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Jetzt war es Natalie, die ihn unterbrach. »Ich will von einer Adoption nichts hören. Ich weiß, daß ich ein fremdes Kind niemals so lieben könnte wie ein eigenes. Schwangerschaft, Geburt… das sind Erfahrungen, die ich niemals machen werde. Verstehst du, Tobias, ein adoptiertes Kind könnte mir das nicht geben. Es würde mir in die Arme gelegt, ohne daß ich dafür etwas getan hätte. Vor allen Dingen aber… zu einem eigenen Kind kann man als Mutter neun Monate lang eine Beziehung aufbauen. Wie also sollte ich ein fremdes Kind genauso lieben können?«

      Tobias schüttelte den Kopf. »Jetzt ist auch noch gar nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen, Natalie. Wichtig ist vorerst nur, daß du die Operation verkraftest.« Er nahm die junge Frau bei den Schultern und suchte ihren Blick. Seine Stimme wurde eindringlich. »Ich flehe dich an, laß mich dir dabei helfen. Ich liebe dich, und wenn du mich jetzt wegschickst… ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll.«

      Natalie senkte den Kopf, um nicht mehr in diese bittenden Augen blicken zu müssen. Sie wußte genau, daß Tobias nicht nur von Liebe sprach… in seinen Augen stand alles geschrieben, was er fühlte.

      »Du wirst eine andere Frau finden«, entgegnete sie leise. »Eine, die es verdient, sich so zu bezeichnen… eine, die es wert ist, daß du sie liebst.«

      Tobias schüttelte sie sanft. »Du bist genau diese Frau, Natalie.«

      Sie befreite sich aus seinen Armen. »Tobias, mach es mir doch nicht so schwer.« Sie seufzte tief auf. »Ich war so überzeugt, mit dieser Trennung das Richtige zu tun… das Richtige für dich, aber jetzt…« Hilflos zuckte sie die Schultern, dann liefen plötzlich Tränen über ihr Gesicht. »Ich dachte… nun ja, ich dachte, ein Ende mit Schrecken wäre besser… besser für uns beide… als ein Schrecken ohne Ende.« Mit einer fahrigen Handbewegung strich sie über ihre Stirn. »Du weißt doch gar nicht, was es bedeutet, mit mir zusammenzuleben. Täglich muß ich Tabletten nehmen, und wenn ich sie vergesse, bin ich wie eine Frau in den Wechseljahren… mit Hitzewallungen, Schlafstörungen…« Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht. »Wie kann ich dir das zumuten?«

      In diesem Moment durchzuckte ihn ein Gedanke. »Hör zu, Liebes, ich respektiere deine Einstellung, aber vielleicht solltest du mich nicht gleich aus deinem Leben verbannen, sondern uns und unserer Liebe eine Chance geben. Im Mai hat unser Busunternehmen eine vierzehntägige Reise geplant. Es geht nach Paris und dann über die Camargue und

      Nizza nach Italien. Ursprünglich sollte Patrick fahren, aber er ist von der Aussicht, zwei Wochen lang von zu Hause weg zu sein, ohnehin nicht sehr begeistert, und Sabrina kann ihn nicht begleiten. Dafür ist das Baby einfach noch zu klein.« Wieder umfaßte er Natalies Schultern. »Vielleicht sollten wir beide diese Reise als Probezeit benutzen. Patrick wird froh sein, wenn ich die Fahrt übernehme, und wir wären auf diese Weise einmal vierzehn Tage lang ständig zusammen. Da werden wir dann schon sehen, ob ich mit dir und deinen Tabletten leben kann… vielleicht auch damit, daß du sie einmal vergißt.« Er sah ihr in die Augen. »Ich bin überzeugt davon, daß ich dich nach diesen zwei Wochen genauso, wenn nicht noch mehr lieben werde, und vielleicht kann ich dann auch dich endlich von meiner Liebe zu dir überzeugen.«

      *

      Melanie Probst steckte in einer ausweglosen Situation. Ihre grenzenlose Sehnsucht nach einer Schwangerschaft, die sie während dieser schwachen Sekunden nach ihrem Stadtbummel dazu verführt hatte, sich selbst mit Hilfe eines Kissens das Gefühl einer werdenden Mutter vorzugaukeln, entwickelte sich nun zu einer nicht enden wollenden Tragödie.

      In den beiden Jahren, die seit Florians Geburt vergangen waren, hatte Manuela ihre Zwillingsschwester nur noch sporadisch besucht, worüber Melanie dankbar gewesen war. Es war für sie zu schmerzlich, das Mutterglück ihrer Schwester zu sehen. Jetzt dagegen kam Manuela mindestens einmal pro Woche zu ihr, was Melanies Schmerz nur noch verstärkte, weil es im Gespräch mit der Schwester hauptsächlich um die Schwangerschaft ging, die überhaupt nicht existierte. Allerdings wußten davon mittlerweile schon so viele, daß es Melanie unmöglich gewesen wäre, ihre Lüge noch rückgängig zu machen. Wenn überhaupt, hätte sie das nur gleich am Anfang gekonnt.

      »Weiß Karlheinz jetzt, daß er Vater wird?« wollte Manuela schließlich wissen.

      Melanie zögerte, dann schüttelte sie wahrheitsgemäß den Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich es ihm sagen soll. Wenn zwischen uns alles in Ordnung wäre…« Sie seufzte. »Ich kann doch nicht einfach anrufen und sagen, daß ich im siebten Monat schwanger bin.«

      »Warum nicht?« entgegnete Manuela. »Eure Situation ist durch die lange Kinderlosigkeit sehr schwierig geworden, und wenn du Karlheinz dann auch noch erzählst, daß die Schwangerschaft anfangs so problematisch war… ich bin sicher, daß er dafür Verständnis haben wird.« Spontan stand sie auf und holte das Telefon herein. »Komm, ruf ihn gleich an, dann hast du’s hinter dir.« Sie lächelte. »Ich werde gehen, damit ihr euch ungestört unterhalten könnt.«

      Melanie nickte, nahm den Telefonhörer ab und zögerte, dann wählte sie die Nummer ihres Schwagers. Hannelore war am Telefon.

      »Einen Augenblick, Melanie, ich hole Karlheinz sofort«, versprach sie, und es dauerte auch tatsächlich nicht lange, bis sich ihr Mann atemlos meldete.

      Seine Stimme weckte Gefühle in Melanie, die sie längst verschüttet geglaubt hatte. Plötzlich war da wieder dieses Kribbeln in ihr und das Gefühl, als könnte sie Karlheinz’ Abwesenheit keine Sekunde länger ertragen. Sie sehnte sich nach ihm wie schon lange nicht mehr.

      Eine Trennung auf Zeit, hatte Karlheinz an jenem letzten Tag gesagt. Das war mittlerweile mehr als drei Monate her… drei Monate, in denen sie anfangs kaum an ihren Mann gedacht hatte, doch jetzt überfiel sie die Sehnsucht nach ihm wie ein Schlag. Es war, als hätte es nur dieses Anrufs bedurft, um ihr klarzumachen, wie sehr sie Karlheinz vermißte.

      Es wird alles gut, versuchte sie sich einzureden. Wenn er erfährt, daß ich ein Baby bekomme…

      »Karlheinz, ich…« Schlagartig wurde ihr wieder bewußt, daß alles doch nur Lüge war. Unwillkürlich streichelte sie über ihren Bauch und wünschte, es wäre tatsächlich ein Baby darin. Mittlerweile benutzte sie kein Kissen mehr, sondern eine Art Sack, den sie mit Hilfe von zwei Gürteln so festschnallte, daß er nicht rutschen konnte.

      »Melanie, was ist los?« Karlheinz’ Stimme klang besorgt, und wieder traf sie Melanie mitten ins Herz. Sie schluchzte auf, weil sie keinen Ausweg sah. Sie wußte, daß Karlheinz auf der Stelle zu ihr zurückkommen würde, wenn er annehmen müßte, daß sie ein Baby von ihm erwartete. Sollte er jedoch herausfinden, daß es nur eine Lüge war, dann würde sie ihn endgültig verlieren, denn für Karlheinz war die Wahrheit schon immer sehr wichtig gewesen. Und diesen Betrug würde er zwangsläufig aufdecken, denn aus ihrem Bauch würde in zwei Monaten kein Baby, sondern nur ein mit Sand gefüllter Sack kommen!

      »Karlheinz…«, stammelte sie. Sie verwünschte sich, weil sie sich auf dieses Spiel eingelassen hatte, doch jetzt gab es kein Zurück mehr. »Ich bin schwanger.«

      Sekundenlang herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann wurde der Hörer einfach aufgelegt. Keine fünf Minuten später stand Karlheinz im Wohnzimmer. Er wirkte, als wäre er den Weg vom Haus seines Bruders bis hierher in rekordverdächtigem Tempo gerannt, und wahrscheinlich war er das ja auch. Jetzt blickte er völlig fassungslos auf Melanies Bauch, der sich unter dem Umstandskleid deutlich wölbte.

      »Melanie!« stieß er hervor, dann stand er mit einem Schritt vor ihr. »Du mußt es gewußt haben. Als ich ging… mußt du es doch schon gewußt haben.«

      Sie nickte. Manuela gegenüber war ihr die Lüge schon schwergefallen, doch jetzt, bei Karlheinz, war es noch schlimmer. Sie hatte das Gefühl, an ihren Worten ersticken zu müssen.

      »Die Schwangerschaft… es war schwierig«, brachte sie mühsam hervor. »Ich… ich mußte Angst haben… vor einer Fehlgeburt…« Sie senkte den Kopf. Es gelang ihr einfach nicht mehr, Karlheinz anzuschauen, während sie ihn belog.

      Zärtlich nahm er sie in die Arme. »Melanie, Liebling, wenn ich das gewußt hätte… niemals hätte ich dich

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