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in der Nähe haben«, meinte Amelie Hauser, die nach dem Anruf sofort wieder herausgekommen war. Schließlich war sie schon von Berufs wegen ein bißchen neugierig. Einen solchen Unfall, direkt vor ihrem Laden, durfte sie sich da natürlich nicht entgehen lassen.

      »Ist Ihnen Katharina ins Auto gelaufen?« wollte sie jetzt wissen.

      Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Nein.« Er schwieg kurz. »Sie muß ausgerutscht sein.«

      Amelie Hauser nickte. »Ja, ja, nach dem gestrigen Eisregen nützt nicht einmal das Streuen etwas. Eigentlich sollte man heute gar nicht auf die Straße gehen, noch dazu, wenn man schwanger ist. Was da alles passieren kann…«

      Der junge Mann hörte nicht weiter zu. Sein Blick ging in die Richtung, in die der Krankenwagen verschwunden war.

      »Sie sind wohl nicht aus Steinhausen«, drang Amelies Stimme plötzlich wieder an sein Ohr.

      »Doch«, antwortete er. »Aber ich wohne noch nicht lange hier.«

      »Trotzdem wußten Sie von der Waldsee-Klinik«, fiel es Amelie wieder ein. »Waren Sie schon mal dort?«

      Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Nein, aber wenn ich zur Arbeit fahre, sehe ich immer den Wegweiser.« Dann verabschiedete er sich so rasch von Amelie, daß sie nichts mehr fragen konnte, und stieg in sein Auto.

      Amelie grummelte etwas Unverständliches. Sie hätte doch noch so viel wissen wollen! Mit einem tiefen Seufzer schüttelte sie den Kopf, dann kehrte sie mißmutig in ihren Laden zurück. Bei den heutigen Straßenverhältnissen würden sich wohl nicht viele Kunden zu ihr verirren. Die Chancen für einen ausgiebigen Plausch waren daher sehr gering, was die gute Amelie sichtlich verdroß.

      *

      Währenddessen war Katharina Bertram in die Notaufnahme der Waldsee-Klinik gebracht worden, und der Chefarzt Dr. Wolfgang Metzler kümmerte sich persönlich um sie.

      »Da haben sie sich aber eine böse Platzwunde zugezogen«, meinte er, als er Katharinas Kopf untersucht hatte. »Ansonsten hatten Sie sogar noch Glück. Bei den herrschenden Straßenverhältnissen hätten Sie sich alle Knochen brechen können.«

      »Ich weiß«, flüsterte Katharina. Sie fühlte sich schwach und schwindlig, aber das kam vermutlich von der Kopfverletzung. »Ich wollte zu Dr. Daniel.«

      »Kein Problem«, meinte Dr. Metzler. »Ich rufe nachher gleich in seiner Praxis an, damit er her-überkommt, wenn seine Sprechstunde zu Ende ist. In der Zwischenzeit werde ich Ihre Wunde nähen.«

      »Muß das sein?« fragte Katharina zaghaft.

      Dr. Metzler nickte. »So leid es mir tut, das läßt sich nicht umgehen. Ich verspreche Ihnen, daß ich sehr vorsichtig sein werde. Der Ehrlichkeit halber muß ich aber gestehen, daß es trotzdem ein bißchen weh tun wird.«

      »Brauchen Sie mich, Herr Chefarzt?« fragte die Oberschwester Lena Kaufmann in diesem Moment.

      »Im Augenblick nicht, Oberschwester«, entgegnete der Chefarzt. »Sie könnten bei Dr. Daniel anrufen und ihm sagen, daß ich eine Patientin hierhabe, die ihn sprechen möchte. Außerdem könnten Sie mir Frau Dr. Reintaler herüberschicken.« Er wandte sich Katharina zu. »Dr. Reintaler ist die Gynäkologin hier in der Klinik. Sie wird nur eine Untersuchung vornehmen, damit wir sicher sein können, daß Ihrem Baby bei dem Sturz nichts passiert ist.«

      In Katharinas Gesicht stand

      eine ganz deutliche Abwehr. »Kann das nicht auch Dr. Daniel machen?«

      »Bis er in die Klinik kommt, werden sicher noch ein, zwei Stunden vergehen«, erwiderte Dr. Metzler. »Im übrigen ist Frau Dr. Reintaler eine sehr rücksichtsvolle Ärztin.«

      Katharina nickte nur, dann legte sie sich auf die Seite, damit Dr. Metzler die Wunde an ihrem Hinterkopf nähen konnte, doch bereits der erste Stich ließ sie bewußtlos werden.

      »Das ist doch…«, murmelte Dr. Metzler kopfschüttelnd, dann kontrollierte er Puls und Blutdruck. »Irgend etwas stimmt da nicht.«

      »Was ist los, Wolfgang?«

      Der Chefarzt blickte nur kurz zurück. »Alena, gut, daß Sie da sind. Die junge Frau ist schwanger, dreiundzwanzigste Schwangerschaftswoche. Sie ist auf der vereisten Straße gestürzt, und als ich jetzt ihre Kopfwunde nähen wollte, ist sie mir plötzlich weggekippt. Der Kreislauf ist ziemlich labil, was Mitursache des Sturzes gewesen sein könnte. Möglicherweise liegt der Grund dafür in der Schwangerschaft.«

      Alena Reintaler nickte, dann drehte sie Katharina mit Hilfe des Chefarztes auf den Rücken und legte ihre Beine in spezielle Bügel. Vorsichtig streifte sie Katharinas Slip über die Oberschenkel, dann zog sie sich Plastikhandschuhe an und nahm eine erste Untersuchung vor.

      »Der Muttermund ist fest geschlossen«, stellte sie fest.

      »Keine Anzeichen für eine drohende Fehlgeburt, auch keine Blutungen, die den Kreislauf schwächen könnten.«

      In diesem Moment bewegte sich Katharina, dann schlug sie die Augen auf.

      »Was ist… passiert?« stammelte sie.

      »Sie waren für einen Moment bewußtlos«, antwortete Dr. Metzler sichtlich besorgt. »Hatten So so etwas während Ihrer Schwangerschaft schon öfter?«

      Katharina nickte schwach. »Seit zwei Wochen fühle ich mich nicht besonders wohl. Ich hätte eigentlich längst zu Dr. Daniel gehen sollen, aber Norbert… er…« Sie verdrehte die Augen, dann kippte ihr Kopf wieder zur Seite.

      »Da stimmt etwas nicht«, wiederholte Dr. Metzler mit Nachdruck. »Ich brauche Robert, aber sofort.«

      Alena nickte, eilte aus der Notaufnahme ins Ärztezimmer. Dort nahm sie den Telefonhörer ab und wählte hastig die Nummer. In der Praxis von Dr. Daniel ging wie immer die junge Empfangsdame Gabi Meindl an den Apparat. Alena hielt sich nicht lange mit irgendwelchen Vorreden auf.

      »Schicken Sie Dr. Daniel sofort in die Waldsee-Klinik«, bat sie. »Es ist dringend.«

      Gabi Meindl seufzte.

      »Dringend«, knurrte sie. »Immer ist alles dringend. Nur bei uns, da darf nichts dringend sein.« Sie drückte auf einen Knopf der Gegensprechanlage.

      »Ja, was ist?« erklang gleich darauf Dr. Daniels angenehm tiefe Stimme.

      »Die Waldsee-Klinik verlangt dringend nach Ihnen«, erklärte Gabi. »Ich weiß leider nicht, worum es geht.«

      »Schon gut, Fräulein Meindl, ich fahre sofort hinüber. Ohne Grund werde ich ja nie dorthin gerufen.«

      Wenige Sekunden später verließ Dr. Daniel im Laufschritt die Praxis, stieg in sein Auto und war kaum fünf Minuten später in der Klinik angelangt.

      »Robert, Gott sei Dank«, stieß Dr. Metzler hervor. »Wir haben eine Patientin von dir, Katharina Bertram. Sie kam aufgrund eines Sturzes hierher, aber in der Zwischenzeit ist sie mir schon zweimal weggekippt, ohne daß ich den Grund dafür finden konnte. Der Kreislauf ist ein wenig labil, vielleicht aufgrund der Schwangerschaft, aber sonst konnte ich nichts feststellen. Alena hat sie untersucht, doch auch da ergaben sich keine Auffälligkeiten, außer, daß das Kind wohl ein bißchen klein ist.«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Wie bitte?« Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht möglich. Das Baby hat sich vollkommen normal entwickelt.«

      Inzwischen hatten sie die Notaufnahme erreicht und konnten feststellen, daß Katharina schon wieder ohnmächtig geworden war. Rasch streifte sich Dr. Daniel Plastikhandschuhe über und untersuchte die junge Frau.

      »Ultraschall«, ordnete er an, während er schon das spezielle Gel auf Katharinas Bauch verteilte, dann ließ er den Schallkopf darübergleiten.

      »O mein Gott«, stöhnte Dr. Daniel leise. »Das Baby ist tot.«

      »Bist du sicher?« fragte Dr. Metzler und betrachtete das Ultraschallbild.

      »Es bewegt sich nicht, und eine Herztätigkeit ist auch nicht nachweisbar«,

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