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      In diesem Moment hörte sie den Motor eines herannahenden Autos, und obwohl sie es noch nicht sehen konnte, wußte sie, daß es nur Stefans Wagen sein konnte. Da kam er auch schon die Auffahrt herauf. Der Motor war noch nicht richtig aus, als Stefan schon heraussprang und Darinka ein paar Schritte entgegenlief, dann blieb er so abrupt stehen, als wäre er gegen eine Mauer gelaufen. Mit angehaltenem Atem versuchte er, in ihrem Gesicht zu lesen.

      Da lächelte sie und ging die wenigen Schritte, die sie und Stefan noch trennten. Sie hob eine Hand und streichelte sanft durch seine dunklen Locken.

      »Verzeihen kann ich dir«, erklärte sie. »Aber mein Vertrauen wirst du dir erst wieder verdienen müssen.«

      Erleichtert stieß Stefan den Atem aus, dann zog er Darinka zärtlich in seine Arme.

      »Nie mehr«, versprach er. »Ich schwöre es dir… nie mehr werde ich dir weh tun.« Er küßte sie. »Ich liebe dich, Darinka.«

      In liebevoller Umarmung standen sie da und wußten nicht, daß Dr. Daniel sie vom Fenster seiner Praxis aus beobachtete. Unwillkürlich dachte er an die drohenden Schatten, die in letzter Zeit über ihnen allen gestanden hatten – der Prozeß… Stefans unselige Liebe zu dieser Chantal…

      Doch dann erschien ein zufriedenes Lächeln auf Dr. Daniels Gesicht. Gemeinsam hatten sie die Schatten besiegt – das Leben konnte neu beginnen…

      – E N D E –

Cover Als ihre Welt noch in Ordnung war

      Mit einer heftigen Bewegung knallte Melanie Probst den Telefonhörer auf die Gabel. Ihr Gesicht war kalkweiß, in ihren Augen standen Wut und Verzweiflung. Sie hatte das dringende Bedürfnis, irgend etwas zu zerschlagen, um ihrem Frust Luft zu machen.

      Die edle Blumenvase aus geschliffenem Kristall erschien ihr geeignet, vor allem weil sie ein Geschenk ihrer Zwillingsschwester war. Mit beiden Händen umfaßte Melanie das kostbare Stück und schleuderte es wütend auf den Steinfußboden. Klirrend zersprang die Vase, unzählige glitzernde Glasscherben waren wie kleine Diamanten über den Boden verstreut. Melanie starrte sie an. Sie hatte gehofft, daß sie Erleichterung empfinden könnte, doch das Zerschlagen der Vase hatte ihr keine Befriedigung verschafft. Noch immer nagten Haß und Verzweiflung an ihr, und die Gewißheit, daß sie die vielen Scherben jetzt wegräumen mußte, machte sie noch wütender.

      Sie holte Schaufel und Besen und begann, die winzigen Splitter zusammenzukehren. Tränen tropften plötzlich auf den Fußboden, vermischten sich mit den Scherben und ließen sie noch deutlicher glitzern. Schaufel und Besen entglitten Melanies Händen. Schluchzend sank sie auf dem Fußboden zusammen. Spitze Glassplitter bohrten sich in ihre Knie, doch sie spürte es nicht. Die Tränenflut schien sie weg-spülen zu wollen.

      Als Melanie den Schmerz registrierte, war die Hose bereits mit Blutflecken übersät. Mühsam rappelte sich die junge Frau auf und stellte fest, daß auch ihre Hände bluteten. Überhaupt sah der Fußboden aus, als hätte hier eine Schlacht stattgefunden.

      »Melanie! Um Himmels willen…«

      Karlheinz Probst stand in der geöffneten Haustür und blickte fassungslos auf die Szene, die sich seinen Augen bot. Seine Frau, blutend und verweint, inmitten unzähliger kleiner Glasscherben!

      »Die Vase ist mir zerbrochen«, brachte sie mit tränenerstickter Stimme hervor.

      Karlheinz stellte seine Aktentasche ab, dann eilte er zu Melanie und nahm sie tröstend in die Arme – ungeachtet der Tatsache, daß auch sein Anzug und sein Hemd Blutflecken abbekommen würden.

      »Ich kann mir vorstellen, wie schlimm das für dich ist«, meinte er tröstend. »Die Vase war ein Geschenk von Manuela.«

      Melanie schwieg. Wie eine leblose Puppe hing sie in den Armen ihres Mannes und war nicht fähig, seine Umarmung zu erwidern. Sie fand sich plötzlich fuchtbar kindisch. Was war ihr nur eingefallen, die Vase zu zerschlagen? Ihr anfänglicher Haß auf Manuela war wieder dieser unermeßlichen Traurigkeit gewichen, von der sie sich höchstens stundenweise einmal befreien konnte.

      »Soll ich dich zum Arzt bringen?« fragte Karlheinz besorgt und riß Melanie aus ihren Gedanken.

      Sie schüttelte den Kopf. »So schlimm sind die Wunden nicht. Ich kann sie selbst versorgen.«

      Sie löste sich aus der Umarmung ihres Mannes und betrat das Bad. Vorsichtig zupfte sie die Glassplitter aus ihren Wunden. Es tat weh, doch sie empfand den Schmerz auf gewisse Weise sogar als wohltuend. Um ihn noch zu verstärken, nahm sie nicht das Desinfektionsmittel, das Karlheinz besorgt hatte, sondern pinselte Jod auf die Wunden. Es brannte wie Feuer, Melanie mußte die Zähne zusammenbeißen, um nicht vor Schmerz aufzustöhnen. Gewissenhaft legte sie Verbandsmull auf die Wunden und klebte ihn mit breiten Pflasterstreifen fest.

      Als sie das Bad verließ, hatte Karlheinz schon den Tisch fürs Abendbrot gedeckt. Melanie setzte sich, doch mit ihren verbundenen Händen fiel ihr das Essen nicht leicht. Karlheinz unternahm ein paar Versuche, ein harmloses Gespräch zu beginnen, doch Melanie ging nicht darauf ein. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit etwas anderem, und schließlich stellte Karlheinz seine fruchtlosen Versuche ein.

      Unwillkürlich mußte er an die Zeit zurückdenken, als er seine Frau kennengelernt hatte. Wie ausgelassen und fröhlich sie gewesen war! Ein Energiebündel, immer heiter, immer lachend… es war eine Freude gewesen, mit ihr zusammenzusein, und es erschien Karlheinz unfaßbar, daß das alles schon zehn Jahre zurückliegen sollte. Zehn Jahre… nein, eigentlich nur sechs, denn in den ersten Ehejahren war Melanie die unbeschwerte Frau geblieben, doch dann hatte sie plötzlich angefangen sich zu verändern, und Karlheinz kannte auch den Grund dafür. Das Baby, das sie sich beide gewünscht hatten, blieb aus. Alle Versuche schlugen fehl, doch anstatt in ihrem Mann einen Gefährten zu sehen, der mit ihr durch diese schwierige Zeit ging, hatte sich Melanie immer mehr verschlossen, und mittlerweile schien es überhaupt keinen Weg mehr zu ihrem Herzen zu geben.

      »Manuele erwartet ein Baby.«

      Melanies Worte fielen beinahe drohend in die Stille, die zwischen ihr und Karlheinz herrschte. Der junge Mann schnitt seine Essiggurke in feine Scheiben und verteilte sie auf dem Wurstbrot.

      »Das war also der Grund«, meinte er ohne aufzublicken. Die Gurkenscheiben auf dem Brot schienen seine ganze Konzentration zu erfordern.

      Melanies Schweigen kam einer Antwort gleich. Im nächsten Moment sprang Karlheinz so ungestüm auf, daß der Stuhl umkippte und polternd zu Boden fiel.

      »Ich halte das nicht mehr aus!« begehrte er auf. »Du neidest Manuela das Glück ihrer Familie! Du machst sie dafür verantwortlich, daß du kein Kind bekommen kannst! Manuela ist nicht schuld an unserer Kinderlosigkeit! Niemand ist schuld daran! Man kennt ja nicht einmal die Ursache dafür!«

      Erschöpft von diesem Ausbruch stützte sich Karlheinz mit beiden Händen auf der Tischplatte ab. Von Melanie kam keine Reaktion. Sie saß da wie erstarrt, kein Muskel bewegte sich in ihrem Gesicht, ihre Augen wirkten wie erloschen.

      Mit einem Ruck stieß sich Karlheinz vom Tisch ab, dann verließ er die Wohnung. Er konnte das Zusammensein mit seiner Frau nicht länger ertragen.

      Völlig unbeweglich blieb Melanie sitzen. Sie starrte das appetitliche Wurstbrot an, das Karlheinz hergerichtet und dann unberührt liegengelassen hatte. Schmerzhaft schlug ihr Herz gegen die Rippen, und unwillkürlich legte Melanie eine Hand um ihren Hals. Sie spürte schon wieder das entsetzliche Gefühl der Enge in ihrer Kehle. Keuchend rang sie nach Luft, schloß die Augen und wartete auf die Tränen, die den Kloß in ihrer Kehle wegschwemmen würden, doch diesmal dauerte es lange, bis sie weinen konnte.

      Unaufhörlich rannen die Tränen über ihr Gesicht, aber Melanie empfand keine Erleichterung dabei. Sie war nur erschöpft und todunglücklich.

      *

      Fast eine Stunde lang irrte Karlheinz ziellos im Ort umher, dann fand er sich plötzlich vor dem Haus seines Bruders Udo

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