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Solltest du irgendwann merken, daß deine Sehnsucht nach einem eigenen Kind größer wird als deine Liebe zu mir, dann sei ehrlich. Wenn du nur aus Mitleid oder Pflichtgefühl bei mir bleiben würdest… das möchte ich auf keinen Fall.«

      »Es wird auch nicht passieren«, versicherte Tobias. »Ich liebe dich, Natalie.«

      Sie konnte nun ebenfalls lächeln. »Ich liebe dich auch, Tobias.«

      *

      Trotz des langen Schlafs fühlte sich Melanie Probst müde und ausgelaugt. Noch immer lag sie in der Waldsee-Klinik, und Dr. Daniel hatte sein Versprechen gehalten, niemanden zu ihr zu lassen. Das stellte sich allerdings als gar nicht so einfach heraus. Nicht genug damit, daß Dr. Daniel von Manuela ständig bedrängt wurde, weil sie sich um ihre Zwillingsschwester große Sorgen machte – am Abend kam auch noch Karlheinz Probst und verlangte nachdrücklich, seine Frau zu sehen.

      »Es tut mir leid«, erklärte Dr. Daniel mit Bestimmtheit. »Ihre Frau braucht im Moment absolute Ruhe, und ich kann Ihnen versichern, daß sie selbst darum gebeten hat.«

      »Wir lieben uns!« begehrte Karlheinz auf. »Ich glaube Ihnen nicht, daß sie mich nicht sehen will. Seit Melanie schwanger ist, ist unsere Ehe wieder völlig in Ordnung. Es gibt keine Probleme mehr zwischen uns.«

      »Trotzdem kann ich Sie im Augenblick noch nicht zu Ihrer Frau lassen«, entgegnete Dr. Daniel. »Ich habe ihr zugesichert, daß niemand außer mir ihr Zimmer betreten wird. Bitte, Herr Probst, zwingen Sie mich nicht, dieses Versprechen zu brechen.«

      Karlheinz’ Blicke schienen den Arzt förmlich zu durchbohren, doch dann senkte er plötzlich den Kopf.

      »Sie würden sich bestimmt nicht zwingen lassen«, vermutete er. »Manuela schwärmt schon immer in den höchsten Tönen von Ihnen, und von ihr weiß ich auch, daß Sie keinen Millimeter nachgeben, wenn es um das Wohl Ihrer Patientinnen geht.« Er schwieg kurz und sah Dr. Daniel bittend an. »Sagen Sie mir nur eines: Geht es Melanie und dem Kind gut?«

      »Gerade darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben«, erwiderte Dr. Daniel bedauernd. »Ich werde heute noch mit Ihrer Frau sprechen, vielleicht kann ich Ihnen danach mehr sagen.«

      Damit mußte sich Karlheinz zufriedengeben, auch wenn seine Sorge um Melanie dadurch nur noch größer geworden war.

      In der Zwischenzeit hatte Dr. Daniel schon das Zimmer seiner Patientin betreten, und Melanie zuckte erschrocken zusammen. Sie hatte die Stimme ihres Mannes gehört und irgendwie damit gerechnet, Dr. Daniel würde ihm letztlich doch einen Besuch bei ihr erlauben.

      »Wenn ich ein Versprechen gebe, dann halte ich es auch«, antwortete Dr. Daniel, obwohl sie gar keine Frage gestellt hatte. Allerdings hatte ihm ein Blick in ihr Gesicht genügt, um zu wissen, was in ihr vorgegangen war.

      Jetzt setzte er sich wieder auf die Bettkante und griff beinahe väterlich nach ihrer Hand.

      »Erzählen Sie mir alles«, verlangte Dr. Daniel schlicht.

      Melanie schluchzte auf, dann fuhr sie sich mit ihrer freien Hand durch die Haare und über die Augen.

      »Wo soll ich denn anfangen?« fragte sie, und offene Verzweiflung klang dabei aus ihrer Stimme.

      »Am besten ganz von vorn«, meinte Dr. Daniel. »Ich habe Zeit – heute, morgen, die ganze Woche. Wir können über alles sprechen… solange Sie wollen und die nötige Kraft dazu aufbringen können.«

      Ein wohliges Gefühl der Wärme, Sicherheit und Geborgenheit breitete sich in Melanie aus. Endlich war da jemand, der sich wirklich Zeit für sie nahm, der ihr zuhörte, vielleicht sogar versuchen würde, ihr zu helfen. Die Anspannung fiel von ihr ab. Sie begann zu sprechen, erst leise und stockend, dann immer flüssiger. Sie erzählte alles – wie Karlheinz ihre erste große Liebe geworden war, wie sie geheiratet hatten und wie glücklich sie gewesen waren. Sie erzählte von Manuelas Baby, über das sie sich beide so gefreut hatten, und über ihre eigenen fruchtlosen Versuche, die zu immer schlimmeren Phasen der Depression geführt hatten. Die vielen Untersuchungen und Behandlungen, die fehlgeschlagen waren, schließlich die Kapitulation, die Melanie als so schmerzlich empfunden hatte – alles kam zur Sprache. Die Zeit der Probleme, weil Karlheinz mit ihrem veränderten Verhalten nicht mehr zurechtkam… die Trennung.

      »Ich vermißte Kalle nicht einmal«, gestand Melanie tonlos. »In meinem Kopf drehte sich alles nur noch um ein Baby. Für Kalle war da kein Platz mehr.«

      »Aber Sie lieben ihn noch immer.« Es waren die ersten Worte, die Dr. Daniel während dieses Gesprächs äußerte.

      Melanie nickte ohne zu zögern. »Ich will Kalle nicht verlieren. Die letzten Wochen waren so schön… sie machten mir bewußt, welch einen wertvollen Menschen ich an meiner Seite habe. Ich weiß nicht, ob unsere Ehe gutgehen wird, aber ich liebe Kalle, ich liebe ihn mehr als je zuvor.«

      »Haben Sie die Schwangerschaft vorgetäuscht, um ihn zurückzugewinnen?« wollte Dr. Daniel wissen. Das war die Frage, die ihn beschäftigte, seit er Melanies Betrug entdeckt hatte.

      Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe das nicht beabsichtigt. Es… es ist einfach geschehen.« Sie erzählte von dem Stadtbummel, der Begegnung mit Barbara Gutmann und dem unsinnigen Kauf eines Umstandskleides.

      »Ich weiß nicht, wie ich so etwas tun konnte, aber… der Wunsch, nur einmal auszusehen wie eine schwangere Frau…« Sie preßte die Lippen zusammen, um ein schmerzliches Schluchzen zu unterdrücken.

      Spontan nahm Dr. Daniel sie in die Arme.

      »Weinen Sie«, riet er ihr mit sanfter Stimme. »Es ist niemand hier, vor dem Sie sich schämen müßten. Weinen Sie sich einmal richtig aus.«

      Allein diese Worte genügten, um die Tränen fließen zu lassen, und es dauerte lange, bis sich Melanie wieder beruhigen konnte.

      »Als es an der Tür klingelte…« Langsam und stockend fuhr sie in ihrer Erzählung fort. »Ich öffnete, ohne daran zu denken, daß ich noch immer dieses Kleid trug… das Kleid und das Kissen, das ich mir in die Strumpfhose gestopft hatte.« Sie schwieg kurz. »Es war Manuela, und eigentlich wäre es ein leichtes für mich gewesen, die Wahrheit zu sagen, aber… dieses Eingeständnis… ich konnte es einfach nicht. Ich spielte die Schwangere und dachte… ich dachte, irgendwie würde ich da schon wieder herauskommen, aber… es ging einfach nicht mehr. Ich versuchte sogar ein Baby zu adoptieren, um…« Wieder ließ sie ihren Kopf kraftlos gegen Dr. Daniels Schulter sinken. »Ich weiß mir keinen Rat mehr. Kalle… er wird das niemals verstehen…«

      »Wenn er Sie wirklich liebt, dann wird er auch Verständnis haben«, entgegnete Dr. Daniel. »Natürlich wird es für ihn schmerzlich sein – nicht nur der Gedanke, belogen worden zu sein, sondern… nun ja, er hat sich auf sein Baby sehr gefreut.«

      Erneut mußte Melanie mit den Tränen kämpfen.

      »Manchmal… ich freute mich so richtig auf das Baby und vergaß dabei völlig… es war ja gar nicht da…«

      Tröstend streichelte Dr. Daniel ihren bebenden Rücken. »Es ist vielleicht zu früh, um darüber zu sprechen, aber hier in der Klinik haben wir die Möglichkeit, sowohl Sie als auch Ihren Mann gründlich zu untersuchen.« Er hob eine Hand, als Melanie sich von ihm löste und zu einer Erwiderung ansetzen wollte. »Ich weiß genau, was Sie sagen wollen. Sie haben schon unzählige Untersuchungen hinter sich gebracht, aber seitdem sind einige Jahre vergangen, in denen die Medizin auch auf diesem Gebiet ihre Fortschritte gemacht hat. Zu gegebener Zeit sollten Sie mit Ihrem Mann darüber sprechen und sich überlegen, ob Sie es nicht doch noch einmal versuchen wollen. Sie wären beide ja noch jung genug dafür.«

      Melanie nickte zögernd, dann hielt sie plötzlich mitten in der Bewegung inne. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte den Schrecken wider, der ihr in alle Glieder gefahren war.

      »Das bedeutet… ich muß Kalle die Wahrheit sagen«, flüsterte sie, als wage sie es nicht, die Worte laut auszusprechen. »Ich dachte… ich habe so gehofft, daß… nun ja, daß Sie mir helfen könnten. Ich meine…« Sie schwieg.

      Wieder griff

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