sabrina zusammen. Natürlich. Alfons hatte ja nur gesagt, Herr Scholz hätte angerufen, und Tobias war ebenfalls Herr Scholz.

      »Und ich dachte…«, begann sie leise, dann schluchzte sie auf. »Wie kann er mir das nur antun? Tobias, ich liebe ihn! Ich liebe ihn so sehr, daß ich ihm sogar einen Seitensprung verzeihen könnte.«

      Wieder dauerte es eine Weile, bis Tobias antwortete.

      »Dein Brief an Patrick ist angekommen«, erklärte er. »Ich werde ihn aufbewahren, bis er zurückkommt… wenn er zu-rückkommt.«

      »Er muß!« stieß Sabrina hervor. »Er kann doch nicht vergessen haben, was zwischen uns gewesen ist. Soviel kann ihm diese andere gar nicht bedeuten! Und… ich werde auf ihn warten! Ich würde jahrelang warten, wenn es sein müßte.«

      »Ich weiß«, murmelte Tobias, und seine Stimme klang dabei gepreßt. »Sabrina, ich…« Er stockte, dann fuhr er fort: »Ich werde es ihm ausrichten, wenn er zurückkommt.«

      »Danke, Tobias, und bitte… sag mir Bescheid, wenn du von ihm hörst – gleichgültig, was es sein sollte.«

      »In Ordnung, Sabrina.«

      Langsam ließ sie den Hörer sinken. Ihr Hochgefühl, das sie nach Alfons’ Nachricht ergriffen hatte, war wie weggeblasen, und die Beschwerden der letzten Tage traten jetzt auch wieder zum Vorschein.

      »Kindchen, was ist denn los mit dir?« fragte ihre Mutter besorgt, als sie nach kurzem Anklopfen Sabrinas Zimmer betreten hatte.

      Das junge Mädchen hob den Kopf und sah sie traurig an. »Es war Tobias. Tobias hat angerufen, nicht Patrick.«

      Spontan legte Gudrun Hardenborn einen Arm um die Schultern ihrer Tochter. »Ich hätte das von Patrick nicht gedacht, und… irgendwie paßt ein solches Verhalten auch nicht zu ihm.« Sie streichelte über Sabrinas Haar, das mit dem Kummer jeglichen Glanz verloren hatte. »Trotz allem solltest du jedoch versuchen, auch ein biß-chen auf dich selbst zu schauen. Sabrina, Kind, du bist blaß, und abgenommen hast du auch.«

      Sabrina nickte. »Ich bringe morgens keinen Bissen hinunter.« Sie winkte ab. »Eigentlich habe ich den ganzen Tag keinen Appetit. Und immer wieder diese Schwindelanfälle.« Sie seufzte. »Das kommt bestimmt davon, daß ich nachts kaum noch schlafen kann. Immerzu muß ich an Patrick denken.«

      »Du solltest zu Frau Dr. Daniel gehen«, riet ihre Mutter. »So heißt Frau Dr. Cariso doch jetzt.«

      »Ja… vielleicht«, murmelte Sabrina.

      »Nicht nur vielleicht«, entgegnete Gudrun Hardenborn energisch. »Am besten wird es sein, wenn wir sofort fahren. Ich begleite dich.«

      »Aber, Mutti, ich bin dreiundzwanzig«, erinnerte Sabrina sie und brachte dabei ein vages Lächeln zustande. »Ich bin wirklich in der Lage, allein zum Arzt zu gehen.« Sie schwieg kurz. »Emil wird mich fahren.«

      Doch als Sabrina die Praxis der Allgemeinmedizinerin Dr. Manon Daniel erreichte, mußte sie feststellen, daß die Ärztin nicht mehr da war.

      »Ich könnte Ihnen einen Termin für morgen vormittag geben«, erklärte die Empfangsdame Gabi Meindl, die hier in der Gemeinschaftspraxis sowohl für Manon als auch für ihren Mann arbeitete. »Wenn es dringend ist, könnten Sie auch in die Waldsee-Klinik hinüberfahren.«

      »Nein«, wehrte Sabrina ab. »Ein Notfall bin ich ganz bestimmt nicht.«

      In diesem Moment trat Dr. Daniel aus seinem Sprechzimmer.

      »Sabrina«, erklärte er überrasscht. »Was führt Sie denn zu mir?«

      Die junge Frau zwang sich zu einem Lächeln. »Eigentlich wollte ich zu Ihrer Frau, Herr Doktor, aber ich mußte feststellen, daß sie nur noch vormittags arbeitet.«

      »Kann ich vielleicht etwas für Sie tun?« fragte Dr. Daniel, dann lächelte er. »Immerhin kenne ich Sie ja schon seit Ihrer Geburt.«

      Die Aussicht, mit dem warmherzigen Dr. Daniel zu sprechen, war zu verlockend, als daß Sabrina hätte ablehnen können.

      »Wenn Sie ein paar Minuten für mich Zeit haben, würde ich mich gern mit Ihnen unterhalten. Vielleicht genügt das ja schon, um festzustellen, woher meine derzeitigen Beschwerden kommen.« Sie seufzte leise. »Das heißt… eigentlich weiß ich es ja selbst.«

      »Das klingt aber sehr melancholisch«, stellte Dr. Daniel fest, dann begleitete er Sabrina in sein Sprechzimmer. »Bitte, nehmen Sie Platz, Sabrina, und dann schildern Sie mir Ihr Problem.«

      »Es geht um Patrick«, stieß die junge Frau hervor. »Er ist mit seinem Bruder nach Köln gegangen und hat dort eine Reiseleiterin kennengelernt.«

      »Langsam, Sabrina«, bat Dr. Daniel. »Ich bin nicht mehr so genau auf dem laufenden. Abgesehen von den jährlichen Routineuntersuchungen haben wir uns ja nicht mehr gesehen, und das letzte, was ich gehört habe, waren die Gerüchte, die Frau Hauser über Sie und Graf Thorsten von Bergenau verbreitet hat.« Er schmunzelte. »Wobei ich das, was Frau Hauser Tag für Tag erzählt, nicht immer ganz ernst nehme.«

      »Frau Hauser«, wiederholte Sabrina, dann konnte sie den Namen zuordnen. »Ach ja, die Besitzerin des hiesigen Gemischtwarenladens. Also, da tun Sie sicher gut daran, nicht alles ernst zu nehmen. Zwischen Thorsten und mir bestand nie etwas anderes als Freundschaft, aber das haben natürlich viele falsch aufgefaßt. Im übrigen habe ich ihn nicht mehr gesehen, seit ich Patrick kennengelernt habe, und das ist nun schon mehr als ein Jahr her.« Mit stockender Stimme erzählte sie Dr. Daniel, was sich in den letzten Wochen zugetragen hatte, dann brach sie in Tränen aus. »Es tut so weh! Ich habe ihm geschrieben… daß ich auf ihn warten werde… aber… wer weiß, ob er jemals zurückkommt…«

      »Das ist natürlich eine tragische Geschichte«, urteilte Dr. Daniel. »Gibt es wirklich kei-

      ne Möglichkeit, Patricks Aufenthaltsort ausfindig zu machen?«

      Sabrina schüttelte den Kopf. »Zuletzt war er mit seinem Bruder in Köln, und Tobias hat nun gesagt, er wäre mit dieser Frau auf und davon. Er hat keine Ahnung, wohin Patrick sich gewandt hat.« Sie seufzte. »Herr Doktor, ich bin so verzweifelt. Nachts kann ich nicht schlafen, und dann kommen immer wieder diese Schwindelanfälle… die Übelkeit, weil ich nichts essen kann…«

      Dr. Daniel wurde hellhörig. »Es kann schon sein, daß das alles mit Ihrem Liebeskummer zusammenhängt, aber es besteht auch die Möglichkeit, daß Ihre Beschwerden eine andere Ursache haben.«

      Erschrocken blickte Sabrina auf. »Sie denken… ich bin krank?«

      »Wenn ich ehrlich bin – an eine Krankheit denke ich eigentlich weniger. Wann hatten Sie zuletzt Ihre Tage?«

      »Meine…« Sabrina stockte. In der ganzen Aufregung um Patrick hatte sie gar nicht mehr daran gedacht. »Jetzt, wo Sie es sagen… das muß mindestens schon zwei Monate her sein.« Entsetzt starrte sie den Arzt an. »Oh, mein Gott, wenn ich schwanger bin… ausgerechnet jetzt…«

      »Das muß nicht unbedingt der Fall sein«, entgegnete Dr. Daniel. »In meinem Kopf schrillt nur immer eine Alarmglocke wenn von Übelkeit, Schwindelanfällen und ähnlichem die Rede ist.« Er bemühte sich um ein Lächeln. »Das ist wohl eine

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