Скачать книгу

verweinten Augen blickte Darinka auf. »Es ist nicht harmlos, das spüre ich… es ist ganz bestimmt nicht harmlos.«

      »Heißt das… er hat noch kein Wort darüber verloren?«

      Darinka schüttelte den Kopf. »Das muß er auch gar nicht. Sein Verhalten sagt mir mehr als jedes Wort.«

      »Was ist hier los? Habt ihr denn nichts zu tun?«

      Bianca blickte auf und direkt in Stefan Daniels ernstes Gesicht hinein, während Darinka beim Klang seiner Stimme heftig zusammengezuckt war und sich jetzt mühsam aufrappelte. Vergeblich versuchte sie, ihre Tränen wegzuwischen.

      Bianca murmelte ein paar Worte, dann ließ sie Stefan und Darinka allein. Vielleicht ergab sich ja auf diese Weise ein klärendes Gespräch zwischen den beiden.

      Doch im Augenblick standen sie sich nur stumm gegenüber, und Darinka war sich wieder einmal des großen Altersunterschieds bewußt, der zwischen ihr und Stefan bestand. Acht Jahre waren eine ganze Menge. Stefan hatte zwar einmal gesagt, es würde ihn nicht im geringsten stören, aber nun war diese Französin aufgetaucht… eine reife, erfahrene Frau, und anscheinend war ihm dadurch bewußt geworden, welch ein Kind Darinka mit ihren achtzehn Jahren noch war.

      »Ab morgen arbeite ich in München.«

      Stefans Worte und seine Stimme klangen seltsam unbeteiligt.

      Darinka, die bis jetzt beharrlich auf den Boden geblickt hatte, hob langsam den Kopf. Sie wußte, daß in ihren Augen noch immer Tränen standen, aber warum sollte Stefan nicht wissen, wie es um sie stand… wie sehr sie unter seiner plötzlichen Kälte und Lieblosigkeit litt… und auch unter seinem Betrug.

      »Ich nehme an… es ist ein Abschied für immer.«

      Ihre Stimme klang heiser und unsicher.

      Stefan schwieg, während Da-rinka in seinen Augen verzweifelt nach einem winzigen Zeichen von Liebe suchte.

      »Ich kann es dir nicht erklären, Darinka«, sagte er endlich. »Ich verstehe mich ja selbst kaum. Ich weiß nur, daß ich nicht mehr so weiterleben kann wie bisher. Chantal hat etwas in mir geweckt…« Er konnte Darinkas bekümmertem Blick nicht länger standhalten und senkte den Kopf. »Es tut mir leid.«

      »Stefan«, stammelte sie leise. Sie versuchte ihn zu erreichen… mit ihrer Stimme… mit ihrer Liebe, doch er schien meilenwert entfernt, obwohl sie doch nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um ihn berühren zu können.

      »Es tut mir leid«, flüsterte er noch einmal, dann drehte er sich abrupt um und ging mit langen Schritten den Flur entlang. Als er vor dem Zimmer 12 sekundenlang verharrte und schließlich eintrat, hätte Darinka vor Qual aufschreien mögen.

      Wieder preßte sie die Hände auf ihren Bauch, stöhnte unter den Schmerzen, die in ihr tobten, und sank dann schließlich kraftlos auf die Knie. Sie fühlte Übelkeit aufsteigen und würgte, doch ihr Magen war leer, weil sie sich heute schon zweimal hatte übergeben müssen.

      »Hey, Mädchen, was ist denn los?«

      Durch den Schleier ihrer Tränen sah Darinka, wie Dr. Jeffrey Parker neben ihr niederkniete. Dann nahm er sie kurzerhand auf die Arme und trug sie ins Untersuchungszimmer.

      »Es ist nichts, Herr Doktor«, brachte Darinka mühsam hervor und kletterte von der Untersuchungsliege, auf die Dr. Parker sie gelegt hatte. »Es ist… es ist wirklich nichts.« Nahezu fluchtartig verließ sie den Raum. Ratlos sah ihr der junge Anästhesist nach.

      »Akuter Liebeskummer«, erläuterte Bianca, die den Vorfall mitbekommen hatte. »Der junge Dr. Daniel hat sie offenbar sitzenlassen.«

      Ärgerlich schüttelte Dr. Parker den Kopf. Natürlich hatte auch er schon bemerkt, wie intensiv sich Stefan um Chantal Ferraut kümmerte, doch er hatte dem keine so tiefe Bedeutung beigemessen. Irgendwie hatte er gedacht, Stefans Liebe zu Darinka wäre bereits zu tief, als daß sie wirklich in Gefahr zu zerbrechen geraten könnte.

      »Ich schätze, ich muß dem guten Stefan mal ordentlich die Leviten lesen«, beschloß Dr. Parker, und dazu hatte er dann auch noch am selben Vormittag Gelegenheit, weil Stefan eine Operation von Dr. Scheibler übernehmen mußte, für die Dr. Parker als Anästhesist eingeteilt war.

      »Es geht mich wirklich nichts an, Stefan, aber was du mit Da-rinka machst, finde ich nicht richtig«, erklärte Dr. Parker rundheraus.

      »Du hast recht, Jeff, es geht dich wirklich nichts an«, erwiderte Stefan unwirsch. »Ich mische mich ja auch nicht in deine Angelegenheiten ein.«

      »Das würdest du aber schnell tun, wenn ich mich Karina gegenüber so verhalten würde, wie du es mit Darinka machst.«

      »Ja, weil Karina meine Schwester ist«, entgegnete Stefan. »Aber ich kann mich nicht erinnern, daß du mit Darinka in irgendeiner Weise verwandt wärst.«

      »Das ist auch gar nicht der Punkt…«, begann Dr. Parker, doch Stefan fiel ihm ins Wort.«

      »Hör zu, Jeff, laß mich bitte damit in Ruhe! Das alles geht dich nichts an, ich lasse mir von dir kein schlechtes Gewissen einreden.«

      Dr. Parker betrachtete ihn aufmerksam. »Das hast du sowieso schon. Du weißt nämlich im Grunde genau, wie schäbig du dich verhältst. Kannst du überhaupt noch in einen Spiegel sehen, ohne daß du…«

      Stefan machte einen wütenden Schritt nach vorn. Es sah aus, als wollte er auf Dr. Parker losgehen, doch dessen eisiger Blick nagelte ihn förmlich fest.

      »Überleg’ dir das sehr gut, mein Freund«, meinte er. »An mir beißt du dir die Zähne aus, das versichere ich dir.«

      Stefan bebte vor Zorn – zum einen, weil er wußte, daß er gegen den Karatekämpfer Dr. Parker nicht die geringste Chance hatte, zum anderen, weil der junge Anästhesist ja vollkommen recht hatte. Stefan verhielt sich schäbig… wahrscheinlich sogar noch viel mehr als das, aber seine Liebe zu Chantal hatte ihm nicht nur das Gehirn völlig vernebelt – sie füllte ihn so sehr aus, daß er es nicht einmal mehr schaffte, sich um andere Menschen noch wirkliche Gedanken zu machen. Chantal Ferraut war im Augenblick der Punkt, um den sich Stefans ganzes Leben drehte, und er konnte sich nicht vorstellen, daß das jemals wieder anders sein könnte.

      *

      Norbert Krämer bereitete seinen Rachefeldzug gegen Dr. Daniel bis ins kleinste Detail vor. Natürlich hätte ihm gar nichts besseres passieren können, als daß Katharina ihr Baby verloren hatte – unter welchen Umständen auch immer. Darüber hinaus war er vollkommen sicher, daß alles, was Katharina gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Das Baby war tot gewesen, Dr. Daniel hatte ihr durch den Eingriff vermutlich wirklich das Leben gerettet, doch Norbert hatte jetzt die Chance, dem verhaßten Arzt etwas auszuwischen. Schließlich war er derjenige gewesen, der beinahe Norberts Leben zerstört hätte, nur weil er sich geweigert hatte, Katharinas Baby abzutreiben. Dabei vergaß Norbert allerdings, daß Dr. Daniel von seinem Abtreibungswunsch gar nichts gewußt hatte, weil ein solcher Schritt für Katharina überhaupt nicht zur Debatte gestanden hatte – ganz im Gegenteil: Sie hatte sich von Anfang an auf ihr Baby gefreut.

      Nun war Norberts unbegründeter Haß auf Dr. Daniel aber nicht seine einzige Triebfeder. Mit dieser ganzen Kampagne, die er hier startete, hoffte er auf die Chance zu seiner Titelstory, auf die er schon seit so vielen Jahren wartete, und zumindest dafür hätte er so ungefähr alles getan.

      Zufrieden betrachtete Norbert seine Vorbereitungen, die Dr. Daniels Karriere beenden und seine eigene weit nach oben befördern sollten. Alles war perfekt organisiert. Jetzt mußte der Stein nur noch ins Rollen gebracht werden…

      *

      Andreas Korda verstand sich selbst nicht mehr. Er schaffte es einfach nicht, das Bild der verletzten jungen Frau aus seinem Kopf zu verdrängen, und der Gedanke, was mit ihr nach dem schweren Sturz auf der vereisten Straße geschehen sein mochte, ließ ihm ebenfalls keine Ruhe.

      So fand er sich am nächsten Sonntag vor der Waldsee-Klinik wieder, ohne recht zu wissen, was er hier eigentlich wollte. Au-ßer dem Vornamen der jungen Frau,

Скачать книгу