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      »Deshalb kann er mich auch noch immer nicht ausstehen«, vermutete Dr. Metzler, dann zuckte er die Schultern »Was soll’s? Mir ist es im Grunde herzlich egal, ob er mich mag oder nicht.« Ärgerlich schüttelte er den Kopf. »Er hat doch allen Ernstes behauptet, eine Stellung an der Waldsee-Klinik wäre unter Sophies Würde. Kannst du dir das vorstellen?«

      Erika nickte ohne zu zögern. »Leider ja. Was glaubst du, wie oft er das zu mir schon gesagt hat? Ich habe es dir nur verschwiegen, weil ich nicht wollte, daß du zornig wirst.«

      »Danke«, grummelte Wolfgang, dann lächelte er plötzlich. »Hoffentlich will Sophie eine Stellung an der Waldsee-Klinik. Ich weiß ja, daß sie eine ausgezeichnete Krankenschwester ist. Wir könnten sie wirklich gut gebrauchen.«

      Erika war in diesem Punkt nicht zuversichtlich. »Warum sollte Sophie hier arbeiten wollen? Sie hat doch eine gute Stellung. Wahrscheinlich sind das alles nur Hirngespinste von Horst. Wenn er das Wort ›Steinhausen‹ nur hört, sieht er schon rot. Sophie wird das alles sicher aufklären.«

      *

      Sophie war todmüde, als sie am späten Vormittag am Steinhausener Bahnhof den Zug verließ. Schon seit Wochen hatte sie nachts kaum noch Schlaf gefunden, und die anstrengende Zugfahrt von Würzburg über München bis hierher hatte ihr den Rest gegeben. Mit einem tiefen Seufzer stellte sie den Koffer ab, dann blickte sie sich suchend um.

      »Sophie!«

      Das junge Mädchen drehte sich um, dann huschte ein Lä-cheln über das zarte, jetzt jedoch von Kummer überschattete Gesicht.

      »Tante Erika.«

      Impulsiv schlang Sophie ihre Arme um Erikas Nacken und lehnte die Stirn einen Augenblick an die Schulter der Tante. Obwohl Erika nur zwölf Jahre älter war als sie, nannte sie sie liebevoll »Tante«.

      »Was ist denn los, Mäd-chen?« fragte Erika sanft.

      Ein heftiges Schluchzen entrang sich Sophies Brust. »Ich bin so unglücklich, Tante Erika.«

      Die junge Ärztin nickte verständnisvoll, dann legte sie einen Arm um die Schultern ihrer Nichte und begleitete sie zu ihrem Auto.

      »Jetzt fahren wir erst mal heim«, meinte sie, dann lächelte sie Sophie an. »Mal sehen, was Wolfgang in der Zwischenzeit für uns zusammengebrutzelt hat.«

      Auch über Sophies Gesicht huschte ein Lächeln, was um so rührender wirkte, als ihr immer noch Tränen über die Wangen liefen.

      »Onkel Wolfgang kann kochen?« fragte sie, dann schüttelte sie den Kopf. »Am Herd kann ich ihn mir gar nicht vorstellen.«

      »In meinem Göttergatten stecken ungeahnte Talente«, scherzte Erika, um Sophie ein bißchen abzulenken und aufzumuntern. »Nein, im Ernst, wenn ihm die Arbeit in der Klinik Zeit läßt, dann kocht er sehr gern, und meistens kommt auch etwas Eßbares dabei heraus.«

      »Nur meistens? Ich glaube, das hätte er jetzt nicht hören dürfen.«

      »Ganz sicher nicht«, bestätigte Erika. »Aber du wirst mich doch hoffentlich nicht verpetzen.«

      »Natürlich nicht«, versicherte Sophie, dann blickte sie aus dem Fenster. Sie liebte diesen idyllischen Vorgebirgsort, in dem jetzt die übliche sonntägliche Mittagsruhe herrschte. Stolz und majestätisch reckte sich der stattliche Kreuzberg empor und vermittelte ganz den Anschein, als wäre hinter ihm die Welt zu Ende.

      »Papa war ziemlich sauer, weil ich hierhergefahren bin«, erzählte Sophie leise.

      »Ich weiß.« Erika zögerte, entschloß sich dann aber für die Wahrheit. »Er hat heute früh schon angerufen.«

      »Das habe ich mir schon gedacht«, erwiderte Sophie, und aus ihrer Stimme klang dabei offene Bitterkeit. »Er behandelt mich wie ein unmündiges kleines Mädchen.« Sie wandte ihr Gesicht Erika zu. »Ich will ganz ehrlich sein. Ich bin nicht nur gekommen, um dich und Onkel Wolfgang zu besuchen, sondern… ich möchte hierbleiben – vielleicht für immer, ganz sicher aber für die nächsten Jahre.«

      »Dann hatte dein Vater mit seiner Vermutung also doch recht.«

      »Ich habe kein Geheimnis daraus gemacht«, stellte Sophie richtig. »Ich habe gesagt, daß ich eine Weile bleiben würde, wenn Onkel Wolfgang eine Arbeit für mich hat.«

      »Die hat er ganz sicher«, meinte Erika, dann warf sie ihrer Nichte einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder auf die gewundenen Gassen Steinhausens konzentrierte. »Aber fürs erste solltest du dich erholen, Sophie. Du siehst ja schrecklich aus, wenn ich dir das in aller Offenheit sagen darf.«

      Traurig senkte Sophie den Kopf. »Das hat auch einen Grund, Tante Erika.« Sie schwieg kurz. »Auch deshalb bin ich hierhergekommen. Mit dir und Onkel Wolfgang kann ich darüber sprechen. Papa hat dafür kein Verständnis, und Mama…« Sie zuckte die Schultern. »Du kennst sie ja. Einen wirklichen Rat oder gar Hilfe bekomme ich von ihr nicht. Sie hat sich ein Leben lang wohl immer nur so durchgeschlängelt.«

      »Das mußte sie an der Seite deines Vaters wohl auch«, erwiderte Erika. »Mein Bruder ist äußerst dominierend. Gegen ihn hatte deine Mutter nie eine Chance, also ist sie einfach immer den Weg des geringsten Widerstands gegangen, und aus diesem eingefahrenen Gleis kommt sie anscheinend nun nicht mehr heraus.«

      Sophie nickte, dann hob sie den Kopf wieder. »Ich möchte nicht so leben, und ich will mich auch nicht mehr länger bevormunden lassen.« Wieder schwieg sie kurz. »Du hast recht – ich brauche ein bißchen Erholung, aber dann will ich arbeiten, und Onkel Wolfgang wird es bestimmt nicht bereuen, wenn er mir eine Stellung gibt.«

      *

      Was Dr. Wolfgang Metzler in der Zwischenzeit am heimischen Herd zusammengebrutzelt hatte, war nicht nur eßbar, sondern schmeckte sogar ganz ausgezeichnet. Trotzdem brachte Sophie nur mit großer Mühe einige Bissen hinunter.

      Dr. Metzler beobachtete sie eine Weile, dann legte er sehr behutsam eine Hand auf ihren Arm.

      »Akuter Herzschmerz, nicht wahr?« fragte er leise.

      Ein ansatzweises Lächeln huschte über Sophies Gesicht.

      »Aus dir spricht der Arzt, Onkel Wolfgang.« Dann bedeckte sie mit beiden Händen ihre Augen und schluchzte hilflos auf. »Es tut so weh!«

      Fürsorglich legte er einen Arm um ihre Schultern und führte sie ins Wohnzimmer. Hierher kam auch Erika, nachdem sie den kleinen Andi zum Mittagsschlaf hingelegt hatte.

      »Sprich dir nur alles von der Seele, Mädchen«, riet sie, wäh-rend sie auf der anderen Seite neben Sophie Platz nahm und nun beinahe mütterlich nach ihrer Hand griff.

      »Er ist Arzt an der Privatklinik von Dr. Wegmann«, brach-

      te Sophie unter Schluchzen

      hervor. »Ein Mann wie aus

      dem Bilderbuch – gutaussehend, zärtlich… genau das, was sich ein Mädchen wünscht. Ich dachte…« Vor lauter Weinen konnte sie nicht mehr weitersprechen, doch Wolfgang und Erika drängten sie auch nicht.

      Schließlich ließ sich Sophie erschöpft gegen ihre Tante sinken. »Er versprach mir den Himmel auf Erden, doch was ich dann durchlebte, war die Hölle. Ich sah ihn auf der Straße… mit einer anderen… seiner Frau. Zwei Kinder haben sie auch.« Mit einer fahrigen Handbewegung strich sie ihr langes blondes Haar zurück. »Es ist für ihn nichts anderes als eine Art Sport. Er versucht es bei jeder neuen Schwester, die eingestellt wird, und ich denke, er hat immer Erfolg. Wer könnte ihm auch widerstehen?«

      Wütend ballte Dr. Metzler eine Faust. »Den möchte ich gern mal zwischen die Finger bekommen.«

      »Das ist aber wohl noch nicht das Ende der Geschichte«, vermutete Erika.

      Sophie atmete tief durch. »Als ich von seiner Ehe wußte, beendete ich das Verhältnis. Daraufhin hat er dafür gesorgt, daß mir gekündigt wurde.« Sie erzählte, was Dr. Wegmann gesagt hatte, dann senkte sie niedergeschlagen den Kopf. »Ihr könnt euch wahrscheinlich vorstellen,

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