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bist mir nicht gleichgültig«, behauptete sie, doch kein bißchen Gefühl schwang in ihren Worten mit. Sie sah Karlheinz an, und dabei wirkten ihre Augen leer… wie erloschen. »Unsere Ehe ist nur noch eine Belastung. Es ist vermutlich besser, wenn du gehst.«

      Karlheinz fühlte den brennenden Schmerz in seinem Herzen und hätte beinahe aufgestöhnt vor Qual.

      »Melanie, ich…« Er stockte, wußte nicht, wie er vorbringen sollte, was ihn bewegte. Früher war alles so einfach gewesen. Sie hatten sich geliebt, und die Liebe hatte immer einen Weg gefunden. Jetzt schien es diese Liebe nicht mehr zu geben. »Vielleicht… in einem halben Jahr… ich meine… ich will ja nicht für immer gehen…«

      Wieder zuckte Melanie die Schultern. »Du mußt tun, was du für richtig hältst.«

      Karlheinz hatte das bedrückende Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Ihm war, als länge ein Zentnergewicht auf seiner Brust. Plötzlich überkam ihn das dringende Bedürfnis, Melanie zu schütteln, sie anzuschreien… um ihre Liebe zu flehen. Er wollte doch nicht gehen. Er wollte bei ihr bleiben. Er wollte, daß alles wieder so sein würde wie früher.

      »Melanie, ich liebe dich.«

      Seine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, und danach fühlte er sich so erschöpft, als hätte er eine lange körperliche Anstrengung hinter sich.

      Melanie nahm seine Liebeserklärung so teilnahmslos hin, wie sie seine Mitteilung, sie zu verlassen, aufgenommen hatte. Ob Karlheinz sie liebte oder nicht, bedeutete ihr nichts mehr. Alle Gefühle, derer sie jemals fähig gewesen war, lagen jetzt in ihrem Unterleib und sehnten sich nach einem Kind.

      »Bleibst du noch zum Essen?« fragte sie, als wäre Karlheinz ein flüchtiger Bekannter, der nur auf einen Sprung hereingeschaut hatte.

      Er nickte zwar, doch er wußte schon jetzt, daß es ihm nicht schmecken würde. Wie verloren stand er in der Küche, sah zu, wie Melanie Nudeln kochte, das Rahmgeschnetzelte abschmeckte und schließlich den Tisch deckte.

      Dann saßen sie nebeneinander und fühlten sich doch wie Fremde. Mühsam würgte Karlheinz ein paar Bissen hinunter, dann stand er abrupt auf und flüchtete beinahe aus der Küche. Wahllos warf er Hemden, Hosen, Unterwäsche und Socken in einen Koffer. Er wollte weg, bevor das Zusammensein mit Melanie noch unerträglicher werden würde.

      Währenddessen saß Melanie am Tisch und aß so, wie sie in letzter Zeit alles tat – teilnahmslos und desinteressiert. Sie hörte, wie Karlheinz immer wieder hilflos aufschluchzte, doch kein Gefühl regte sich in ihr. Der Gedanke an ein Kind beherrschte ihr Leben, alles andere war ihr gleichgültig. Daher bedeutete es ihr auch nichts, als Karlheinz noch einmal hereinkam, um sich zu verabschieden.

      »Ich gehe zu Udo«, erklärte er. »Zumindest für die erste Zeit.« Er schwieg, wartete auf eine Erwiderung. Als diese ausblieb, fügte er hinzu: »Ich meine nur… falls du mich erreichen möchtest…«

      Falls du mich brauchst, hatte er eigentlich sagen wollen, doch er fühlte, daß Melanie ihn nicht mehr brauchte. Sie schien nichts und niemanden zu brauchen – nur ihr Selbstmitleid oder was immer es war, das sie so kalt und gefühllos machte.

      Karlheinz verließ die Küche, doch dann blieb er unschlüssig vor der Haustür stehen. Er kam sich armselig… wie verloren vor, als er sich im Garderobenspiegel sah: Ein junger Mann mit einem Koffer… ein trauriges Bild. Sehnsüchtig blickte er zurück, hoffte auf ein Wort von Melanie… ein Wort, das ihn zurückhalten würde, doch es blieb still. Karlheinz seufzte, dann öffnete er die Tür, zögerte noch einmal und ging schließlich hinaus. Melanie würde ihn nicht zurückhalten, auch wenn er noch stundenlang warten würde.

      *

      Melanie verbrachte ihre Tage sehr einsam. Schon wenige Monate nach der Hochzeit mit Karlheinz hatte sie ihre Stellung aufgegeben, denn die finanzielle Lage ihres Mannes hatte ihr ein Dasein als Nur-Hausfrau gestattet. Damals war sie gar nicht so erfreut gewesen, denn die Hausarbeit allein hatte sie bei weitem nicht ausgefüllt, doch mit der Zeit hatte sie die angenehmen Seiten dieses Lebens schätzengelernt. Sie hatte auf diese Weise Zeit gehabt, um ihren Hobbys nachzugehen. Im Laufe der Jahre jedoch, als sich ihr Kinderwunsch nicht erfüllt hatte, waren die Hobbys immer spärlicher geworden. Melanie hatte ihre Zeit zunehmend damit verbracht, untätig herumzusitzen und mit dem Schicksal zu hadern, das die Zwillingsschwester zur mehrfachen Mutter gemacht hatte, während sie selbst zusehen mußte, wie sie noch immer kinderlos allmählich auf die Dreißig zuging. In ihrer Situation erschien ihr das schon schrecklich alt.

      An diesem Nachmittag raffte sich Melanie mit Mühe zu einem Stadtbummel auf. Früher war das für sie ein Vergnügen gewesen, doch jetzt… wohin sie auch sah, begegneten ihr Schwangere oder Frauen mit Kinderwagen. Melanie quälte sich durch die Kaufhäuser und landete gegen ihren Willen immer wieder bei Umstandsmoden oder Babykleidung.

      »Manuela! Das ist aber ein netter Zufall!«

      Melanie drehte sich um und sah sich der freundlich lächelnden Barbara Gutmann gegen-über. Die rüstige Achtzigjährige kannte Manuela und Melanie von Kindheit an, hatte die Zwillingsschwestern aber nie auseinanderhalten können. Auch jetzt war sie nicht sicher, ob es tatsächlich Manuela war, die sie getroffen hatte, nahm es aber an, da sich die junge Frau in der Babyabteilung aufhielt. Früher hatte Melanie solche Verwechslungen amüsant gefunden und den Irrtum aus Spaß nicht aufgeklärt. Jetzt war es ihr eher unangenehm, für Manuela gehalten zu werden. Trotzdem brachte sie die Wahrheit nicht über die Lippen. Vielleicht war es einfach der Wunsch, einmal so zu sein wie ihre Schwester… eine glückliche Mutter…

      »Wo hast du denn deine beiden Kleinen?« fragte Barbara Gutmann, beantwortete ihre Frage aber gleich selbst. »Wahrscheinlich bei der Oma, nicht wahr?«

      Melanie konnte nur nickten, denn die gesprächige Rentnerin fuhr bereits fort: »Die Frau Mama ist ja überglücklich, weil sie zwei so goldige Enkelkinder hat.« Ihr Gesichtsausdruck änderte sich, sie wurde ernst. »Schade, daß es bei der Melanie überhaupt nicht mit einem Kind klappen will. Wann kommt denn jetzt das dritte?« Sie musterte Melanies Bauch. »Sehen kann man ja noch nichts.«

      »Ach, wissen Sie, Oma Gutmann, unter diesen weiten Pullis kann man schon ein paar Pfunde verstecken«, antwortete Melanie schlagfertig, dann zwang sie sich zu einem Lächeln. »Warten Sie noch ein paar Wochen, dann wird man es bestimmt deutlicher sehen.«

      Barbara lächelte. Sie selbst hatte leider nie Kinder gehabt, deshalb hatte sie es immer genossen, wenn Manuela und Melanie sie liebevoll Oma Gutmann genannt hatten.

      »Du freust dich wahrscheinlich schon sehr darauf«, vermutete Barbara Gutmann.

      Melanie legte die Hände auf ihren Bauch und wünschte sich sehnlichst, daß sie wirklich das wäre, was sie jetzt vorgab zu sein.

      »Ja, Oma Gutmann, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue«, entgegnete sie leise. »Ich träume beinahe Tag und Nacht davon, mein Baby zärtlich in den Armen zu halten.« Schmerzlich wurde ihr bewußt, daß sie damit die Wahrheit sagte – ja, sie träumte davon… doch dieser Traum würde niemals Wirklichkeit werden.

      *

      Völlig erschöpft kehrte Melanie von ihrem Stadtbummel heim, doch das lag nicht an dem Menschengewühl in den Kaufhäusern, sondern an der Begegnung mit Barbara Gutmann und Melanies Lüge. Früher hatte sie solche Verwechslungsspiele nicht als Lügen empfunden. Es war ein harmloser Spaß gewesen, den sie immer sehr genossen hatte, doch diesmal war es weder harmlos noch ein Spaß gewesen.

      Während des Gesprächs mit Barbara Gutmann war Melanie von einem seltsamen Hochgefühl ergriffen worden. Sie hatte empfunden wie ihre Zwillingsschwester, hatte die Freude über das zu erwartende Baby nicht mehr gespielt, sondern wirklich gefühlt. Doch dann war der tiefe Fall gekommen, der Sturz in die Wirklichkeit. Sie war nicht Manuela, nicht Mutter von zwei süßen kleinen Kindern und auch nicht schwanger. Alles nur Einbildung…

      Wie in Trance griff Melanie nach der Einkaufstasche und zog das einzige Kleidungsstück heraus, das sie sich heute gekauft hatte – nach eingehender Beratung mit Barbara Gutmann. Melanie zog Rock und Bluse aus, dann schlüpfte sie in

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