Скачать книгу

Sie hatte von Anfang an gewußt, daß es klappen würde. Der Blick, mit dem Tobias Sabrina bedacht hatte, war deutlich genug gewesen, und ein Mann, der liebte, war bereit, alles zu tun, um die Frau seines Herzens für sich zu gewinnen, davon war Mareike überzeugt. Daher hatte sie auch keinerlei Skrupel, Tobias für ihre Zwecke zu benutzen.

      »Hör zu, es ist ganz einfach«, erklärte sie. »Du wirst deinen Bruder bitten, dir beim Aufbau deines Unternehmens zu helfen.«

      Tobias nickte. »Das hat er mir ohnehin schon angeboten.«

      »Um so besser«, urteilte Ma-reike. »Du wirst also keine gro-ßen Argumente aufbieten müssen. Wo wirst du den Betrieb aufbauen?«

      »In Köln«, antwortete Tobias. »Ich habe da ein kleines Unternehmen im Auge, das ich kaufen und weiter ausbauen könnte.«

      Mareike nickte zufrieden. Das paßte ja wunderbar. Köln war zu weit weg von München, als daß Sabrina mit dem Auto rasch würde hinfahren können. Sicher, mit dem Privatflugzeug der Hardenborns könnte sie innerhalb einer Stunde dort sein, aber davon würde man sie schon irgendwie abhalten können.

      »Sehr gut«, meinte sie. »Du wirst Patrick also in Köln festhalten und dafür sorgen, daß die Briefe, die er an Sabrina schreiben wird, nicht den Weg zum Postkasten finden werden.«

      »Das mag in deiner Phantasie vielleicht funktionieren«, entgegnete Tobias. »Aber die Realität sieht wohl ein wenig anders aus. Immerhin leben wir im Zeitalter des Telefons, und wie soll ich Patrick davon abhalten, Sabrina anzurufen, wenn ihm danach zumute ist?«

      »Da wird dir schon etwas einfallen«, urteilte Mareike kühl. »Selbstverständlich darf Patrick nicht telefonieren, sonst sind unsere ganzen Bemühungen umsonst. Im übrigen ist das alles nur in den ersten zwei oder drei Wochen wichtig. Danach wirst du Patrick schon davon überzeugen können, daß Sabrina von ihm nichts mehr wissen will. Und ich werde in der Zwischenzeit hier unten die Arbeit leisten.« Sie lächelte boshaft. »In spätestens zwei Monaten werden Patrick und Sabrina getrennt sein.« Und hoffentlich sehr unglücklich, fügte sie in Gedanken hinzu.

      *

      Sabrina und Patrick ahnten nichts von den Intrigen, die gegen sie gesponnen wurden – ausgerechnet von den Menschen, denen sie beide am meisten vertrauten. Sie hatten den Abend in ihrem Lieblingslokal verbracht, doch Patrick konnte die Stunden mit Sabrina heute nicht so recht genießen. Zuviel Unerfreuliches spukte in seinem Kopf herum.

      »Was ist los mit dir, Patrick?« fragte Sabrina in sanftem Ton und legte eine Hand auf die seine. »Noch immer Ärger mit deinem Vater?«

      Patrick seufzte. »Nicht direkt. Er hat erreicht, was er wollte. Tobias wird München verlassen und sich dann irgendwo selb-ständig machen.« Gedankenverloren griff er nach Sabrinas Händen und streichelte ihre Fingerspitzen. »Weißt du, ich habe mein Leben lang zu Tobias aufgeblickt. Wenn man als Mann die Zwanzig mal überschritten hat, hört sich so etwas ziemlich dumm an, aber… ich liebe meinen großen Bruder, und ich glaube, er wird mir schrecklich fehlen.«

      Sabrina nickte verständnisvoll. »Das kann ich dir gut nachfühlen. Wenn ich mir vorstelle, daß einer von meinen Brüdern weggehen würde…« Ein zärtliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ich bin die Jüngste, und seit ich denken kann, haben Andreas und Martin mich beschützt.« Sie berührte Patricks Wange. »Ich kann gut verstehen, was in dir vorgeht.«

      Der junge Mann seufzte noch einmal. »Ich habe alles versucht, um Tobias umzustimmen – es war zwecklos. Er hat seinen Entschluß gefaßt und ist nicht mehr davon abzubringen. Dabei…«

      »Störe ich?«

      Sabrina und Patrick blickten auf und direkt in Tobias’ Gesicht.

      »Das nenne ich einen Zufall«, meinte Patrick. »Gerade haben wir von dir gesprochen.«

      »Hoffentlich nichts Schlechtes«, entgegnete Tobias und versuchte ein Lächeln, das ihm jedoch mißlang. Er fühlte sich bei dem, was er zu tun im Begriff war, nämlich gar nicht wohl, und fast bereute er schon, daß er Mareikes Plan zugestimmt hatte. Eigentlich war es nur seine Liebe zu Sabrina, die ihn einen Teil seiner Skrupel vergessen ließ.

      »Du weißt doch, daß ich nie schlecht über dich sprechen würde«, erklärte Patrick mit einem so aufrichtigen Lächeln, daß Tobias vor Scham am liebsten im Erdboden versunken wäre.

      »Bist du zufällig hier, oder hast du uns gesucht?« wollte Patrick wissen.

      »Ich… ich habe euch tatsächlich gesucht«, brachte Tobias mit einiger Mühe hervor.

      »Dann setz’ dich doch«, bot Sabrina an. »Da läßt es sich ge-mütlicher unterhalten.«

      Tobias warf ihr einen kurzen Blick zu, und dabei wurde er sich wieder seiner grenzenlosen Liebe zu ihr bewußt. Dennoch konnte er nicht verhindern, daß er seinem Bruder gegenüber ein schlechtes Gewissen bekam.

      »Eine harmlose Unterhaltung wird es wohl nicht«, gestand Tobias leise, dann sah er Patrick an. »Ich habe ein Attentat auf dich vor.« Er zögerte einen Moment, dann atmete er tief durch, doch sein Mut zur Lüge wurde dadurch nicht größer. »Patrick, ich… ich glaube, ich brauche deine Hilfe… ich meine… das Unternehmen in Köln ist in einem ziemlich üblen Zustand, und so ganz allein…«

      »Hör schon auf, Tobias«, erklärte Patrick und legte eine Hand auf seinen Arm. »Ich habe dir doch gesagt, daß du auf mich zählen kannst, wenn du Hilfe brauchst.«

      »Geschwister sollten immer füreinander dasein«, fügte Sabrina hinzu.

      Tobias senkte den Kopf. Er fühlte sich miserabel, doch jetzt gab es keinen Weg mehr zurück – außer er hätte die Wahrheit gestanden, doch dazu fehlte ihm einfach der Mut.

      Wenn Sabrina jemals erfährt, daß ich gelogen habe, werde ich ihr Herz nie gewinnen, dachte er.

      »Papa wird nicht begeistert sein«, vermutete Tobias und bemerkte erst, als er ausgesprochen hatte, daß er damit eine Ablehnung geradezu heraufbeschwor, doch seltsamerweise hoffte er sogar ein wenig darauf.

      Doch Patrick zuckte nur die Schultern. »Er hat uns ebenfalls vor vollendete Tatsachen gestellt. Im übrigen läuft das Unternehmen ein paar Wochen lang auch ohne mich.«

      »Danke, Patrick«, murmelte Tobias und fühlte sich dabei gar nicht wohl in seiner Haut.

      Der Plan war geglückt, alles würde so laufen, wie er und Mareike es sich ausgedacht hatten. Trotzdem konnte sich Tobias nicht freuen.

      *

      Als Natalie Meinhardt die kleine Klinik betrat, die Siegfried Hilgert ihr empfohlen hatte, stockte ihr Schritt für einen Moment. Der alte Bau wirkte irgendwie muffig, und der Gedanke, sich hier untersuchen oder womöglich gar operieren zu lassen, erschreckte Natalie. Doch dann sagte sie sich, daß es falsch sei, die Entscheidung von solchen Äußerlichkeiten abhängig zu machen. Immerhin war sie in den modernsten Arztpraxen gewesen, aber dort hatte man ihr nicht helfen können, und vielleicht…

      »Suchen Sie jemanden?«

      Natalie erschrak etwas, als sie so unverhofft angesprochen wur-de.

      »Ja, ich… Herr Hilgert schickt mich…«, stammelte sie. »Ich bin auf der Suche nach Herrn Dr. Kreutzer.«

      Der Mann im weißen Kittel lächelte sie an.

      »Sie haben ihn gefunden.« Er streckte die rechte Hand aus. »Joachim Kreutzer ist mein Name.«

      Natalie atmete unmerklich auf. Der Arzt machte einen durchaus gepflegten Eindruck und weckte durch seine Freundlichkeit etwas wie Vertrauen in ihr.

      »Natalie Meinhardt«, stellte sie sich nun ebenfalls vor. »Wie gesagt, Herr Hilgert schickt mich, weil ich seit Monaten Unterleibsbeschwerden habe.«

      Dr. Kreuzter nickte. »Er hat mich bereits angerufen und Sie angekündigt, Fräulein Meinhardt.« Er begleitete sie zu einer undurchsichtigen Glastür, die zum Treppenhaus führte. »Der Lift ist leider defekt, aber wir müssen nur bis zum zweiten Stockwerk hinauf. Dort bringe ich Sie zuerst

Скачать книгу