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den Kopf. »Ich… ich weiß nicht, ob das gut wäre.« Mit einer fahrigen Handbewegung strich sie ihr langes Haar zurück. »Wir hatten ziemliche Probleme, und ich weiß nicht, ob das Baby sie alle lösen wird.«

      Verständnislos und auch etwas gekränkt sah Karlheinz sie an. »Die Probleme entstanden doch aus unserer Kinderlosigkeit.« Mit beiden Händen umschloß er ihr Gesicht. »Oder liebst du mich nicht mehr?«

      »Doch, Karlheinz«, antwortete sie und war sich ihrer Liebe dabei so sicher wie nie zuvor… nicht einmal während ihrer schönsten Zeit. Sie wußte plötzlich, daß sie niemals aufgehört hatte, ihn zu lieben. Das hatte sie über ihrer Sehnsucht nach einem Baby nur vergessen… verdrängt. Dabei wurde ihr erneut schmerzlich bewußt, daß sie Karlheinz’ Liebe endgültig zu verlieren drohte. Wenn er erst erfuhr, daß das mit dem Baby nur eine Lüge war…

      Er darf es nicht erfahren, dachte Melanie verzweifelt. Wenn ich schon kein Baby haben kann, dann will ich ihn wenigstens nicht verlieren.

      »Kalle.« Voller Zärtlichkeit kam sein Name über ihre Lippen. »Ich… es ist möglich… ich kann das Baby noch immer verlieren. Der Arzt sagt… ich muß sehr vorsichtig sein. Wir dürfen also auch nicht… ich meine… ich darf nichts tun, was die Schwangerschaft gefährden könnte.«

      Karlheinz nickte. »Das ist doch ganz selbstverständlich, Liebling.« Dabei strahlte sein Gesicht vor Glück. Endlich hatte Melanie ihn wieder Kalle genannt – wie früher, als sie so unsagbar ineinander verliebt gewesen waren. Kalle – es schien ihm, als würde sein Leben… nein, ihrer beider Leben von vorn beginnen.

      Zärtlich schloß er sie in seine Arme.

      »Ich liebe dich, Melanie«, flüsterte er an ihrem Ohr.

      Sie hatte das Gefühl, als schnüre ihr jemand die Kehle zu.

      Jetzt, dachte sie. Ich muß ihm die Wahrheit sagen. Auf der Stelle…

      »Wenn das Baby erst da ist, wird unser Glück grenzenlos sein.«

      Seine zärtlich gesprochenen Worte machten ihren Vorsatz zunichte. Verzweifelt preßte sie sich an ihn.

      Es muß eine Lösung geben, dachte sie. Es muß… es muß…

      *

      Melanie hatte den ganzen Tag bis ins Detail geplant. Als Schwangere verließ sie das Haus, ging zum Bahnhof und stieg in den nächsten Zug nach München. Im Hauptbahnhof führte ihr erster Weg zur Toilette. Sie zog ihr Kleid aus, entfernte den Sandsack und schlüpfte in einen eleganten Hosenanzug. Sack und Umstandskleid deponierte sie in einem Schließfach, dann stieg sie in die Straßenbahn. Zwanzig Minuten später war sie am Ziel.

      Das schlichte graue Gebäude wirkte fast furchteinflößend, doch es bot ihr die einzige Chance, heil aus ihrer ganzen Lügengeschichte herauszukommen. Sie trat ein, stieg die steilen Stufen hinauf und klopfte schließlich an eine Tür auf der rechten Seite.

      »Ja, bitte!«

      Melanie trat ein und sah sich einer gepflegten Dame mittleren Alters gegenüber. Ihr Gesichtsausdruck wirkte streng, und auch ihr angedeutetes Lächeln ließ sie nicht sanfter erscheinen.

      »Probst ist mein Name«, stellte sich Melanie vor. »Ich habe den heutigen Termin vereinbart… wegen einer Adoption.«

      »Stege«, erwiderte die Dame knapp, dann musterte sie Melanie prüfend. »Ich dachte, Sie wären verheiratet.«

      »Das bin ich auch«, beeilte sich Melanie zu versichern.

      Frau Stege zog mißbilligend die Brauen hoch. »Dann sollten Sie auch mit Ihrem Mann kommen. Schließlich muß ich mir von Ihnen beiden ein Bild machen, ehe ich Sie in die Warteliste aufnehmen kann.«

      »Warteliste?« wiederholte Melanie gedehnt. »Aber… ich dachte… ich möchte das Kind bis in… in zwei Monaten etwa.«

      Frau Stege seufzte entnervt auf. »Meine liebe Frau Probst, ich glaube, Sie stellen sich das ein bißchen zu einfach vor. Ahnen Sie überhaupt, wie viele Ehepaare ein Kind adoptieren wollen?« Sie blätterte in einigen Unterlagen, doch Melanie vermutete, daß das nur pro forma geschah. Frau Stege schien genau zu wissen, was sie zu sagen hatte. »Sie könnten ein größeres Kind adoptieren… mit acht oder zehn Jahren. Möglicherweise auch ein behindertes Kind. Das alles aber nur unter der Voraussetzung, daß ich Sie und Ihren Mann für geeignet befinde, um Ihnen ein Kind anzuvertrauen.«

      »Aber ich brauche ein Baby!« entfuhr es Melanie.

      »Da müssen Sie mit einer Wartezeit von einigen Jahren rechnen«, entgegnete Frau Stege kühl. »Wobei ich nicht extra betonen muß, daß Sie in die Warteliste überhaupt nur aufgenommen werden, wenn ich Sie und Ihren Mann als geeignet befinde…«

      Melanie sprang auf und flüchtete aus dem Raum. Draußen brach sie in Tränen aus. Sie hatte sich das alles ganz anders vorgestellt. Es hieß doch immer, daß so viele Mütter ihre Babys zur Adoption freigeben würden.

      »Was ist los? Ist Ihnen nicht gut?«

      Die angenehm tiefe, männliche Stimme ließ Melanie hochfahren. Sie sah sich einem grauhaarigen Mann Anfang sechzig gegenüber, der sie besorgt anschaute.

      »Ich möchte ein Baby!« stieß Melanie hervor. Im Augenblick war es ihr ganz gleichgültig, was dieser Mann von ihr denken würde. Sie wußte nur eines: In spätestens zwei Monaten mußte sie ein Baby haben, oder ihre Ehe würde endgültig zerbrechen. Noch vor wenigen Wochen hätte sie dieser Gedanke nicht sehr erschreckt, doch jetzt… ihr Zusammenleben mit Karlheinz war so schön, seit er dachte, sie wäre schwanger. Sicher, es war Tag für Tag wie ein Tanz auf dem Seil, denn wenn er sie nur ein einziges Mal unbekleidet überraschen würde, dann wäre alles aus. Doch dieses Risiko nahm sie gern in Kauf, denn er war so zärtlich

      und rücksichtsvoll… Sie konnten plötzlich wieder miteinander sprechen. Es war, als hätte ihr Leben neu begonnen, aber in zwei Monaten würde es völlig zerstört sein, wenn sie bis dahin kein Baby hatte.

      Der Mann warf einen Blick zur Tür, aus der Melanie gerade gekommen war.

      »Ich weiß schon, junge Frau, sie macht es einem nicht gerade leicht«, erklärte er. »Allerdings hat sie auch eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit. Schließlich darf man etwas so Wertvolles und Verletzliches wie ein Kind nicht jedem anvertrauen. Es ist ihre Pflicht, die Leute gewissermaßen auf Herz und Nieren zu prüfen, wenn sie ein Kind adoptieren wollen.« Er berührte Melanies Hand. »Ich weiß genau, woran Sie jetzt denken, junge Frau… an eine illegale Adoption, nicht wahr?«

      Aus verweinten Augen blickte Melanie ihn an. Auf so etwas wäre sie gar nicht gekommen, doch jetzt, wo der Mann davon sprach…

      »Tun Sie es nicht, junge Frau«, fuhr er schon fort. »Es ist strafbar, und Sie tun dem Kind, das Sie aus seiner Heimat weg nach Deutschland holen, vielleicht auch keinen Gefallen.«

      Im selben Moment verwarf Melanie den Gedanken wieder. Ihre Lüge mit der Schwangerschaft reichte voll und ganz. Sie mußte sich nicht auch noch strafbar machen. Außerdem würde ihr ein Kind aus dem Ausland ja nichts nützen.

      »Ich wünsche mir seit Jahren ein Baby«, entgegnete sie leise. »Eine Adoption war meine letzte Hoffnung. Dieses Kind hätte es gut bei mir, ich würde es mit Liebe überschütten. Ich würde…« Sie stockte, dann drehte sie sich um und verließ mit langsamen, schleppenden Schritten das graue Gebäude.

      Eine Adoption war aussichtslos. Um Karlheinz nicht zu verlieren, gab es jetzt nur noch eine Möglichkeit: Sie mußte eine Fehlgeburt vortäuschen.

      Doch auch dieser Weg erwies sich als Sackgasse, wie Melanie zu Hause feststellte. Manuela hatte ihr sämtliche Bücher geliehen, die sie sich gekauft hatte, als sie mit Anna schwanger gewesen war.

      Melanie war jetzt im siebten, fast schon im achten Monat schwanger – zumindest täuschte sie das vor. Zu diesem Zeitpunkt würde ein tatsächlich existierendes Baby auch außerhalb des Mutterleibes bereits lebensfähig sein. Sie hatte zu lange gezögert, nun war ihr der Weg zu einer Fehlgeburt versperrt.

      Verzweifelt

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