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mußte Dr. Daniel daran denken, daß Darinka ja schon damals als Fünfzehnjährige in Stefan verliebt verwesen war. Es war seinerzeit eine harmlose Jungmädchenschwärmerei gewesen, doch dann… wie glücklich war sie gewesen, als sich ihr Traum schließlich erfüllt hatte… und wie sehr hatte Stefan dieses bezaubernde Mädchen geliebt. Sogar mit dem Gedanken an eine Hochzeit hatte er gespielt, dabei war Darinka doch gerade mal achtzehn. Und jetzt… eine einzige Frau – zugegeben, eine berückend schöne Frau – hatte ihn Darinka sofort vergessen lassen.

      »Hör zu, Darinka, ich möchte, daß du jetzt nach Hause gehst«, meinte Dr. Daniel. »Leg dich ins Bett und…«

      Heftig schüttelte sie den Kopf. »Bitte nicht, Herr Doktor, bitte, schicken Sie mich nicht weg von hier. Die Arbeit ist das einzige, was mir noch geblieben ist. Zu Hause… da werde ich vor lauter Sehnsucht noch verrückt.«

      »Wenn du meinst«, gab Dr. Daniel nach. »Aber dann solltest du…« Er stockte, als sich Darinka plötzlich auf dem Sessel zusammenkrümmte. Mit einem Schritt war er bei ihr und ging vor ihr in die Hocke. Darinka würgte, doch ihr Magen schien leer zu sein.

      »Darinka, um Himmels willen…«, begann Dr. Daniel, doch da war der Spuk schon vorüber. Das junge Mädchen war noch sehr blaß, doch sie schaffte es wieder, sich aufzusetzen, und nur die eine Hand, die sie auf ihrem Bauch ließ, zeugte davon, daß sie noch immer Schmerzen haben mußte – allerdings nicht mehr so unerträglich wie zuvor.

      »Hattest du das schon öfter?« wollte Dr. Daniel wissen.

      Darinka schüttelte den Kopf, konnte den Arzt dabei aber nicht ansehen.

      »Das glaube ich dir nicht«, stellte Dr. Daniel fest, dann stand er auf. »Meines Erachtens hat das nichts mit deinem Liebeskummer zu tun. Also komm, mein Kind, wir werden dieser Sache jetzt gleich auf den Grund gehen.«

      Flehend sah Darinka zu ihm auf.»Bitte, Herr Doktor, es ist nichts. Ich habe vielleicht nur etwas Falsches gegessen.«

      »Ist dir denn schlecht?« hakte Dr. Daniel sofort nach.

      Sie nickte. »Ein bißchen.«

      »Bauchschmerzen? Durchfall?« bohrte Dr. Daniel weiter.

      »Durchfall nicht«, antwortete Darinka. »Und diese Bauchschmerzen, sie sind mal schlimmer, mal nicht so schlimm.«

      »Wenn sie stärker werden, mußt du dich übergeben«, vermutete Dr. Daniel.

      Darinka zögerte, dann nickte sie.

      »Dieser Zustand hat nichts mit dem Essen zu tun«, erklärte der Arzt, dann fügte er hinzu: »Du kommst jetzt mit und läßt dich untersuchen.«

      Ergeben folgte Darinka ihm in den Nebenraum, machte sich auf Dr. Daniels Anweisung hin frei und legte sich auf die Untersuchungsliege.

      »Schwester Alexandra, nehmen Sie Darinka bitte Blut ab, und geben Sie die Probe dem Oberarzt«, ordnete Dr. Daniel an. »Er soll sie nach Möglichkeit sofort auswerten.«

      »In Ordnung, Herr Doktor«, stimmte Alexandra Keller zu und beeilte sich, Dr. Daniels Anweisung nachzukommen.

      Als sie fertig war und das

      Untersuchungszimmer verlassen hatte, trat Dr. Daniel zu der Liege und tastete gewissenhaft Da-rinkas Bauchdecke ab. Dabei bemerkte er, wie das junge Mäd-chen die Lippen zusammenpreßte, um nur ja nicht aufzustöhnen.

      »Tut das so weh?« fragte er.

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Es ist nichts, Herr Doktor«, behauptete sie wieder. »Wahrscheinlich hat sich nur der Kummer auf den Magen gelegt.«

      Daran glaubte Dr. Daniel allerdings längst nicht mehr.

      »Du wirst jetzt deine Beine anwinkeln und dann ganz locker ein wenig auseinanderfallen lassen«, erklärte er. »Eine gynäkologische Untersuchung ist hier zwar nicht ganz einfach, aber es wird schon gehen. Notfalls muß ich dich in den anderen Teil der Klinik hinüberbringen.« Doch aus irgendeinem Grund wollte er keine Zeit mehr verlieren.

      Der Tastbefund war eindeutig. Am rechten Eierstock schien sich eine Geschwulst gebildet zu haben, die ganz beträchtliche Ausmaße aufwies. Trotzdem war Dr. Daniel überzeugt, daß das noch nicht die einzige Ursache für Darinkas Beschwerden war.

      »Robert, die Auswertung der Blutprobe.« Mit diesen Worten trat Dr. Scheibler in den Untersuchungsraum, dann reichte er Dr. Daniel den Zettel mit den von ihm ermittelten Werten.

      Dr. Daniel studierte sie genau, dann nickte er. »Das Ergebnis spricht für eine Entzündung.«

      »Dieser Meinung bin ich auch«, stimmte Dr. Scheibler zu. Aufmerksam sah er Dr. Daniel an. »Haben Sie einen bestimmten Verdacht?«

      »Am rechten Eierstock scheint sich eine Geschwulst gebildet zu haben, möglicherweise eine Zyste«, antwortete Dr. Daniel, dann trat er wieder zu der Untersuchungsliege. »Helfen Sie mir, Gerrit. Halten Sie ihre Beine so, daß ich eine rektale Untersuchung vornehmen kann. Ich möchte sie deswegen nicht extra in die Gynäkologie hinüberschaffen, ihr aber wegen der Bauchschmerzen auch nicht zumuten, in einer Knie-Ellenbogen-Lage da oben auszuharren.«

      Dr. Scheibler nickte, dann griff er zu. Darinka begann leise zu jammern.

      »Es ist gleich vorbei, mein Kind«, versprach Dr. Daniel.

      Das junge Mädchen schrie auf, als es den Druck fühlte, der zunehmend schmerzhafter wurde.

      »Ist ja schon gut«, meinte Dr. Daniel beruhigend. »Jetzt tue ich dir nicht mehr weh.« Während er noch tröstend Darinkas Hand hielt, wandte er sich dem Oberarzt zu. »Ich würde sagen, sie muß noch innerhalb der nächsten Stunde auf den Tisch. Das sieht nach einer akuten Blinddarmentzündung aus, möglicherweise sind zusätzlich die Eileiter und Eierstöcke entzündet. Sie hat den Untersuchungsschmerz sofort verspürt, und das deutete auf eine Adnexitis hin.«

      Dr. Scheibler nickte zustimmend. »Ich alarmiere das Team.«

      Eilig verließ er das Untersuchungszimmer, und Dr. Daniel wandte sich Darinka zu.

      »In deinem Bauch ist eine ganze Menge in Unordnung geraten«, erklärte er und hielt dabei immer noch ihre Hand. »Dr. Metzler, Dr. Scheibler und ich werden dich operieren.«

      Darinka erschrak.

      »Nein«, stammelte sie. »Nein… bitte nicht…«

      Sehr sanft streichelte Dr. Daniel über ihr langes, schwarzes Haar. »Hab’ keine Angst, mein Kind.« Er lächelte sie an, obwohl ihm im Moment gar nicht danach zumute war. Er wußte genau, daß es eine lange und schwierige Operation werden würde. »Du hast doch Vertrauen zu mir, nicht wahr?«

      Darinka nickte ohne Zögern.

      »Na, siehst du.« Wieder lächelte Dr. Daniel sie an. »Ich bringe dich jetzt in einen anderen Raum. Dort wird sich Dr. Parker um dich kümmern. Du wirst ein wenig schlafen, und wenn du wieder aufwachst, ist schon alles vorbei.«

      »Oma und Opa«, flüsterte Darinka. »Sie müssen doch wissen…«

      »Keine Sorge, ich rufe deine Oma an«, versprach Dr. Daniel, der die Verhältnisse des jungen Mädchens bestens kannte. Schon als Fünfjährige war Darinka durch einen tragischen Unfall Vollwaise geworden und hatte von da an bei ihren Großeltern gelebt.

      Die OP-Schwester Petra Dölling kam mit einer fahrbaren Trage herein, auf die Darinka nun gelegt wurde. Petra schob die Trage hinaus, und Dr. Daniel wußte, daß seine Anwesenheit eigentlich nicht mehr nötig gewesen wäre, doch er wollte sein Versprechen halten und begleitete sie bis zum Operationssaal. Hier wartete bereits der Anästhesist Dr. Jeffrey Parker. Freundlich lächelte er das junge Mädchen an.

      »Herr Dr. Parker«, flüsterte Darinka. »Ich… ich habe Angst.«

      »Mußt du nicht haben, Mädchen«, entgegnete er beruhigend. »Ich muß dich jetzt ein bißchen in die Hand pieksen.« Er griff nach Darinkas Hand und setzte die Nadel an einer Vene knapp hinter dem Handgelenk an. »Nicht erschrecken,

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