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sich mein Verdacht bewahrheitet…« Er lächelte geheimnisvoll. »Ich denke, morgen kann ich dir mehr darüber sagen.«

      *

      Dr. Scheibler saß grübelnd über der Akte von Eva-Maria Neubert, als Dr. Daniel ins Ärztezimmer trat.

      »Ich komme einfach auf keinen grünen Zweig«, seufzte er. »Nach den Untersuchungsergebnissen ist sie gesund – trotzdem kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, daß wir irgend etwas übersehen haben.«

      »Wir haben auch etwas übersehen«, meinte Dr. Daniel lächelnd. »Etwas sehr Wichtiges sogar – die Liebe.«

      Verständnislos starrte Dr. Scheibler ihn an. »Wie bitte?« fragte er entgeistert.

      »Aus Liebe will sie hier Patientin bleiben«, erklärte Dr. Daniel. »Und zwar aus Liebe zu Sàndor.«

      Nachdenklich fuhr sich Dr. Scheibler durch das dichte dunk-le Haar. »Daran habe ich auch schon mal gedacht…, zwar nicht unbedingt in diesem Zusammenhang, aber als die Magenspiegelung anstand, verlangte sie nach Sàndor als seelische Stütze. Ich verwarf den Gedanken an eine Verliebtheit aber, weil ich dachte, daß sie sich in einem solchen Fall doch nicht gerade von ihrer schwächsten Seite zeigen würde.«

      »Das hätte sie wohl auch nicht getan, wenn ich dagewesen wäre«, vermutete Dr. Daniel. »Es ist ihr sicher nicht leichtgefallen, sich Sàndor ausgerechnet in dieser Situation zu zeigen.«

      »Und Sie sind sicher, daß Sie sich nicht irren?« wollte Dr. Scheibler wissen.

      »Ja, da bin ich mir ziemlich sicher, und noch heute abend werde ich sie damit konfrontieren. Ich bin gespannt, was sie darauf sagen wird.«

      Eva-Maria war schlicht sprachlos, als Dr. Daniel ihr die Wahrheit geradewegs ins Gesicht sagte.

      »Nein«, stammelte sie nach den ersten Schrecksekunden. »Nein, das ist nicht wahr. Ich bin krank. Ich bin wirklich krank. Und ich kann auch nichts essen. Mir wird schon übel, wenn ich das Essen nur sehe.«

      Das war nun nicht einmal gelogen. Bei Dr. Daniels Worten war tatsächlich Übelkeit in ihr aufgestiegen, allerdings rührte diese nicht vom Magen, sondern eher vom Herzen her. Wenn Dr. Daniel die Wahrheit wußte und Sàndor davon erfahren würde…

      »Eva-Maria, das alles hat doch keinen Sinn«, erklärte Dr. Daniel ruhig. »Sag die Wahrheit, solange du es noch kannst. Je länger du auf deiner angeblichen Krankheit beharrst, um so schwieriger wird es für dich, da wieder herauszukommen. Jetzt wird deine Liebe zu Sàndor noch als Entschuldigung gelten, aber wenn du weiterlügst, läufst du Gefahr, diese Liebe tatsächlich zu verspielen.«

      Eva-Maria schluchzte auf. »Das habe ich doch schon! Wenn Sàndor erfährt, daß alles nur gelogen war… Er hatte solches Mitleid mit mir.« Sie vergrub das Gesicht in den Händen. »Er saß bei mir und hat mich getröstet, weil ich vor der Magenspiegelung Angst hatte. Wenn er erfährt, daß das alles gar nicht nötig gewesen wäre… daß ich vollkommen gesund bin…, Er muß sich doch ausgenutzt und für dumm verkauft vorkommen.«

      »Nicht, wenn du ihm erklärst, warum du das getan hast«, erwiderte Dr. Daniel, dann griff er nach Eva-Marias Hand. »Sàndor hat das alles nicht nur aus Mitleid getan. Ich bin sicher, daß er Verständnis haben wird.« Er schmunzelte. »Vielleicht sogar mehr als das. Immerhin muß es für ihn doch recht schmeichelhaft sein, wenn er erfährt, was du alles auf dich genommen hast, nur um in seiner Nähe zu sein.«

      Doch so wollte Eva-Maria es nicht sehen. Für sie stand eindeutig fest, daß sie Sàndors Liebe verloren hatte, bevor sie ihr jemals richtig gehört hatte.

      Dr. Daniel bemerkte ihre Verzweiflung.

      »Soll ich zuerst mit Sàndor sprechen?« fragte er, doch Eva-Maria schüttelte heftig den Kopf.

      »Nein! Nein, er darf es niemals erfahren!« rief sie mit sich überschlagender Stimme.

      »Eva-Maria, du steigerst dich da in eine Aufregung hinein, die gar nicht nötig ist«, meinte Dr. Daniel, doch nicht einmal seine ruhige Stimme vermochte noch etwas zu bewirken. Eva-Maria schien wie besessen von dem Gedanken zu sein, daß Sàndor sie für ihre Lüge hassen müßte.

      Kurzerhand stand Dr. Daniel auf und beauftragte Schwester Bianca, ein Beruhigungsmittel zu bringen.

      »Versuch dich zu entspannen, Eva-Maria«, meinte er. »Du wirst nur einen kleinen Pieks spüren. Das Medikament wird dich ein paar Stunden ruhig schlafen lassen, und dann sieht die Welt schon wieder ein bißchen anders aus. Morgen früh, wenn Sàndor zum Dienst kommt, kannst du dich mit ihm unterhalten.«

      »Nein! Nein!« weinte Eva-Maria und wimmerte auf, als sie den feinen Stich spürte. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie ruhiger wurde und schließlich ein-schlief.

      Dr. Daniel betrachtete sie noch einen Moment und fragte sich dabei, wie sie sich nur in eine solche Panik hatte hineinsteigern können.

      »Junge Mädchen«, seufzte er. »Was in ihren Köpfen nur alles vorgehen mag?«

      Dann verließ er leise das Zimmer und fuhr nach Hause. Gleich morgen früh würde er noch einmal nach Eva-Maria sehen. Bis dahin würde sie sicher schlafen.

      Darin täuschte sich Dr. Daniel allerdings gehörig. Eva-Maria wurde von einem wirren Traum geplagt, der sie gegen drei Uhr morgens plötzlich aufwachen ließ. Schweißgebadet lag sie in ihrem Bett, fühlte sich benommen und verwirrt und hörte dabei immer noch die Worte, die Sàndor in ihrem Traum gesprochen hatte… harte, lieblose Worte.

      »Eine Lügnerin verdient meine Liebe nicht!«

      Eva-Maria schluchzte auf, dann versuchte sie, aus ihrem Bett zu steigen, was ihr aber nur recht und schlecht gelang, weil das Beruhigungsmittel, das Dr. Daniel ihr gespritzt hatte, noch immer wirkte. Das Nachthemd klebte an ihrem verschwitzten Körper, doch Eva-Maria registrierte es überhaupt nicht. Noch ein wenig torkelnd verließ sie ihr Zimmer und tastete sich an der Wand entlang zur Treppe.

      Barfuß tapste sie hinunter, durchquerte die Eingangshalle und verließ die Klinik durch den rückwärtigen Ausgang, der zum Klinikpark führte. Normalerweise hätte sie die Klinik nicht so ohne weiteres verlassen können, doch der diensthabende Arzt und die Nachtschwester waren durch einen Unfall aufgehalten worden.

      Feiner Nieselregen empfing Eva-Maria, als sie noch immer benommen von dem Beruhigungsmittel, durch den Park ging. Der kalte Wind jagte ihr Schauer über den Körper, trotzdem ging sie immer weiter – ziellos, einfach nur hinein in die rabenschwarze Nacht.

      *

      Als Sàndor um sieben Uhr am Morgen seinen Dienst antrat, führte ihn sein erster Weg zu Eva-Maria. Auf dem Flur begegnete ihm Schwester Bianca, und ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, daß etwas passiert sein mußte.

      »Eva-Maria ist verschwunden«, platzte sie sofort heraus. »Als ich die Betten machen wollte, bemerkte ich, daß sie weg ist. Wir haben schon die ganze Klinik auf den Kopf gestellt…«

      Sàndor erschrak zutiefst. »Aber…, das ist doch nicht möglich…«

      »Ich habe keine Ahnung, wie sie aus der Klinik kommen konnte«, fiel Bianca ihm ins Wort. »Ich muß sofort Dr. Daniel benachrichtigen.«

      »Ich mache mich inzwischen auf die Suche nach ihr«, beschloß Sàndor spontan.

      »Warte!« rief Bianca ihm noch nach, doch er hörte sie gar nicht mehr. Wie von Furien gehetzt, rannte er die Treppe hinunter, zögerte einen Moment und schlug dann den Weg zum Klinikpark ein.

      Der Regen war in den vergangenen Stunden stärker geworden, und Sàndor hatte in der Eile seine Jacke vergessen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sein Hemd völlig durchnäßt war, doch das bemerkte er gar nicht. Die Sorge um Eva-Maria trieb ihn an.

      Der Klinikpark war unübersichtlich, und so mußte Sàndor länger suchen, als er gedacht hatte. Der Wind fuhr eisig durch sein nasses Hemd, und für einen Moment kam ihm der Gedanke, daß er zurückgehen und sich passender kleiden sollte, doch er wollte nicht unnötig Zeit verlieren. Vor ihm tauchte der Wald auf, und Sàndor

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