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wie er behauptet hat.«

      Der Anästhesist zuckte die Schultern. »Er ist der Chirurg und wird wissen, was er tut. Und Sie machen die Patientin jetzt besser zu, bevor Kreutzer Ihnen die Hölle heiß macht. Er ist auf Sie ohnehin nicht gut zu sprechen. Ich glaube, Sie müssen sich nicht mehr viel zuschulden kommen lassen, um aus der Klinik zu fliegen.«

      Dr. Köhler begann die Wunde zu schließen.

      »Ich glaube, aus dieser Klinik geworfen zu werden, kann nur eine Beförderung sein«, meinte er.

      »So?« erklang hinter ihm ganz unerwartet Dr. Kreutzers Stimme. »Diese Beförderung können Sie auf der Stelle haben. Sie sind entlassen – fristlos. Ihre angefangene Arbeit bringe ich persönlich zu Ende.«

      Dr. Köhler drehte sich um und nahm den Mundschutz ab.

      »Danke«, erklärte er. »Damit tun Sie mir nur einen Gefallen.«

      Raschen Schrittes verließ er den Operationssaal, riß den grünen Kittel und die Haube herunter, schlüpfte in seine Jacke und verließ die Klinik so schnell, als hätte er Angst hier zu ersticken. Als er draußen in der kühlen Herbstluft stand, öffnete er seinen Hemdkragen und atmete tief durch. Doch das beklemmende Gefühl in seiner Brust ließ nur langsam nach.

      Ich hätte etwas tun müssen, dachte er. Ich hätte Kreutzer davon abhalten müssen, dieser Frau die Zukunft zu ruinieren. Ich hätte…

      Dabei wußte er, daß er gar nichts hatte tun können. Kreutzer war der Chirurg, und nur seinetwegen gab es diese kleine Klinik überhaupt noch. Er genoß da drinnen so etwas wie Narrenfreiheit, und ein kleiner Assistenzarzt wie Dr. Rainer Köhler konnte nicht das geringste gegen ihn ausrichten.

      *

      Als Natalie aus der Narkose erwachte, tastete sie sofort nach ihrem Bauch und erschrak, als sie den riesigen Verband spürte.

      »Nun, Fräulein Meinhardt, wie fühlen Sie sich?«

      Langsam, weil ihr die Nachwirkungen der Narkose noch zu schaffen machten, wandte Natalie den Kopf.

      »Was… was haben Sie…« Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Natalie räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Was haben Sie…«

      »Keine Sorge, Fräulein Meinhardt, es war eine ganz harmlo-se Operation«, behauptete Dr. Kreutzer. »Sie litten an Endometriose. Dabei siedeln sich Schleimhautinseln außerhalb der Gebärmutter an, und die habe ich entfernt. Sie werden jetzt keine Schmerzen mehr haben – abgesehen von den Wundschmerzen, die sich vermutlich noch einstellen werden, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis Sie das überstanden haben.«

      Natalie nickte schwach, dann fielen ihr die Augen wieder zu. Von alldem, was Dr. Kreutzer ihr erklärt hatte, hatte sie nur eines verstanden – ihre Unterleibsbeschwerden würden künftig weg sein. Alles andere war in Moment nebensächlich für sie.

      Wie Dr. Kreutzer prophezeit haätte, setzten die Wundschmerzen noch in derselben Nacht ein und zwar mit solcher Heftigkeit, daß sich Natalie stöhnend krümmte. Die Nachtschwester spritzte ein Schmerzmittel direkt in die Infusion, und auch in den folgenden Tagen dämmerte Natalie unter der Einwirkung starker Medikamente nur so vor sich hin. Sie verlor jegliches Zeitgefühl, und als sie endlich wieder bei vollem Bewußtsein war, mußte sie feststellen, daß fast zwei Wochen vergangen waren, seit sie die Klinik zum ersten Mal betreten hatte.

      »So, Fräulein Meinhardt, Sie können morgen entlassen werden«, erklärte Dr. Kreutzer bei der Visite. »Ich möchte Sie heute nachmittag nur noch untersuchen, aber ich gehe davon aus, daß alles in Ordnung ist.«

      Die Untersuchung wurde für Natalie dann allerdings äußerst schmerzhaft.

      »Ist es normal, daß mir das so weh tut?« wollte sie schließlich wissen.

      Der Arzt streifte die Handschuhe ab. »Ja, Fräulein Meinhardt, das ist vollkommen normal. Immerhin haben Sie eine Operation hinter sich, und es dauert eine Weile, bis Ihr Körper das verarbeitet hat.« Er schwieg einen Moment. »Haben Sie eigentlich einen Freund?«

      Natalie schüttelte den Kopf. »Nein, warum?«

      »Nun ja, in den ersten Wochen, vielleicht sogar Monaten könnte Ihnen das intime Zusammensein mit einem Mann noch Schmerzen bereiten.«

      »In diese Verlegenheit werde ich in nächster Zeit bestimmt nicht kommen«, erklärte Natalie und mußte dabei unwillkürlich an Manfred denken, der sich schnell mit einer anderen getröstet hatte, als Natalie von ständigen Unterleibsbeschwerden geplagt worden war.

      »Du mußt keine Ausreden finden«, hatte er gesagt. »Ich werde bestimmt nicht in ewiger Trauer versinken, nur weil du mich nicht mehr liebst.« Dann war er gegangen.

      »Gut«, meinte Dr. Kreutzer und holte Natalie damit in die Gegenwart zurück. »Ich werde Ihre Entlassungspapiere herrichten. Bis in vier Wochen sollten Sie zu mir zur Nachuntersuchung kommen.«

      Natalie nickte. »In Ordnung, Herr Doktor.« Dann brachte sie sogar ein Lächeln zustande. »Vielen Dank. Ich bin so froh, daß Sie mir helfen konnten.«

      »Das ist doch meine Pflicht«, entgegnete der Arzt mit gespielter Bescheidenheit. »Im übrigen war es wirklich keine große Sache. Ein Routineeingriff – weiter nichts.«

      *

      Die ersten beiden Wochen ohne Patrick zogen sich für Sabrina Hardenborn endlos hin – vor allem, weil von ihm weder ein Anruf noch ein Brief eintraf. Sabrina wagte sich kaum noch aus der Villa am Waldrand von Steinhausen hinaus, um nur ja keinen Anruf von Patrick zu verpassen, doch es schien, als hätte er sie mit der Abreise nach Köln völlig vergessen.

      Rasch schüttelte Sabrina diesen Gedanken ab. Patrick und Tobias hatten sicher so viel Arbeit, daß einfach keine Zeit zum Briefeschreiben blieb, und ob es in dem Betrieb, den Tobias gekauft hatte, überhaupt schon einen Telefonanschluß gab, wußte sie ja auch nicht.

      Doch ein Rest von Unbehagen war da, denn schließlich verfügte eine Stadt wie Köln über genügend Telefonzellen, und für einen kurzen Anruf sollte die Zeit eigentlich reichen.

      Als sie das ihrer Freundin gegenüber äußerte, setzte Mareike einen bekümmerten Gesichtsausdruck auf.

      »Du Ärmste«, meinte sie. »Das muß ja ganz schrecklich für dich sein.«

      Sabrina nickte. »Ich verstehe es nicht. Weißt du, sogar wenn Patrick mit dem Reisebus unterwegs ist, meldet er sich beinahe jeden Tag bei mir. Und nun ist er schon fast zwei Wochen weg und hat noch nicht ein einziges Mal angerufen.« Dann faßte sie einen spontanen Entschluß. »Ich fahre nach Köln und sehe mal nach dem Rechten.«

      »Das würde ich an deiner Stelle nicht tun«, entgegnete Mareike alarmiert. »Du willst ihm doch etwa nicht nachlaufen, oder?«

      Entsetzt sah Sabrina ihre Freundin an. »Nachlaufen?« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist doch Unsinn, Mareike. Patrick und ich sind so gut wir verlobt.«

      Mareike zuckte die Schultern. »Aber eben nur so gut wie. Schau mal, dein Patrick ist ein gutaussehender Mann…«

      »Hör auf!« fiel Sabrina ihr ins Wort. »Patrick ist Busfahrer. Da hätte er täglich Gelegenheit, mit Frauen zu flirten und sogar noch mehr, wenn er beispielsweise mit einer Reisegesellschaft mehrere Wochen unterwegs ist. Wieso sollte er sich ausgerechnet jetzt eine andere anlachen?«

      Mareike zuckte die Schultern. »War ja nur so ein Gedanke.« Sie schwieg einen Moment, als würde sie nachdenken, dabei hatte sie sich jedes Wort schon längst zurechtgelegt. »Stammt der alte Scholz nicht aus Köln? Ich meine, Patrick und Tobias sind dort doch aufgewachsen.« Sie machte eine Pause, um ihren nächsten Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Er könnte ja eine alte Sandkastenliebe ausgegraben haben.«

      Doch so leicht waren in Sabrina keine Zweifel zu säen. Sie kannte Patrick seit über einem Jahr und wußte, wie ernst er die Liebe nahm. Für ihn gab es keine flüchtigen Abenteuer.

      »Ich weiß nicht, warum du so etwas sagst«, erklärte sie daher befremdet. »Aber ich kann dir

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