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Langsam, als würde es ihr große Qual bereiten, zog sie die eigens für Patrick angefertigte Kopie eines vermeintlichen Zeitungsberichts hervor. »Vor ein paar Tagen habe ich Sabrina und Thorsten zufällig in der Villa der Hardenborns überrascht. Sie taten zwar so, als wäre ihr Zusammensein rein freundschaftlich, doch gestern stieß ich dann in der Redaktion auf diesen Bericht, den mein Kollege verfaßt und bereits in Druck gegeben hat. Von dem ersten Exemplar habe ich gleich eine Kopie gemacht.« Sie zögerte noch einen Moment, dann reichte sie Patrick das Blatt Papier.

      Völlig fassungslos starrte er auf den Bericht, und sein Gesicht verlor dabei alle Farbe.

      »Ich war also nur Mittel zum Zweck«, flüsterte er bestürzt. »Das ganze Gerede von Verlobung…« Er brachte den Satz nicht zu Ende, weil ihn die Tränen im Hals würgten. Tapfer schluckte er sie hinunter und versuchte den schier unerträglichen Schmerz in seinem Herzen zu ignorieren, doch es ging nicht. Patrick hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen… ihm war, als würde sein Herz in Stücke zerbrechen. Seine Hände, die noch immer die Kopie hielten, zitterten so sehr, daß er kein Wort hätte lesen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Dann entglitt das Papier seinen Fingern und fiel zu Boden. Mit brennenden Augen starrte Patrick auf die verliebt lächelnde Sabrina, dann sprang er abrupt auf, rannte aus dem Wohnzimmer und verließ Sekunden später auch die Wohnung. Die Tür schlug zu, und wie aus weiter Ferne hörte man noch seine Schritte auf der Treppe.

      Mareike lachte auf. »Das war filmreif! Besser hätte dieses Stück nicht inszeniert sein können!«

      »Du eiskaltes, berechnendes Biest!« schleuderte Tobias ihr ins Gesicht. »Es wäre für Patrick schlimm genug gewesen, Sabrina an einen anderen zu verlieren, aber ihm auch noch durch die Blume zu sagen, daß Sabrina ihn nur benutzt hätte, um diesen Thorsten eifersüchtig zu machen…« Tobias stand so heftig auf, daß der schwere Sessel beinahe umgekippt wäre. »Wenn sich mein Bruder etwas antut, dann wirst du deines Lebens nicht mehr froh, das schwöre ich dir.«

      Damit verließ auch er die Wohnung, und er hoffte, daß Mareike nicht mehr da sein würde, wenn er zurückkam. Hastig lief er die Stufen hinunter und aus dem Haus, dann sah er sich um, doch von Patrick war nichts zu sehen. Tobias’ Herz klopfte so heftig, daß er glaubte, es müsse zerspringen, und die Angst um seinen Bruder schnürte ihm förmlich die Kehle zu.

      »Patrick!« rief er, doch er bekam keine Antwort.

      Fast eine Stunde lang durchkämmte er die Straßen des Wohnblocks, bis er seinen Bruder endlich fand. Zusammengekauert saß Patrick am Straßenrand, die Knie hochgezogen und das Gesicht in den Händen vergraben. Sein ganzer Körper bebte, und obwohl Tobias sah, daß er weinte, wußte er genau, daß dieses Zittern nicht allein davon herrührte. Der Herbstwind war in den ersten Stunden dieses neuen Tages schneidend kalt geworden.

      Ohne zu überlegen zog Tobias seine Jacke aus und legte sie um die bebenden Schultern seines Bruders.

      »Komm, Patrick«, bat er leise. »Du holst dir hier draußen ja den Tod.«

      »Na und?« Patricks Stimme kam leise und gebrochen. »Was ist mein Leben denn noch wert?«

      »Patrick, ich…« Er stockte. Es war zu spät, um die Wahrheit zu sagen. Er steckte schon zu tief in diesem grausamen Komplott mit drin.

      »Ich weiß, daß es weh tut, Patrick«, flüsterte Tobias und schämte sich für jedes Wort, das er sagte. »Aber du wirst darüber hinwegkommen. Die Zeit wird deine Wunden heilen…«

      *

      Wie jeden Tag nach Beendigung der Sprechstunde fuhr Dr. Daniel noch in die Waldsee-Klinik, um dort nach dem Rechten zu sehen. Er hatte sein Büro gerade betreten, als ihm die Sekretärin Martha Bergmeier über den Hausanschluß einen jungen Mann ankündigte.

      »Dr. Köhler«, wiederholte Dr. Daniel, dann zuckte er die Achseln. »Der Name sagt mir zwar nichts, aber…« In diesem Moment fiel ihm ein, daß Dr. Metzler, der Chefarzt der Waldsee-Klinik, ihm einen Kollegen angekündigt hatte, der in Amerika große Erfolge mit einer neuen Behandlungsmethode erzielte. Nun klang der Name Köhler zwar nicht amerikanisch, aber vielleicht handelte es sich ja dennoch um besagten Kollegen. »Schicken Sie ihn bitte herüber, Frau Bergmeier.«

      »Er ist bereits auf dem Weg zu Ihnen«, erklärte Martha.

      In diesem Moment klopfte es auch schon.

      »Ja, bitte!« rief Dr. Daniel und erhob sich, um dem Kollegen entgegenzugehen. Dabei erstaunte ihn das jugendliche Aussehen des Arztes. Nach Dr. Metzlers Bericht hatte er mit einem etwas älteren Mann gerechnet.

      »Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, erklärte Dr. Daniel und reichte dem jungen Mann die Hand. »Dr. Metzler hat mir bereits von Ihren großen Erfolgen berichtet…«

      Der junge Mann runzelte die Stirn.

      »Dr. Metzler?« wiederholte er, dann schüttelte er bedauernd den Kopf. »Ich kenne leider keinen Dr. Metzler.«

      Für einen Augenblick war Dr. Daniel verwirrt. »Ja… sind Sie denn nicht der Kollege aus den Vereinigten Staaten?«

      Wieder schüttelte der junge Mann den Kopf. »Leider nicht.« Dann stellte er sich vor. »Rainer Köhler ist mein Name, und die Dame in der Eingangshalle hat mich an Sie verwiesen. Sie sind doch der Direktor dieser Klinik, oder?« Er wartete Dr. Daniels Antwort gar nicht ab, sondern fügte hinzu: »Ich… ich suche eine Stelle als Assistenzarzt.«

      Dr. Daniel mußte lachen. »Das war ja nun ein klassisches Mißverständnis.« Dann wies er mit einer einladenden Geste auf die beiden Stühle, die vor seinem Schreibtisch standen. »Bitte, Herr Köhler, nehmen Sie Platz.« Auch er setzte sich wieder.

      »Ich nehme an, Sie machen nächstes Jahr Ihr Examen?« fuhr er fort.

      Dr. Köhler senkte einen Moment den Kopf, dann sah er Dr. Daniel wieder an. »Nein, ich war schon fast ein Jahr lang als Assistenzarzt in einer kleinen Privatklinik in München tätig. Vor einem halben Jahr habe ich promoviert. Mein Doktorvater war Professor Reimann.«

      Dr. Daniel nickte. Der Name des Professors war ihm ein Begriff, daher konnte er sich ausrechnen, wie gut der junge Arzt sein mußte.

      »Warum haben Sie Ihre Assistenzzeit an der Privatklinik abgebrochen?« wollte er wissen.

      Dr. Köhler atmete tief durch. Ihm war klar, daß er jetzt ehrlich sein mußte, doch das erforderte Mut. »Ich wurde entlassen – fristlos.«

      Überrascht zog Dr. Daniel die Augenbrauen hoch. Damit hatte er nicht gerechnet.

      »Was war der Grund dafür?« hakte er nach.

      »Ich habe dem Chirurgen während einer Operation widersprochen. Er nahm bei einer Patientin eine Hysterektomie vor, die meines Erachtens nicht nötig gewesen wäre. Ich weiß natürlich, daß es mir nicht zugestanden hätte, einen erfahrenen Chirurgen zu belehren, aber… die Frau war noch so jung und…« Er zuckte hilflos die Schultern. »Aus er draußen war und ich die Wunde schließen sollte, riet mir der Anästhesist, daß ich besser meinen Mund halten solle, da der Chirurg auf mich ohnehin nicht gut zu sprechen sei und ich damit nur eine Kündigung provozieren würde.« Er schluckte, ehe er fortfuhr: »Ich habe geantwortet, ein Rauswurf aus dieser Klinik könnte nur eine Beförderung sein.«

      »Woraufhin Sie diese Beförderung zu spüren bekommen haben«, vermutete Dr. Daniel. »Das ist natürlich eine schlimme Geschichte.«

      Aufmerksam betrachtete Dr. Köhler ihn, dann nickte er. »Ich verstehe schon, was Sie mir damit sagen wollen.« Er stand auf. »Entschuldigen Sie, daß ich Sie belästigt habe.«

      »Sie haben mich überhaupt nicht belästigt«, stellte Dr. Daniel richtig. »Und bitte, bleiben Sie doch sitzen, Herr Köhler. Ich bin noch nicht fertig.« Er musterte den Assistenzarzt. »Sie sind ausgesprochen jung.«

      Dr. Köhler nickte. »Ich habe im Gymnasium eine Klasse übersprungen.«

      Dr. Daniels Gesicht drückte Anerkennung aus. »Es wäre für Sie also nicht so schlimm, wenn Sie jetzt ein paar Monate verlieren würden.«

      Der

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