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Zunge und im Rachen nachließen.

      »Trotzdem wird sie vorerst weiter künstlich beatmet«, beschloß Dr. Daniel, dann legte er dem jungen Anästhesisten eine Hand auf die Schulter. »Das war gute Arbeit, Jeff.«

      »Von Ihnen«, entgegnete Dr. Parker. »Heute war ich zum ersten Mal nahe daran, die Nerven zu verlieren.«

      »Ich sehe das ein bißchen anders«, entgegnete Dr. Daniel, dann lächelte er Dr. Parker aufmunternd zu. »Kommen Sie, bringen wir Darinka auf Intensiv. Ich bleibe bei ihr, bis sie zu sich kommt.«

      »Das wird dauern«, befürchtete der junge Anästhesist.

      Dr. Daniel nickte. »Ich weiß, aber ich warte trotzdem.«

      Dr. Parker half ihm, das fahrbare Bett auf die Intensivstation zu bringen.

      »Was geschieht jetzt wegen der Infektionsgefahr?« fragte er. »Antibiotika sind jedenfalls nicht drin.«

      Wieder nickte Dr. Daniel. »Sie bekommt Erythromycin. Auch das werde ich gleich in die Wege leiten. Seien Sie so nett, und informieren Sie Wolfgang darüber. Er hat von der ganzen Aufregung ja nichts mehr mitbekommen, weil er und Gerrit den Wasch-raum schon verlassen hatten.«

      »Glücklicherweise waren Sie ein bißchen langsamer«, meinte Dr. Parker. »Allein hätte ich es nicht geschafft.« Er sah zu, wie Dr. Daniel die Infusion anschloß und sich dann neben Darinkas Bett setzte. »Nicht Sie sollten hier sein, sondern Stefan.«

      Dr. Daniel seufzte. »Ich weiß, Jeff. Leider habe ich in dieser Beziehung keinen Einfluß mehr auf meinen Sohn. Stefan ist in einem Alter, in dem er tut, was er will – auch wenn ich es für einen schweren Fehler halte.«

      Dr. Parker nickte. »Ich habe selbst mit Stefan gesprochen, und auch Gerrit hat’s versucht, aber es war zwecklos. Er ist völlig verblendet von seiner Liebe zu dieser Frau.« Er seufzte ebenfalls. »Ich hatte das zweifelhafte Ver-gnügen, sie kennenzulernen, und ich schätze, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Stefan recht unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird.«

      »Hoffentlich ist es dann für ihn und Darinka nicht schon zu spät«, murmelte Dr. Daniel.

      *

      Die Nacht auf der Intensivstation verlief ruhig. Einmal war Darinka kurz zu sich gekommen, unter den Nachwirkungen der Narkose aber gleich wieder eingeschlafen. Gegen Morgen merkte auch Dr. Daniel, daß er immer öfter im Sitzen einnickte. Die anstrengende Operation, der Kampf um Darinkas Leben, die durchwachte Nacht… das alles war selbst für ihn ein bißchen viel gewesen.

      »Robert, kann ich dich kurz sprechen?«

      Langsam wandte Dr. Daniel den Kopf und sah Dr. Metzler in der Tür stehen. Mit einem tiefen Seufzer erhob er sich.

      »Natürlich, Wolfgang.« Er folgte dem Chefarzt nach draußen, hielt unterwegs die Oberschwester auf und bat sie, auf Darinka ein besonders wachsames Auge zu haben.

      In Dr. Metzlers Büro angekommen, ließ sich Dr. Daniel völlig entkräftet auf den nächstbesten Stuhl fallen.

      »Du bist total erschöpft«, stellte Dr. Metzler besorgt fest.

      Dr. Daniel nickte. »Glücklicherweise ist heute Samstag. Ich werde mich also gleich ins Bett legen und wenigstens ein paar Stunden meines versäumten Schlafes nachholen.« Dann sah er den Chefarzt aufmerksam an. »Worüber wolltest du mit mir sprechen?«

      Dr. Metzler zögerte. Eigentlich war jetzt der falsche Zeitpunkt, dieses Thema anzuschneiden, andererseits konnte er es auch nicht länger hinauszögern.

      »Ich habe eine Vorladung bekommen«, antwortete er schließlich. »Gestern schon, aber da bot sich keine Gelegenheit mehr, um mit dir zu sprechen. Am Montag soll ich vor der Polizei meine Aussage machen.«

      Dr. Daniel seufzte tief auf. »Ich wurde angezeigt – Verdacht auf illegale Abtreibung.« Er runzelte die Stirn. »Darüber wollte ich eigentlich mit Katharina Bert-ram sprechen.« Er winkte ab. »Das hat auch noch bis morgen Zeit.«

      »Wie ernst ist es?« wollte Dr. Metzler wissen.

      Dr. Daniel zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, aber ich denke nicht, daß es allzu schlimm wird. Die Anzeige stammt von Katharinas Freund. Norbert Krämer. Ich weiß nicht, ob dir der Name etwas sagt.«

      »Doch nicht dieser Journalist.«

      »Genau der. Ich vermute, daß er aus der Geschichte Kapital schlagen will, und er hofft wohl, daß er mir schaden kann, wenn mein Name erst mal durch die Presse geht.« Wieder lenkte er ab. »Er kann mir nichts anhaben, weil ich vollkommen korrekt gehandelt habe und deine Aussage das bestätigen wird.«

      »Wenn er einen Artikel schreibt und darin auch nur Gerüchte über eine illegale Abtreibung verarbeitet, kann er damit zumindest vorübergehend deinem guten Ruf schaden.«

      »Davor habe ich keine Angst«, entgegete Dr. Daniel. »Selbst wenn er die Sache groß aufzieht… spätestens nach dem Prozeß – falls ein solcher überhaupt stattfinden wird – muß er seinen Artikel korrigieren. Allerdings schätze ich, daß das Ganze schon vorher im Sande verlaufen wird.«

      *

      Obwohl Chantal Ferraut Stefan zu sich nach Paris eingeladen hatte, wurde er ihr schon am zweiten Tag lästig. Irgendwie hatte sie gedacht, er würde hier in Paris lockerer sein, aber das Gegenteil war der Fall. Er war jetzt noch verbohrter in die Ernsthaftigkeit seiner Gefühle als zuvor in Steinhausen.

      »Du gehst mir auf die Nerven!« fuhr sie ihn an, als er beim Spaziergang durch den winterlichen Park, der zu Chantals Villa gehörte, den Arm um ihre Schultern legte und sie zärtlich an sich drücken wollte.

      Unwillig machte sie sich von ihm frei und blickte lieblos in sein betroffenes Gesicht.

      »Chantal, ich liebe dich«, begehrte Stefan auf.

      Theatralisch hob sie die Hände. »Liebe! Meine Güte, hast du es denn immer noch nicht begriffen? Liebe existiert für mich nicht. Du warst ein amüsanter Zeitvertreib – zumindest anfangs. Jetzt entwickelst du dich zu einem lästigen Anhängsel.«

      Chantals Worte trafen Stefan mitten ins Herz. In den vergangenen beiden Tagen hatte ihn immer wieder das schlechte Gewissen eingeholt, weil er nach Paris geflogen war, anstatt Darinka in den vielleicht schwersten Stunden ihres Lebens beizustehen, doch er hatte seine Entscheidung mit seiner Liebe zu Chantal gerechtfertigt. Jetzt mußte er schmerzlich erkennen, wie kalt diese Chantal wirklich war.

      »Heißt das… es ist aus?« brachte Stefan mühsam hervor.

      Chantal zog wieder einmal die Augenbrauen hoch. »Wie kann etwas aus sein, das es nie gegeben hat.« Demonstrativ sah sie auf die Uhr. »Jules wird dich zum Flughafen bringen.«

      Völlig fassungslos starrte Stefan sie an. Er hatte das Gefühl, in einem Alptraum zu stecken.

      »Du wirfst mich hinaus? Einfach so?«

      Gelassen zuckte Chantal die Schultern. »Du langweilst mich, und ich kann es mir nicht leisten, meine kostbare Zeit gelangweilt zu verbringen. Als ich dich in dieser Wald- und Wiesenklinik sah, dachte ich, man könnte sich mit dir amüsieren, aber das war ein Trugschluß.« Sie schwieg kurz. »Nun ja, anfangs war es recht nett, aber im Grunde bin ich doch ein anderes Format gewohnt – Feuer, Leidenschaft, Erotik. Mit dir war es doch eher etwas hausbacken.«

      Stefans Hände begannen zu zittern. Er hatte das Gefühl, davonlaufen zu müssen… zu flüchten vor diesen grausamen, lieblosen Worten, doch er war zu keiner Bewegung fähig. Vor seinen Augen zerbrach das Traumbild, das er von Chantal gefertigt hatte, und zurück blieb eine eiskalte Frau, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht war.

      »Du Biest«, brachte Stefan mühsam hervor.

      Abwehrend hob sie die Hände. »Bitte, werde jetzt nicht ausfallend. Beenden wir die Sache doch einigermaßen zivilisiert.«

      Die Sache. Mehr war es für sie nicht gewesen.

      »Macht es dir eigentlich Spaß, auf den Gefühlen anderer Menschen herumzutrampeln?«

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