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in München geschehen war. Für ein paar selige Augenblicke war sie wieder die unbeschwerte junge Frau, die sie vor der schicksalsschweren Operation gewesen war.

      Eine gute Stunde später kehrten sie ins Hotel zurück und betraten die exklusiv ausgestattete Bar. Tobias wählte einen kleinen Nischentisch und bestellte Champagner. Erstaunt sah Natalie ihn an.

      »Champagner?«

      Tobias lächelte. »Es wäre eine Sünde, in Paris etwas anderes zu trinken – noch dazu mit einer so bezaubernden jungen Frau wie dir.«

      Natalie errötete. »Du kannst ja ein richtiger Charmeur sein.«

      Tobias grinste lausbubenhaft. »Ich war einmal hauptberuflich Busfahrer, Liebling, da ist es Pflicht, charmant zu sein.«

      Auch Natalie mußte lächeln. »Du warst also ein richtiger Herzensbrecher, habe ich recht?«

      »Der Kavalier genießt und schweigt«, entgegnete Tobias noch immer grinsend, dann wurde er ernster und griff nach Natalies Hand. »Wirklich erobert hat mein Herz aber nur eine.« Sein Blick wurde wieder zärtlich. »Diese eine sitzt mir gegenüber.«

      Ihre Blicke versanken ineinander, und dabei wurde Natalie bewußt, daß sie ohne Tobias nicht mehr leben wollte. Sie gehörten einfach zusammen – und plötzlich schwand Natalies Angst vor der Zukunft ein wenig. Vielleicht hatte Dr. Daniel doch recht, und ihre gegenseitige Liebe würde immer stärker sein als der nie erfüllbare Wunsch nach einem eigenen Kind.

      *

      Die Nachricht, daß ihre Zwillingsschwester entbunden hatte, traf Melanie wie ein Schlag, doch sie wußte, was sie Manuela schuldig war, auch wenn es sie noch so schmerzte. Noch am selben Nachmittag betrat Melanie die Steinhausener Waldsee-Klinik und sah sich suchend um. Obwohl sie nur wenige Kilometer weiter im Nachbarort wohnte, war sie noch niemals hier gewesen, dabei hatte Manuela nun schon das dritte Baby in dieser Klinik bekommen.

      »Suchen Sie etwas?«

      Die tiefe Stimme ließ Melanie erschrocken herumfahren. Hinter ihr stand ein großer, athletisch wirkender Mann mit dichtem blondem Haar und gütigen blauen Augen.

      Allerdings erschrak der Mann jetzt beinahe ebenso wie Melanie und blickte fassungslos von ihrem Gesicht zu ihrem Bauch, dann schüttelte er den Kopf und mußte plötzlich lächeln.

      »Meine Güte, jetzt haben Sie mich für einen Moment tatsächlich hinters Licht geführt«, meinte er. »Sie müssen die Schwester von Frau Stumpe sein, nicht wahr?«

      Melanie konnte nur nicken. Das Verhalten des Mannes brachte sie völlig durcheinander, zugleich fühlte sie sich auf seltsame Weise zu ihm hingezogen. Seine Ausstrahlung vermittelte ihr das Gefühl grenzenlosen Vertrauens.

      »Ich bin Robert Daniel«, stellte er sich nun vor. »Der hiesige Gynäkologe und zugleich Direktor dieser Klinik. Ich nehme an, Sie wollen Ihre Schwester besuchen.«

      »Ja«, antwortete Melanie und spürte, wie unsicher ihre Stimme klang. »Horst… mein Schwager hat mich angerufen und gesagt… Manuela hätte… sie hätte schon entbunden.«

      Dr. Daniel nickte, dann lächelte er Melanie an. »Bei Ihnen dürfte es ja auch bald soweit sein. Vielleicht finden Sie dann den Weg in die Waldsee-Klinik. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Ihrem Baby ebenfalls auf die Welt helfen dürfte, obwohl ich Sie während der Schwangerschaft nicht betreut habe.«

      Melanie errötete, was Dr. Daniel zwar bemerkte, aber nicht recht zu deuten wußte.

      »Ich… ich bin schon seit vielen Jahren… ich meine… ich würde nicht gern den Frauenarzt wechseln…« Sie stockte, wäh-rend sich die Röte auf ihrem Gesicht noch vertiefte.

      »Dafür habe ich durchaus Verständnis«, stimmte Dr. Daniel zu, dann begleitete er Melanie in die Gynäkologie hinüber und zu Manuelas Zimmer.

      »Ich bringe Besuch für Sie, Frau Stumpe«, erklärte er, dann schmunzelte er. »Für einen Augenblick dachte ich, ich hätte die Entbindung von heute nacht nur geträumt.«

      Verblüfft starrte Manuela ihn an, dann verstand sie und lachte. »Ach, Herr Doktor, Sie sind wahrlich nicht der einzige, der Melanie und mich verwechselt.« Liebevoll griff sie nach der Hand ihrer Schwester, die inzwischen an ihr Bett getreten war. »Schön, daß du hier bist.« Dann stand sie auf. »Komm, wir wollen Peter besuchen. Er kam ja fast drei Wochen zu früh, deshalb muß er noch ein paar Tage auf der Säuglingsstation bleiben.«

      Alles in Melanie sträubte sich dagegen, das Baby anzuschauen, doch sie wußte, daß sie diese schlimmen Minuten würde durchstehen müssen. Dr. Daniel hatte sich bereits wieder zurückgezogen, und Melanie ertappte sich plötzlich bei dem Wunsch, er wäre noch hier, um ihr beizustehen.

      »So ein Häuflein Mensch wirst du auch bald in den Armen halten«, meinte Manuela in zärtlichem Ton, während sie das schlafende Baby betrachtete, das in einem Brutkasten lag. »Nächste Woche darf er heraus, dann kann ich ihn endlich zu mir holen, wann immer ich möchte.«

      Mit brennenden Augen schaute Melanie das winzige, hilflose Baby an. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Brust.

      Erstaunt sah Manuela die Zwillingsschwester an, dann legte sie tröstend einen Arm um Melanies Schultern. »Jetzt mußt du doch nicht mehr weinen. In ein paar Tagen, spätestens in zwei, drei Wochen wirst du auch ein Baby haben.«

      Doch Melanie konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Wie ein Sturzbach liefen die Tränen aus ihren Augen, dann wurde es plötzlich dunkel um sie. Sie fühlte noch einen stechenden Schmerz am linken Ellenbogen, ehe sie vollends in der Finsternis versank.

      *

      Als Melanie erwachte, lag sie in einem Krankenbett, und ihr linker Arm steckte in einem

      festen Verband. Erschrocken fuhren ihre Hände an ihren Bauch, doch die Wölbung war weg. Erst jetzt registrierte Melanie, daß sie ein Kliniknachthemd trug.

      »Wie fühlen Sie sich, Frau

      Probst?«

      Mit dieser Frage trat Dr. Daniel zu ihr und setzte sich auf die Bettkante.

      Melanie atmete heftig und mit offenem Mund, so als wäre sie eine weite Strecke gerannt und jetzt völlig außer Atem.

      »Niemand außer mir und der Stationsschwester weiß Bescheid«, erklärte Dr. Daniel, der natürlich genau wußte, in welche Richtung Melanies erschrockene Gedanken gingen. »Sie wurden auf dem Flur vor der Säuglingsstation ohnmächtig. Schwester Bianca und ich haben Sie dann in den Untersuchungsraum gebracht…«

      Melanie schluchzte auf. »Werden Sie es… Manuela sagen? Und… und meinem Mann?« Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht. »Ich will Kalle nicht verlieren! Nie… nie darf er erfahren…« Sie stockte, als sie den feinen Stich fühlte.

      »Keine Angst, Frau Probst«, meinte Dr. Daniel mit beruhigender Stimme. »Das war nur ein leichtes Beruhigungsmittel. Sie müssen jetzt erst mal ein bißchen zur Ruhe kommen. Im übrigen kann ich Ihnen versichern, daß niemand etwas erfahren wird, solange Sie es nicht wollen.« Mit einer sanften Geste berührte er Melanies Hand. »Wir werden Gelegenheit haben, darüber zu sprechen. Versuchen Sie jetzt erst einmal zu schlafen. Ich sorge dafür, daß Sie ungestört bleiben.«

      Melanie fühlte, wie das Medikament zu wirken begann und sie müde wurde. Trotzdem schaffte sie es, nach Dr. Daniels Hand zu greifen.

      »Helfen Sie mir«, flehte sie leise. »Bitte… helfen Sie… mir…« Mit dem letzten Wort schlief sie ein.

      Dr. Daniel blieb noch eine Weile an ihrem Bett stehen und betrachtete das Gesicht, in dem es immer wieder zuckte. Er erkannte die tiefe Verzweiflung, die dieser vorgetäuschten Schwangerschaft zugrunde lag. Dabei mußte er unwillkürlich an Natalie Meinhardt denken, die sich wegen ihrer Kinderlosigkeit sogar von dem Mann, den sie über alles liebte, trennen wollte und es vielleicht immer noch beabsichtigte.

      Im selben Moment wußte Dr. Daniel, daß er in seinem Beruf nie aufhören würde zu lernen. Seit fast dreißig Jahren arbeitete er nun schon

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