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mußt das Mädchen selbst entscheiden lassen«, war Marlenes Meinung gewesen.

      Und was hatte diese Entscheidung gebracht? Wenn Sophie doch wenigstens Ärztin geworden wäre. Das hätte Horst akzeptieren können. Aber Krankenschwester! Nur die Tatsache, daß sie mit viel Glück und natürlich mit der Hilfe der Beziehungen, über die ihr Vater verfügte, in die Wegmann-Klinik gekommen war, hatte Horst einigermaßen versöhnt. Eine Privatklinik war nicht irgendein Krankenhaus. Und auch die Beziehung zu diesem Dr. Sternberg hatte Horst mit Wohlwollen beurteilt. Arztfrau – das wäre schon etwas gewesen!

      »Und dann ist dieser Kerl verheiratet«, knurrte er jetzt wütend.

      Wenn sich Sophie seinetwegen in diesem Steinhausen vergraben würde… dem Einfluß ihrer Tante ausgesetzt, die auch so impulsiv handelte. Mißmutig schüttelte Horst den Kopf. Warum hatte Sophie nicht etwas mehr von seinem Ehrgeiz und seiner Kaltschnäuzigkeit abbekommen? Ihn hätte eine unglückliche Liebe nicht gleich aus der Bahn geworfen. Er an Sophies Stelle würde diesem Sternberg…

      Horst kam nicht dazu, den Gedanken zu Ende zu führen, denn Sophie trat ins Wohnzimmer. Ihr Gesicht war blaß, und die dunklen Ringe unter den Augen zeugten von vielen schlaflosen Nächten.

      »Ich habe mich entschieden, Papa«, erklärte sie leise, aber mit einer Sicherheit, die nicht zu ihrem desolaten Zustand paßte. »Morgen früh fahre ich nach Steinhausen. Tante Erika und Onkel Wolfgang wissen Bescheid. Sie freuen sich auf meinen Besuch.«

      »Besuch?« wiederholte Horst argwöhnisch. »Wird es wirklich nur ein Besuch, oder denkst du an einen längeren Aufenthalt?«

      Sophie zuckte die Schultern. »Wenn Onkel Wolfgang in der Klinik Arbeit für mich hat, dann könnte es durchaus sein, daß ich länger dort bleibe.«

      Ich werde schon dafür sorgen, daß Wolfgang keine Arbeit für dich hat, dachte Horst grimmig. Und wenn er sich meinen Wünschen widersetzt, dann soll er was erleben!

      *

      Sophie hatte das Haus am nächsten Morgen noch nicht richtig verlassen, da griff ihr Vater schon nach dem Telefonhörer.

      »Horst, ich weiß nicht, ob es richtig ist, was du da tust«, wandte seine Frau Marlene ein. Natürlich hatte sie in den vergangen beiden Wochen die Diskussionen zwischen ihrem Mann und ihrer Tochter mitbekommen, wollte sich aber nicht offen gegen Horst stellen und hatte sich daher herausgehalten.

      »Du hast Sophie schon immer zu sehr verwöhnt«, hielt Horst ihr vor.

      »Ich glaube nicht, daß ihr jetziger Liebeskummer damit etwas zu tun hat«, wandte Marlene ein. »Sophie ist unglücklich, verletzt und enttäuscht. Sie hat diesen Peter von ganzem Herzen geliebt, und es ist nur natürlich, daß sie jetzt Abstand gewinnen will. Sie kann nicht einfach so weitermachen, als wäre nichts geschehen. Warum soll sie nicht bei Erika und Wolfgang ein bißchen Ruhe finden?«

      Unwillig schüttelte Horst den Kopf. »Sie will keine Ruhe finden, sondern in diesem Kaffe ebenso versauern, wie Erika das tut. Meine Güte, was hatte meine Schwester für eine Karriere vor sich…«

      »Bis diese noble Privatklinik, die du nach ihrer Rückkehr aus Amerika für sie ausgewählt hattest, pleite ging und schließen mußte«, entgegnete Marlene ruhig und ohne Vorwurf in der Stimme. Sie wußte, daß ihr Mann nur das Beste wollte, aber leider hatte er ganz bestimmte Vorstellungen davon, was für andere das Beste war, und die unterschieden sich nicht selten von dem, was die anderen wollten.

      Ärgerlich winkte Horst ab. »Tatsache ist, daß Erika ihre Fähigkeiten in dieser Waldsee-Klinik vergeudet. Und ich werde dafür sorgen, daß es Sophie nicht ebenso ergeht.« Er hob den Hörer nun doch ab und wählte die Nummer seiner Schwester. Dabei hoffte er, daß nicht sie, sondern sein Schwager am Telefon sein würde. Nur ungern hätte er sich mit Erika über diese Sache unterhalten. Bei Wolfgang hoffte er auf mehr Verständnis.

      In diesem Moment erklang am anderen Ende der Leitung auch schon Dr. Metzlers tiefe Stimme.

      »Grüß dich, Wolfgang, hier ist Horst«, gab sich sein Schwager zu erkennen, dann kam er gleich zur Sache. »Ich rufe wegen Sophie an.«

      »Was ist mit ihr?« wollte Wolfgang wissen. »Kann sie nun doch nicht kommen? Das wäre schade. Erika und ich freuen uns auf ihren Besucht.«

      »Genau darum geht es«, hakte Horst sofort ein. »Ich fürchte, es wird nicht nur ein reiner Besuch. Mein Gefühl sagt mir, daß Sophie in Steinhausen bleiben will – vorausgesetzt, sie findet dort eine Stellung. Hör zu, Wolfgang, du bist Chefarzt in der Waldsee-Klinik, und du entscheidest über die Einstellung des Personals. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du Sophie keine Arbeit geben würdest.«

      Einen Augenblick herrschte Schweigen.

      »Ich verstehe nicht ganz«, entgegnete Dr. Metzler dann. »Wieso sollte Sophie bei uns eine Stellung suchen? Soweit ich weiß, arbeitet sie doch in dieser exklusiven Privatklinik in Würzburg.«

      »Soso, dann hat sie davon also noch gar nichts gesagt«, murmelte Horst. »Eigentlich seltsam…«

      »Komm schon, hör endlich auf, in Rätseln zu sprechen«, fiel Dr. Metzler ihm ins Wort. »Sophie hat vor zwei Tagen angerufen und gesagt, daß sie uns besuchen möchte. Also, wozu machst du einen solchen Aufstand?«

      »Ich mache überhaupt keinen Aufstand«, verwahrte sich Horst. »Ich will nur, daß Sophie nach diesem Besuch wieder zurückkommt und eine Stellung annimmt, die ihrer würdig ist.«

      Mit dieser Bemerkung ging Horst entschieden zu weit. Wolfgang verband ohnehin keine besondere Freundschaft mit seinem Schwager, weil er dessen beherrschendes Wesen nicht akzeptieren konnte. Er behauptete zwar immer, es nur gut zu meinen, dabei bevormundete er Marlene und Sophie jedoch in einer Art und Weise, die Wolfgang überhaupt nicht gefiel.

      »Du glaubst also, eine Stellung als Krankenschwester in der Waldsee-Klinik wäre unter Sophies Würde«, wiederholte Dr. Metzler und hatte dabei Mühe, seinen Zorn zu unterdrücken. »Jetzt hör mir mal gut zu, Horst. Die Waldsee-Klinik hat einen erstklassigen Ruf, und den verdankt sie dem ausgezeichneten Team, das hier arbeitet. Damit meine ich nicht nur die Ärzte, sondern auch die Schwestern. Ohne die würden wir Ärzte nämlich oft ziemlich alt aussehen.«

      »So habe ich das doch gar nicht gemeint«, erwiderte Horst, doch seinem Tonfall war zu entnehmen, daß Dr. Metzler ganz richtig verstanden hatte. »Ich gehe jedenfalls davon aus, daß du dich nach meinen Wünschen richten wirst.«

      »Darauf würde ich mich an deiner Stelle nicht verlassen«, meinte Dr. Metzler ungerührt. »Sophie hat am Telefon von einem Besuch gesprochen, und sie ist uns jederzeit herzlich willkommen. Wenn sie hier aber wirklich eine Stellung sucht, dann werde ich mit Sicherheit der Letzte sein, der sie abweist. Eine tüchtige Krankenschwester wird in der Waldsee-Klinik dringend gebraucht.«

      »Das wagst du nicht!« brauste Horst auf.

      »Wie gesagt – darauf würde ich mich an deiner Stelle nicht verlassen.«

      Mit diesen Worten legte Dr. Metzler auf, denn er wußte genau, daß eine Fortsetzung der Diskussion unweigerlich zur Verschärfung des Streits geführt hätte.

      »War das mein Bruder?« wollte seine Frau wissen, die einen Teil des unerfreulichen Gesprächs mitbekommen hatte.

      »Ja«, knurrte Dr. Metzler. »Er war nicht gerade angenehm.«

      »Ach komm, Wolfi, du kennst doch Horst und seine verschrobenen Ansicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Manchmal frage ich mich, wie unsere Eltern zwei so grundverschiedene Kinder bekommen konnten. Horst und ich haben wirklich nicht viel gemeinsam.«

      »Glücklicherwese«, meinte Dr. Metzler und konnte dabei schon wieder lächeln. »Sonst hätte ich dich nämlich bestimmt nicht geheiratet.« Er wurde wieder ernst. »Ich verstehe nicht, warum sich Marlene so viel von ihm gefallen läßt. Und auch Sophie… sie ist ja immerhin schon fünfundzwanzig. Warum läßt sie ihren Vater noch immer so sehr über ihr Leben bestimmen?«

      »Es ist nicht leicht, gegen Horst anzukommen«, entgegnete Erika.

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