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      Beschämt senkte Sàndor den Kopf. »Es tut mir leid.«

      »Das glaube ich Ihnen sogar«, meinte Dr. Metzler, dann wies er auf das Tablett, das Schwester Alexandra auf dem fahrbaren Nachttischchen abgestellt hatte. »Sie können jetzt essen, und anschließend wird geschlafen. Haben wir uns verstanden?«

      Sàndor nickte. »Ja, Herr Chefarzt.«

      Trotz des Ernstes der Lage mußte Dr. Daniel nun doch schmunzeln. »Erstaunlich, wie brav du sein kannst – wenn man dir keine andere Wahl läßt.«

      Dr. Metzler nickte zustimmend, was Sàndor wieder verlegen machte.

      »Es tut mir wirklich leid, daß ich nicht auf Sie gehört habe«, beteuerte er.

      Dr. Daniel fuhr ihm durch die dichten Locken. »Das wird schon wieder, mein Junge. In ein paar Wochen wird das alles der Vergangenheit angehören.«

      *

      Eva-Maria erfuhr noch am selben Tag, wie krank Sàndor war.

      »Ich glaube, er würde sich sehr freuen, wenn du ihn besuchen würdest«, meinte Dr. Daniel.

      Eva-Marie zögerte.

      »Ich bin ja auch noch nicht gesund«, wandte sie dann ein, doch diese Ausrede klang nicht sehr glaubwürdig.

      Dr. Daniel lächelte. »Du bist aber nicht ans Bett gefesselt, Eva-Maria.« Er griff nach ihrer Hand. »Glaub mir doch endlich. Sàndor liebt dich.«

      Eva-Maria preßte die Lippen zusammen. Wenn sie nur nicht so viel Angst davor gehabt hätte, vom ihm abgewiesen zu werden.

      »Er hat sich die ganze Zeit so lieb um mich gekümmert«, erklärte sie leise. »Da bin ich ihm wohl eigentlich einen Besuch schuldig.«

      »Das meine ich aber auch«, stimmte Dr. Daniel zu. Bereitwillig begleitete er Eva-Maria in die Chirurgie hinüber bis zu dem Zimmer, in dem Sàndor lag.

      »Hineingehen mußt du schon allein«, meinte er.

      Eva-Maria nickte, dann atmete sie tief durch, klopfte und trat schließlich ein. Sàndor lag im Bett, und im ersten Moment dachte Eva-Maria, er würde schlafen, doch bei ihrem Eintreten wandte er den Kopf und richtete sich mit einem strahlenden Lächeln auf.

      »Eva-Maria!«

      Es war das erste Mal, daß er sie beim Vornamen nannte, und der Klang seiner Stimme traf das junge Mädchen mitten ins Herz. Sollte Dr. Daniel tatsächlich recht haben? Die Antwort auf diese Frage lag in Sàndors dunklen Augen. Jetzt streckte er die rechte Hand aus. Eva-Maria zögerte noch sekundenlang, dann ergriff sie seine Hand und setzte sich auf die Bettkante. Plötzlich wurde ihr bewußt, was sie da tat, und voller Verlegenheit ließ sie seine Hand wieder los.

      »Es ist meine Schuld, daß du hier liegst«, meinte sie und bemerkte dabei gar nicht, daß sie ihn ganz selbstverständlich duzte.

      Sàndor schüttelte den Kopf. »Nein, das ist schon meine eigene Schuld. Hätte ich auf Dr. Daniel und Dr. Metzler gehört, dann wäre ich sicher mit einer harmlosen Erkältung davongekommen.«

      Er zögerte einen Moment, dann berührte er sehr behutsam ihr Gesicht. Erschrocken zuckte Eva-Maria zusammen. Für einen Moment trafen sich ihre Augen, dann senkte das junge Mädchen verwirrt den Blick. Noch immer wagte sie nicht zu glauben, was doch ganz offensichtlich der Fall war.

      »Ich kann es nicht mehr länger für mich behalten«, platzte Sàndor plötzlich heraus. »Eva-Maria, ich liebe dich. Als ich dich das erste Mal sah, habe ich mich bereits in dich verliebt, aber bis jetzt…, ich hatte Angst, es dir zu sagen. Dr. Metzler…, der Chefarzt…, er hat gesagt, er würde es nicht gern sehen, wenn Personal und Patienten…« Er tastete nach ihrer Hand. Sanft, aber dennoch fest schlossen sich seine Finger darum, und er spürte, wie Eva-Maria zitterte. »Wir kennen uns kaum…, eigentlich kennen wir uns überhaupt nicht, trotzdem bin ich sicher, daß ich in dir die wahre Liebe gefunden habe…, und gegen die kann auch Dr. Metzler nichts einzuwenden haben.«

      Obwohl sie sich nach seiner Berührung immer gesehnt hatte, entzog Eva-Maria ihm jetzt ihre Hand.

      »Ich habe gelogen.«

      Die Worte standen im Raum, als wollten sie das junge Mäd-chen erdrücken.

      »Ich weiß«, antwortete Sàndor nach einer Zeit, die Eva-Maria wie eine Ewigkeit erschien. Er sah ihr in die Augen. »Sagst du mir auch den Grund dafür?«

      Diesmal hielt Eva-Maria seinem Blick stand. Sie wußte, daß sie jetzt ebenso ehrlich sein mußte, wie Sàndor es gewesen war.

      »Du warst der Grund«, antwortete sie leise, aber deutlich. »Ich wollte nicht aus der Klinik entlassen werden, weil ich Angst hatte, dich dann nicht mehr zu sehen.« Mit einer fahrigen Handbewegung strich sie ihr langes blondes Haar zurück. »Ich habe nicht damit gerechnet, daß man mich so gründlich untersuchen würde…, irgendwie dachte ich, man würde mich nur zur Beobachtung hierbehalten. Ich dachte, du würdest weiterhin zu mir kommen und meinen Blutdruck und Puls kontrollieren. Es waren so kleine, kaum wahrnehmbare Berührungen, aber ich freute mich jeden Tag aufs neue darauf, und der Gedanke, auf deine sanften Hände verzichten zu müssen… Es war mir einfach unerträglich.« Wieder strich sie ihre Haare zurück. »Dann flog meine Lüge auf, und ich geriet in Panik. Ich dachte, ein Mann wie du könnte keine Lügnerin lieben. Der Traum, den ich hatte, bestätigte mich noch darin.« Erst jetzt wich sie seinem Blick aus. »Deshalb bin ich weggelaufen. Ich dachte, ich könnte dir nie wieder in die Augen sehen.«

      Sàndor hatte dieser langen Beichte gelauscht, ohne Eva-Maria auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen. Jetzt nahm er ihre Hände und zog sie zu sich heran. Zärtlich küßte er sie auf die Stirn.

      »Etwas anderes darf ich jetzt nicht«, meinte er und schenkte ihr dabei ein liebevolles Lächeln. »Ich bin nämlich nicht ganz sicher, ob das, was ich habe, ansteckend ist.«

      Auch auf Eva-Marias Gesicht schlich sich nun ein Lächeln.

      »Egal«, murmelte sie. »Ich habe doch dasselbe…, wenn es bei mir auch schon fast vorbei ist.«

      Sie zögerte noch sekundenlang, dann beugte sie sich zu ihm hinunter und küßte ihn.

      »Ich liebe dich, Sàndor«, gestand sie leise.

      »Ich liebe dich auch, Eva-Maria. Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt.«

      *

      Dr. Daniel war natürlich der erste, der erfuhr, daß sich Eva-Maria und Sàndor nun endlich zu ihrer Liebe bekannt hatten.

      »Dann war die Krankheit ja wenigstens am Ende noch für etwas gut.«

      Sàndors schwere Lungenentzündung brauchte noch eine geraume Zeit, bis sie wirklich ausgeheilt war, doch Eva-Maria wich kaum einmal von seiner Seite, was den langwierigen Genesungsprozeß für den jungen Mann natürlich sehr viel angenehmer machte.

      Damit hatte Dr. Daniel nun wenigstens eine Sorge weniger, doch die Arbeit ging ihm damit natürlich nicht aus. In der zweiunddreißigsten Schwangerschafts-woche, also zwei Monate zu früh, ließ sich Brigitte Kleins Baby nicht länger im Mutterleib halten.

      Schon einige Wochen zuvor war sie in die Sommer-Klinik nach München überstellt worden, und von dort erreichte Dr. Daniel nun der alarmierende Anruf.

      »Robert, steig in dein Auto und komm sofort her«, erklärte Dr. Georg Sommer am Telefon. »Deine Patientin hat eine vorzeitige Plazentalösung. Wir müssen das Baby holen.«

      Eine halbe Stunde später standen Dr. Daniel und Dr. Sommer schon am OP-Tisch. Das Baby, das sie mit Kaiserschnitt holten, war noch sehr klein, aber immerhin schon kräftig genug, um allein zu atmen. Der Spezialist für Frühgeborene, Dr. Senge, nahm sich des winzigen Wesens an.

      »Und? Was ist mit dem Kind?« wollte Dr. Daniel wissen, kaum daß er den Kaiserschnitt zu Ende gebracht hatte.

      Dr. Senge lächelte. »Er hat den Diabetes seiner Mutter gut überstanden. Im Moment kann man zwar noch kein endgültiges Urteil riskieren,

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