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ihrem Liebeskummer um Stefan und ihrer Angst vor der Operation entsprachen.

      Vorsichtig schob Dr. Parker die Infusionskanüle weiter in die Vene vor und zog die Nadel zurück, dann fixierte er die Kanüle mit einem breiten Pflaster. Als er aufblickte, sah er die Tränen, die noch immer über Darinkas Wangen liefen.

      »Aber, Mädelchen, wer wird denn gleich so weinen?« fragte er und wischte die Tränen behutsam ab. In der Zwischenzeit hatte Schwester Petra die Spritze vorbereitet und gab sie dem Anästhesisten in die Hand. Mit dem Zeigefinger streichelte Dr. Parker sanft über Darinkas Wange, während er mit der anderen Hand die Spritze auf die gerade gelegte Infusionskanüle drückte, dann preßte er den Inhalt direkt in die Vene.

      Fast augenblicklich begannen Darinkas Lider zu flattern.

      »Stefan.« Tonlos formten ihre Lippen den geliebten Namen, dann war sie eingeschlafen.

      *

      Währenddessen hatte Dr. Daniel mit Darinkas Großeltern telefoniert und ihnen in kurzen Worten erklärt, daß die Operation dringend nötig sei, aber aller Voraussicht nach komplikationslos verlaufen würde. Er war sich selbst dessen durchaus nicht so sicher. Normalerweise hielt er sich in solchen Fällen den Angehörigen gegenüber strikt an die Wahrheit, doch die Stöbers waren in einer labilen gesundheitlichen Verfassung, die Dr. Daniels Vorgehen notwendig machte.

      Martha und Anton Stöber versprachen dennoch gleich in die Klinik zu kommen und dort das Ende der Operation abzuwarten. Dr. Daniel verabschiedete sich, dann legte er auf, zögerte einen Augenblick und nahm den Hö-rer schließlich noch einmal ab, um in der Sommer-Klinik anzurufen. Er erreichte seinen Sohn gerade noch rechtzeitig vor dessen Dienstende.

      »Was ist denn, Papa?« fragte Stefan ungeduldig, weil er in Gedanken schon auf dem Weg nach Paris war.

      »Darinka wird in wenigen Minuten operiert, ich dachte, das würde dich interessieren«, antwortete Dr. Daniel.

      Sekundenlang aber herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung.

      »Hör mal, Papa, zwischen Darinka und mir ist es aus«, entgegnete Stefan, doch sein Vater bemerkte die Unsicherheit in der Stimme seines Sohnes. »In fünf Minuten werde ich in mein Auto steigen und zum Flughafen fahren.«

      »Es ist sehr ernst, Stefan«, wandte Dr. Daniel ein.

      Wieder schwieg der junge Mann einen Moment.

      »Tut mir leid, Papa, aber… ich muß nach Paris.« Seine Stimme klang leise… unsicher, dann legte er auf.

      Mit einem tiefen Seufzer ließ Dr. Daniel den Hörer sinken. Zum ersten Mal konnte er für seinen Sohn keinerlei Verständnis mehr aufbringen, und das tat ihm weh. Stefan war ihm plötzlich sehr fremd geworden.

      Doch dann gestattete sich Dr. Daniel keinen privaten Gedanken mehr. Er mußte zusehen, daß er schleunigst in den Operationssaal kam. Als er in den Waschraum trat, erkannte er, daß er noch nicht zu spät war. Auch Dr. Metzler und Dr. Scheibler schrubbten sich noch die Hände.

      »Du hast Stefan angerufen, nicht wahr?« vermutete Dr. Metzler.

      Dr. Daniel nickte nur, ließ aber keinen Ton über den Verlauf des Gesprächs verlauten.

      Die drei Ärzte ließen sich von der OP-Schwester die keimfreien Handschuhe überstreifen, dann traten sie an den Tisch. Dr. Parker war gerade dabei, die Patientin zu intubieren.

      »Tubus ist drin«, meldete er. »Sie können anfangen.«

      Dr. Metzler und Dr. Daniel wechselten einen Blick und verstanden sich ohne Worte, dann ließ sich der Chefarzt das Skalpell reichen und setzte den großen Längsschnitt, der nötig war, um den gesamten Bauchraum einsehen zu können. Der erste Blick auf das Operationsfeld ließ den Ärzten dann förmlich den Atem stocken.

      »Meine Güte«, stöhnte Dr. Metzler. Nahezu im selben Moment brach der entzündete Blinddarm durch, und auch die fast orangengroße Zyste, die sich am rechten Eileiter gebildet hatte, war offensichtlich kurz davor aufzuplatzen.

      Während sich Dr. Metzler und Dr. Scheibler um den Blinddarm kümmerten, begann Dr. Daniel vorsichtig, die Zyste aus dem Eileiter zu schälen.

      »Ich brauche Dr. Reintaler«, erklärte er, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.

      Die OP-Schwester gab seine Anweisung weiter, und wenig später betrat die Gynäkologin Dr. Alena Reintaler den Operationssaal, um Dr. Daniel bei seiner Arbeit zu unterstützen.

      »Der Eileiter ist nicht mehr zu retten«, befürchtete Alena, doch Dr. Daniel schüttelte den Kopf.

      »Er muß zu retten sein«, sagte er wie beschwörend. »Das Mädchen ist gerade achtzehn…«

      Auch der Assistenzarzt Dr. Rainer Köhler stieß nun zum Operationsteam und übernahm Dr. Scheiblers Platz, während der Oberarzt ohne Aufforderung die Zyste entgegennahm, die Dr. Daniel mit großer Mühe aus dem Eileiter geschält hatte. Rasch verließ Dr. Scheibler den Operationssaal und eilte ins Labor, um die Zyste auf mögliche bösartige Veränderungen zu untersuchen. Sein Herz klopfte dabei zum Zerspringen.

      »Bitte nicht«, flüsterte er. »Bitte kein Krebs… sie ist doch erst achtzehn…«

      *

      Zur selben Zeit saß Stefan Daniel in seinem Auto und war auf dem Weg zum Flughafen, während die Worte seines Vaters noch in seinen Ohren nachhallten. »Es ist sehr ernst…«

      Er dachte daran, wie liebevoll sich Darinka um ihn gekümmert hatte, als er sich die Kniescheibe angebrochen hatte, und auch nach seiner Blinddarmoperation. Immer war sie für ihn dagewesen, doch jetzt, wo sie ihn brauchen würde…

      Unwillig versuchte er diesen Gedanken abzuschütteln, doch es wollte ihm nicht recht gelingen. Sein schlechtes Gewissen zeigte ihm Bilder, die er vergessen wollte – Bilder von Darinka… lachend… glücklich… verliebt. Doch jetzt lag sie auf dem Operationstisch, und es stand sehr ernst um sie.

      Stefan hielt seinen Wagen am Straßenrand an. Am Armaturenbrett war noch Darinkas Bild befestigt. Komm gut heim, stand darunter, und sie lachte ihn an. Doch dann schob sich ein anderes Bild vor Stefans geistiges Auge – das Bild einer wunderschönen Frau mit kupferrotem Haar und bernsteinfarbenen Augen. »Etienne.« Fast glaubte er ihre tiefe, sinnliche Stimme zu hören, ihren erotischen Duft zu spüren. Er sehnte sich so sehr nach ihr, daß es schmerzte.

      Entschlossen fuhr er wieder los, doch der Gedanke an Darinka, die jetzt auf dem OP-Tisch lag, ließ ihn nicht los. Er fuhr schneller, aber das schlechte Gewissen verfolgte ihn hartnäckig. Dann erreichte er den Flughafen und sah, daß sein Flug nach Paris erst in zwei Stunden gehen würde. Unruhig wanderte er durch die Flughafenhalle, besah sich desinteressiert die Auslagen der Geschäfte und wußte eine Minute später nicht mehr, was er eigentlich angeschaut hatte. Schließlich hielt er es nicht länger aus. Er betrat eine der Telefonzellen und riß den Hörer von der Gabel. Hastig und mit zitternden Fingern wählte er die Nummer der Waldsee-Klinik.

      »Der Herr Direktor ist noch im OP«, gab die Sekretärin Mar-tha Bergmeier Auskunft. »Der Chefarzt, Dr. Parker und Frau Dr. Reintaler ebenfalls. Aber ich kann Sie mit dem Oberarzt verbinden. Er ist gerade im Labor.«

      »Ja, bitte, Frau Bergmeier«, verlangte Stefan mit gepreßter Stimme.

      Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich Dr. Scheibler meldete.

      »Gerrit, ich bin’s«, gab sich Stefan zu erkennen. »Ich wollte nur wissen, wie es Darinka geht.«

      »Du glaubst doch wohl nicht, daß du auf diese Frage von mir eine Antwort bekommst!« entgegnete Dr. Scheibler, und Stefan konnte seine Wut sogar durchs Telefon spüren.

      »Gerrit, bitte«, flehte er, aber sein Freund kannte jetzt keine Gnade.

      »Nein!« antwortete er knapp, zögerte kurz und fragte dann: »Wo bist du?«

      »Im Flughafen. Meine Maschine nach Paris geht in einer Stunde.

      »Hör zu, Stefan, nütze diese Stunde und überlege dir, wohin du gehörst«,

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