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Statt dessen wandte er sich ihr plötzlich

      zu.

      »Sie halten mich für einen sehr schwierigen Menschen, nicht wahr?«

      Sophie zögerte, dann nickte sie.

      »Verstehen Sie mich nicht falsch«, bat sie sofort. »Es liegt vielleicht gar nicht an Ihnen, aber… ich habe ein bißchen Angst vor Ihnen.«

      Sehr ernst sah er sie an. »Ich will nicht, daß Sie vor mir Angst haben, Sophie. Ich bin ein schwieriger Mensch, aber ich war nicht immer so.«

      Er sah Sophie an, und dabei keimte in ihm die Hoffnung auf, er würde vielleicht mit ihrer Hilfe wieder so werden, wie er einmal gewesen war.

      *

      Aufgeregt, aber mit strahlendem Gesicht, betrat Gerda Rauh das Sprechzimmer von Dr. Daniel.

      »Ich glaube, es hat geklappt!« stieß sie hervor und nahm sich dabei kaum Zeit, den Arzt richtig zu begrüßen. »Meine Tage sind seit einer Woche überfällig, und ich spürte so ein seltsames Ziehen in der Brust. Außerdem habe ich morgens keinen rechten Appetit. Mir ist zwar nicht übel, aber sehr viel essen kann ich auch nicht.«

      Dr. Daniel lächelte. »Das klingt tatsächlich äußerst vielversprechend, Frau Rauh. Und natürlich werden wir der Sache sofort auf den Grund gehen.«

      Er begleitete die junge Frau ins Labor und bat seine Sprechstundenhilfe, einen Schwangerschaftstest vorzunehmen. Das Ergebnis bekam er schon wenige Minuten später vorgelegt.

      »Positiv«, erklärte er mit einem gesonders herzlichen Lä-cheln. »Sie erwarten ein Baby, Frau Rauh, und ich glaube, ich muß nicht extra betonen, daß ich mich mit Ihnen freue.«

      »Nein, Herr Doktor, das sieht man Ihnen an«, erwiderte Gerda, dann brach sie plötzlich in Tränen aus. »Ich habe schon nicht mehr daran geglaubt.« Sie blickte auf und lächelte, wäh-rend noch immer Tränen über ihr Gesicht liefen. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Herr Doktor – Ihnen und auch Dr. Sommer. Sie haben an mir ein Wunder vollbracht.« Sie schwieg einen Moment. »Können Sie jetzt schon feststellen, ob es Zwillinge werden?«

      Bedauernd schüttelte Dr. Daniel den Kopf. »Zu diesem frühen Zeitpunkt leider noch nicht.« Aufmerksam betrachtete er die junge Frau. »Wären Zwillinge jetzt vielleicht doch ein Problem für Sie?«

      Da schüttelte Gerda lächelnd den Kopf. »Nein, Herr Doktor. Es ist mir nicht wichtig, wie viele Kinder ich bekommen werde – entscheidend ist, daß Ferdinand und ich endlich Eltern werden.«

      *

      Der Abend in Sophies Wohnung hatte etwas in Haymo verändert. Er konnte es nicht erklären, aber er hatte auf einmal das Gefühl, als müsse er seine Empfindungen vor Sophie nicht mehr verstecken. Und so war es für ihn auch kein Problem, als sie an einem kühlen Herbsttag früher aus der Klinik kam und ihn beim Spielen mit Minka überraschte. Eine Weile beobachtete sie Mensch und Tier und erkannte die zärtliche Liebe, die zwischen beiden bestand.

      »So habe ich Sie noch nie gesehen«, gestand Sophie leise.

      Hamo erschrak, weil er sie nicht hatte hereinkommen hö-ren. Doch dann brachte er sogar ein Lächeln zustande.

      »Ich weiß«, entgegnete er.

      »Sie zeigen Ihre Gefühle nicht gern.«

      Sophie hatte gerade ausgesprochen, da bekam sie ein wenig Angst. Haymo war doch so unberechenbar. Würde er auf diese Behauptung wütend reagieren?

      Doch Haymo dachte gar nicht daran, böse zu werden. Er sah Sophie lange an, dann nickte er wieder.

      »Sie haben recht«, erklärte er. »Ich zeige nicht gern Gefühle, denn bisher habe ich nur schlechte Erfahrungen damit gemacht.«

      Sophie nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Möchten Sie darüber sprechen?« Und dabei wußte sie, wenn er das tat, würde sie ihm ein ganzes Stück nä-herkommen.

      Auch Haymo war der tiefere Sinn ihrer Frage bewußt, daher antwortete er nicht gleich, sondern wandte sein Gesicht wieder dem Kätzchen zu, das schmeichelnd um ihn herumstrich, doch der junge Mann nahm es jetzt gar nicht wahr. Seine Gedanken beschäftigten sich mit Sophies Frage, und er war nicht sicher, ob er sie mit Ja beantworten sollte.

      Wenn er es tat und ihr seine ganze Geschichte erzählte, dann würde er unweigerlich sein Innerstes offen vor Sophie ausbreiten, und obwohl er sich gegen die Gefühle, die er für sie empfand, nicht mehr wehrte, hatte er doch Angst vor einer solchen Offenheit ihr gegen-über. Was, wenn er sich in ihr irrte? Wenn sie seine Schwä-chen, die er ihr im Laufe

      des Gesprächs offenbaren würde, ausnutzte, um ihm weh zu tun?

      »Haymo, ich glaube, es würde dir guttun, darüber zu sprechen«, erklärte Sophie und wechselte ganz unbewußt zum vertrauten Du über.

      Ihre sanfte Stimme war für ihn wie ein Streicheln. Langsam drehte sich Hamo zu ihr um und sah sie lange an, dann nickte er. »Gut, Sophie, ich werde dir alles erzählen – auch auf die Gefahr hin, daß ich dadurch sehr verletzlich werde.«

      Sophie verstand. Haymo war im Begriff, ihr sein Herz zu öffnen, und sie schwor sich, dieses Vertrauen niemals zu enttäuschen.

      »Ich war gerade achtzehn, als ich mich zum ersten Mal verliebte«, begann Haymo leise. »Carla und ich schienen wie füreinander bestimmt. Bereits ein halbes Jahr später standen wir vor dem Traualtar. Ich war glücklich wie nie zuvor in meinem Leben, doch dieses Glück währte nur ein Jahr.«

      Haymos Stirn zog sich in bedrohliche Falten, als er an den Augenblick dachte, in dem er Carla und ihren Tennislehrer bei einer leidenschaftlichen Umarmung ertappt hatte.

      »Ich bin ein Mensch, für den Treue das Wichtigste auf der Welt ist – vor allem in einer Ehe. Diesen Seitensprung konnte ich Carla nie verzeihen, aber vermutlich hat sie das auch gar nicht erwartet. Zwei Tage nach der Scheidung heiratete sie diesen Tennislehrer. Mittlerweile ist sie bereits zum vierten Mal geschieden.« Die Worte kamen voller Bitterkeit, und unwillkürlich ergriff Sophie tröstend seine Hand. Haymo zwang sich zu einem Lächeln, doch es kam nicht von Herzen, denn seine Gedanken verweilten in einer schlimmen Vergangenheit.

      »Es dauerte zwei Jahre, bis ich den Mut hatte, ein zweites Mal zu heiraten, doch ich war sicher, daß Verena anders wäre als Carla. Wir führten auch eine sehr glückliche Ehe, und als nach einem Jahr mein kleiner Sohn Werner zur Welt kam, glaube ich vor Glück wahnsinnig zu werden.« Haymo schwieg eine Weile, dann fügte er leise hinzu: »Es war die schönste Zeit meines Lebens.« Doch gleich darauf zog sich seine Stirn in schmerzvolle Falten, und Sophie spürte, wie schwer es ihm fiel weiterzusprechen. Sie ahnte, daß etwas Schreckliches geschehen sein mußte.

      »Laß es sein, Haymo«, meinte sie leise. »Ich sehe, wie weh es dir tut, darüber zu sprechen.«

      Doch Haymo schüttelte den Kopf. »Ich habe damit angefangen, jetzt sollst du auch den Rest erfahren.« Er atmete tief durch. »Vielleicht ist es gut, wenn ich mir endlich alles von der Seele spreche.« Doch es dauerte noch eine Weile, bis er weitersprach.

      »Werner war sechs, als Ve-

      rena sich entschloß, ihr Jurastudium fortzusetzen. Es war eine schwierige Zeit, denn sie hatte viel nachzuarbeiten, und auch ich war in diesen Monaten furchtbar eingespannt. Als ich von meinen Hausbesuchen bei den umliegenden Bauernhöfen früher als erwartet zurückkehrte, war Verena nicht allein. Sie hatte Werner zu ihren Eltern gebracht, um sich in aller Ruhe einem Studienkollegen widmen zu können.«

      Sophie spürte Haymos Zittern, als er diese Worte aussprach, und sie stellte sich vor, wie er in dieser Situation wohl reagiert haben mochte.

      »Ich war entsetzlich wütend«, gestand Haymo. »Aber viel schlimmer war die maßlose Enttäuschung, die ich empfand. Meine Liebe war jetzt ein zweites Mal verraten worden. Und es kam noch viel schlimmer, denn diesmal war es nicht allein mit einer Scheidung abgetan. Da war noch Werner… und der Richter sprach Verena das Sorgerecht für ihn zu.« Noch heute schmerzte ihn diese Urteil so sehr, daß er in hilflosem Zorn die Fäuste ballte.

      »Sie

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