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die großen Glasscheiben sahen sie zu, wie Stefan zärtlich nach Darinkas Hand griff und sie liebevoll an seine Wange drückte.

      »Ich schätze, mit Ihrer Genesung wird es jetzt rapide bergauf gehen«, vermutete Dr. Scheibler, dann wandte er sich um. »Lassen wir die beiden allein – aber nur für ein paar Minuten. Bei aller Liebe und Sehnsucht sollte sich Darinka jetzt noch nicht zu sehr anstrengen.«

      *

      Darinka konnte noch nicht sprechen, weil sie nach wie vor künstlich beatmet wurde. Dr. Daniel und Dr. Parker wollten gerade in dieser Hinsicht kein Risiko eingehen. Ihre Augen sprachen allerdings Bände. Es war ein Blick so voller Traurigkeit und Schmerz, daß es Stefan ins Herz schnitt.

      »Darinka, ich… ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüsterte er. »Ich habe mich unmöglich benommen, aber… es tut mir unendlich leid.« Er zögerte, dann fügte er kaum hörbar hinzu: »Kannst du mir verzeihen?«

      Darinka blieb ihm die Antwort schuldig, und Stefan verstand. Sie konnte jetzt nicht einfach mit einem Nicken oder Kopfschütteln reagieren.

      »Ich liebe dich, Darinka«, gestand er. »Und ich…« Er stockte. Er sehnte sich so sehr nach einer Berührung von ihr, nach einer Geste, die gezeigt hätte, daß sie ihn auch noch liebte, aber nach allem, was er getan hatte, war es dafür wohl noch zu früh – oder etwa schon zu spät?

      »Darinka…«

      »So, Stefan, das reicht für den Augenblick.«

      Mit diesen Worten trat Dr. Scheibler hinein. Bittend sah Stefan ihn an.

      »Nur noch ein paar Minuten, Gerrit.«

      Doch der Oberarzt blieb hart. »Du wirst gehorchen, hast du gehört? Darinka braucht Ruhe, und so wie ich es sehe, könnten dir ein paar Stunden Schlaf auch nicht schaden. Also, raus mit dir.«

      Stefan zögerte einen Moment, dann beugte er sich über Darinka und küßte sie sanft auf die Wange.

      »Morgen komme ich wieder«, versprach er leise, dann folgte er Dr. Scheibler widerwillig nach draußen.

      »Du bist ein Tyrann, Gerrit«, knurrte er.

      Drohend hob Dr. Scheibler den Zeigefinger. »Paß auf, was du sagst.« Er schwieg kurz, aber als er schließlich weitersprach, klang seine Stimme eher besorgt als ärgerlich. »Fahr jetzt nach Hause, Stefan, und leg’ dich ins Bett.«

      »Könnte ich nicht hier schlafen? Ich meine… da wäre ich wenigstens in Darinkas Nähe…«

      Dr. Scheibler schüttelte den Kopf. »Du hast nur Angst vor den Vorwürfen, die dich von deinem Vater noch erwarten werden, aber davonlaufen nützt nichts. Auch wenn du ihm heute noch nicht unter die Augen treten mußt – für alle Zeiten wird es sich nicht vermeiden lassen.«

      Stefan seufzte. »Du hast recht. Also bringe ich es am besten gleich hinter mich.«

      Dr. Scheibler wartete, bis Stefan draußen war, dann trat er ans Telefon und wählte Dr. Daniels Nummer. Der Arzt meldete sich mit verschlafen klingender Stimme.

      »Robert, hier ist Gerrit«, gab sich der Oberarzt zu erkennen. »Tut mir leid, daß ich Sie aus den Federn gescheucht habe, aber Stefan ist auf dem Weg nach Hause, und ich glaube, er braucht dringend ein paar Streicheleinheiten. Jeff und ich haben ihn schon gehörig zur Brust genommen. Trösten Sie ihn ein bißchen, das hat er jetzt bitter nötig.«

      »Geht in Ordnung, Gerrit«, versprach Dr. Daniel. In diesem Moment hörte er bereits, wie unten die Haustür aufgesperrt wurde. Dann kam Stefan leise die Treppe herauf.

      Offensichtlich hatte er gehofft, sein Vater würde schlafen, denn er erschrak sichtlich, als er die Wohnung betrat, und sich Dr. Daniel gegenübersah.

      »Papa, ich…«, begann er unsicher, doch da nahm Dr. Daniel ihn einfach in die Arme.

      »Ist schon gut, mein Junge«, sagte er leise.

      Ein Zentnergewicht schien Stefan vom Herzen zu fallen. Nach den schrecklichen Erlebnissen der vergangenen Stunden tat es ihm unendlich gut, bei seinem Vater Trost und Wärme zu finden, und es schien Stefan, als hätte er ihn nie so dringend gebraucht wie in diesem Augenblick.

      »Danke, Papa«, flüsterte er.

      *

      Obwohl Sonntag war, fuhr Dr. Daniel am nächsten Morgen zur Waldsee-Klinik hinüber und traf dort mit Dr. Parker zusammen.

      »Ich war gerade bei Darinka«, erklärte dieser. »Ich glaube, wir können sie endlich von dem Tubus befreien, allerdings wollte ich das nicht ohne Ihre Einwilligung tun.«

      Dr. Daniel lächelte. »Soweit ich mich erinnere, sind Sie noch immer der Anästhesist hier.«

      Dr. Parker nickte. »Richtig, aber Sie sind der Arzt mit der größten Erfahrung.«

      »Das war jetzt aber ganz schön raffiniert«, stellte Dr. Daniel fest. »Damit wälzen Sie die Verantwortung nämlich auf mich ab.«

      Dr. Parker grinste. »Sie haben mich mal wieder durchschaut.« Dann wurde er ernst. »Spaß beiseite, Robert. Ich denke, wir sollten das gemeinsam entscheiden.«

      »Das habe ich schon ganz richtig verstanden«, stellte Dr. Daniel fest.

      Zusammen gingen sie zur Intensivstation, doch Dr. Daniel konnte die Diagnose des Anästhesisten nur bestätigen. Eine künstliche Beatmung war bei Darinka wirklich nicht mehr nötig.

      »Keine Angst, Mädchen«, erklärte Dr. Parker beruhigend. »Es ist überhaupt nicht schlimm, den Tubus herauszuholen. Du wirst jetzt tief einatmen und dann so tun, als müßtest du eine ganze Batterie von Kerzen ausblasen.«

      Darinka gehorchte, trotzdem mußte sie mächtig würgen und husten, als Dr. Parker den Tubus herauszog. Dr. Daniel stand aber schon bereit und legte ihr eine Sauerstoffmaske vor das Gesicht. Zuerst atmete Darinka ziemlich hektisch, wurde dann aber rasch ruhiger.

      »Stefan.«

      Nur ihr Mund formte den Namen.

      »Er schläft noch«, antwortete Dr. Daniel und lächelte Darinka an. »Aber sobald er wach ist, wird er sich bestimmt nicht davon abhalten lassen, unverzüglich zu dir zu kommen.«

      »Bis dahin kannst du sicher auch wieder normal sprechen«, fügte Dr. Parker hinzu, dann hob er den Zeigefinger. »Aber nicht überanstrengen, hast du verstanden?«

      Darinka konnte gerade noch nicken, bevor ihr die Augen zufielen.

      »Sie wird noch eine ganze Weile brauchen, bis sie sich wieder erholt hat«, vermutete Dr. Daniel, dann warf er einen Blick auf die Uhr. »Ich muß noch in die Gynäkologie hinüber, aber bevor ich nach Hause gehe, schaue ich noch einmal nach Darinka.«

      Als Dr. Daniel wenig später nach kurzem Anklopfen das Zimmer von Katharina Bertram betrat, blieb er sekundenlang erstaunt stehen, denn an ihrem Bett saß Andreas Korda. Die beiden jungen Leute hielten sich bei den Händen und vermittelten dabei den Eindruck, als wären sie seit langem ein Paar, dabei hatten sie sich doch erst vor wenigen Tagen kennengelernt.

      »Herr Doktor.« Auf Katharinas Gesicht zeigte sich ein Lächeln, das kaum noch von dem tragischen Verlust überschattet war, den sie erlitten hatte. »Wie schön, daß Sie sogar an einem Sonntag nach mir sehen.« Ihr zärtlicher Blick traf Andreas, bevor sie Dr. Daniel wieder anschaute und dabei auf einmal recht unsicher wirkte. »Es macht doch hoffentlich nichts, daß Andy schon am Vormittag hier ist.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Katharina, das ist wirklich kein Problem.« Er wandte sich Andreas zu. »Vielleicht könnten Sie uns für ein paar Minuten allein lassen.«

      Andreas erhob sich sofort. »Natürlich, Herr Doktor.«

      Dr. Daniel wartete, bis er draußen war, dann sah er Katharina an, und erst in diesem Moment fiel ihr der ungewöhnlich ernste Gesichtsausdruck des Arztes auf.

      »Ist etwas passiert?« fragte sie besorgt.

      »Noch

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