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jede Weiblichkeit genommen. Doch Dr. Daniel hatte mit dem, was er gesagt hatte, vollkommen recht. Tobias hatte von Anfang an Bescheid gewußt, er sagte ihr ja immer wieder, wie sehr er sie liebte – trotz allem.

      »Jetzt sind wir noch jung«, wandte Natalie halbherzig ein. »Wie wird es in ein paar Jahren aussehen?«

      »Das kann Ihnen niemand sagen«, erwiderte Dr. Daniel ernst. »Für eine glückliche Beziehung oder eine Ehe gibt es keine Garantie – auch dann nicht, wenn beide Partner vollkommen gesund sind.«

      Seufzend senkte Natalie den Kopf. »Ich habe Angst, daß es schiefgehen könnte. Irgendwann wird sich Tobias ein Kind wünschen… einen Stammhalter… oder ein süßes kleines Mädchen, das…« Sie zuckte die Schultern. »Er wird seinen Bruder um das Glück einer Familie beneiden.«

      »Woher wollen Sie das wissen?« fragte Dr. Daniel.

      Wieder zuckte Natalie die Schultern. »Ich kann es mir eben vorstellen.«

      »Ich auch«, gab Dr. Daniel zu. »Aber selbst wenn wir beide uns das vorstellen können, heißt es noch lange nicht, daß es zwangsläufig eintreten muß.« Seine Stimme wurde eindringlich. »Fräulein Meinhardt, geben Sie sich und Herrn Scholz eine Chance. Wenn die Beziehung schiefgeht, dann sollte es einfach so sein, aber wenn Sie es gar nicht erst versuchen… woher wollen Sie dann wissen, ob es nicht vielleicht der größte Fehler Ihres Lebens gewesen ist?«

      Natalie nickte nicht ganz überzeugt. Sie wußte, daß Dr. Daniel recht hatte, trotzdem konnte sie das, was Dr. Kreutzer ihr angetan hatte, nicht vergessen. Wieder hatte sie das Gefühl, als würde sie die Leere in ihrem Bauch spüren, und die Gewißheit, daß in ihr nie ein Baby heranwachsen würde, trieb ihr die Tränen in die Augen.

      »Wie soll ich jemals damit fertig werden?« flüsterte sie.

      »Lassen Sie sich Zeit«, riet Dr. Daniel ihr. »So etwas geht nicht von heute auf morgen. Vielleicht brauchen Sie Monate oder auch Jahre, um das, was Ihnen widerfahren ist, zu akzeptieren. Aber denken Sie immer daran: Sie sind nicht allein. Es gibt einen Menschen, der Sie liebt, und aus dieser Liebe sollten Sie Kraft schöpfen. Weisen Sie sie nicht zurück.«

      Natalie atmete tief durch, dann nickte sie. »Ich werde mir Mühe geben, es so zu sehen.« Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht gelingt es mir ja irgendwann.«

      *

      Tobias Scholz saß in seinem Büro und starrte blicklos vor sich hin. Auf seinem Schreibtisch lag haufenweise Arbeit, doch heute gelang es ihm einfach nicht, sich richtig zu konzentrieren, dabei war es normalerweise ein sehr angenehmes Arbeiten, seit sich sein Vater aus dem Busunternehmen zurückgezogen und die Leitung seinen beiden Söhnen überlassen hatte. Zwischen Patrick und Tobias hatte es in dieser Beziehung auch keinen Streit gegeben, denn Tobias war derjenige, dem die Arbeit hinter dem Schreibtisch lag, während Patrick Busfahrer aus Leidenschaft war. Dabei wurde er so oft wie möglich von seiner jungen Frau Sabrina begleitet, obwohl diese seit der Geburt ihres gemeinsamen Kindes nicht mehr ganz so viel Zeit hatte wie zuvor.

      »Was ist denn los, Tobias?«

      Beim Klang von Patricks Stimme blickte Tobias von den Schriftstücken auf, in denen zu lesen er vorgegeben hatte, dann seufzte er.

      »Nichts, Patrick«, entgegnete er wenig glaubhaft. »Nichts von Bedeutung.«

      »So?« Patrick schüttelte den Kopf. »Das nehme ich dir nicht ab, Bruderherz. Du warst so in Gedanken versunken, daß du weder gehört hast, wie ich hereingekommen bin, noch wie ich dich gefragt habe, wohin meine nächste Tour gehen wird.«

      Tobias errötete. »Na ja, ich habe nachgedacht. Ein derart großes Unternehmen zu leiten…«

      »Falsch«, fiel Patrick ihm ins Wort. »Dem Unternehmen haben deine Gedanken ganz bestimmt nicht gegolten.« Er setzte sich halb auf die Schreibtischkante. »Eines gleich vorweg, Tobias. Wenn ich dir jetzt eine Frage stelle, dann bist du nicht verpflichtet, mir zu antworten. Ich hätte vol-les Verständnis, wenn du nicht darüber sprechen möchtest.« Er schwieg kurz. »Ist es, weil Natalie keine Kinder bekommen kann?«

      Ohne zu zögern schüttelte Tobias den Kopf. »Das stört mich nicht.« Mit einer Hand fuhr er durch sein dichtes Haar. »Ich will ganz ehrlich sein, Patrick, ich müßte lügen, wenn ich behaupten würde, daß ich mir nie Kinder gewünscht hätte – im Gegenteil. Ich liebe Kinder, und eine große Familie hätte mich gewiß nicht schrecken können. Aber wenn eine Familie für mich bedeuten würde, mich von Natalie trennen zu müssen, dann verzichte ich lieber auf Kinder. Ich liebe Natalie mehr als alles andere.«

      »Wo liegt dann das Problem?« hakte Patrick nach.

      »Natalie kann die Operation, die dieser Dr. Kreutzer durchgeführt hat, einfach nicht verarbeiten. Mehr als einmal fiel von ihrer Seite die Bemerkung, daß sie jetzt keine richtige Frau mehr sei, und ich weiß auch nicht, wie ich ihr helfen soll. Meine Liebe allein reicht offenbar nicht.«

      Patrick wußte nicht, was er dazu sagen sollte. Er versuchte, sich in Tobias’ Lage zu versetzen, doch es wollte nicht gelingen.

      »Vielleicht…«, begann er, verstummte dann aber.

      Spontan legte Tobias eine Hand auf Patricks Arm.

      »Schon gut. Ich weiß, daß du mir keinen Rat geben kannst, das habe ich auch nicht erwartet. Es hat mir bereits etwas geholfen, einmal alles aussprechen zu können.« Er stand auf. »Ich gehe jetzt nach Hause.« Mit einem Blick auf den Wust von Papier, der sich auf seinem Schreibtisch türmte, fügte er hinzu: »Meine Konzentrationsfähigkeit ist heute ohnehin so gut wie nicht vorhanden. Ich glaube, ich tue mir und der vielen Arbeit einen besseren Gefallen, wenn ich sie morgen früh erledige.«

      »Vor mir mußt du dich ganz bestimmt nicht rechtfertigen«, entgegnete Patrick. »Der Schreibtisch gehört dir allein, du entscheidest, wie du dir deine Arbeit einteilst.«

      Tobias lächelte. »Danke, Patrick.« Noch einmal streifte sein Blick den Schreibtisch. Es widerstrebte ihm, Arbeit liegenzulassen, andererseits zog es ihn jetzt mit aller Macht zu Natalie.

      »Morgen früh ab acht hast du eine Tour nach Innsbruck«, erklärte Tobias, während er mit seinem Bruder das Büro verließ. »Der Steinhausener Kegelverein macht wieder seinen traditionellen Ausflug.«

      »Fein«, urteilte Patrick erfreut. »Im hiesigen Kegelverein sind nette, fröhliche Leute. Da machen die Ausflüge auch für den Busfahrer Spaß.«

      Patrick erzählte noch ein bißchen, doch Tobias hörte nur mit halbem Ohr hin. In Gedanken war er schon bei Natalie. Schließlich bemerkte Patrick die geistige Abwesenheit seines Bruders.

      »Meine Güte, Tobias, ich langweile dich mit meinen Geschichten, aber…« Er winkte ab. »Geh ruhig zu Natalie. Sie wird sicher schon auf dich warten.«

      Das war auch tatsächlich der Fall, doch Tobias bemerkte sofort, daß Natalie heute keinen guten Tag hatte. Sie war blaß und wirkte unruhig und zerstreut.

      »Was ist los, Liebes?« fragte Tobias sanft.

      Natalie sah ihn an. »Ich möchte, daß wir uns trennen.«

      Tobias stand wie erstarrt, dabei hätte er nicht einmal behaupten können, daß Natalies Wunsch nach einer Trennung für ihn unerwartet kam. Sie hatte ja schon öfter diesbezügliche Andeutungen gemacht, trotzdem war jetzt etwas anders als sonst. Hinter Natalies Worten stand eine Entschlossenheit, die Tobias noch nie erlebt hatte und die ihn so betroffen machte.

      »Ich liebe dich, Natalie«, entgegnete er, und seine Stimme zitterte dabei ein wenig. Er hatte Angst, die geliebte Frau nun doch zu verlieren.

      Natalie seufzte tief auf. »Vor zwei Tagen hatte ich ein langes Gespräch mit Dr. Daniel. Er riet mir davon ab, mich von dir zu trennen, und im ersten Moment…« Sie zuckte die Schultern. »Seine Argumente klangen sehr überzeugend, doch dann… als ich wieder zu Hause war und meine Tabletten nehmen mußte…« Mit beiden Händen strich sie ihr langes, dunkles Haar zurück. »Ich kann dir das nicht zumuten, Tobias. Ein Leben neben einer Frau, die…«

      »Sprich

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