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vor ihr.

      »Ihr Baby ist tot«, hatte Dr. Daniel gesagt.

      Tot. Schmerzhaft hämmerte dieses eine Wort in ihrem Kopf. Er hatte ein totes Baby aus ihr herausgeholt. Er hatte es getan, um sie zu retten, doch das konnte Katharina nicht trösten. Ohne das Baby schien ihr Leben plötzlich allen Sinn verloren zu haben.

      »Katharina, Sie sind ja wach.«

      Langsam wandte sie ihren Kopf Dr. Daniel zu, der die Intensivstation betreten hatte.

      »Ich habe Bauchschmerzen, Herr Doktor«, flüsterte sie, aber Dr. Daniel spürte, daß das für sie nur von nebensächlicher Bedeutung war. Der wirkliche Schmerz lag nicht im Bauch, sondern ein ganzes Stück höher – in ihrem Herzen.

      Spontan setzte sich Dr. Daniel zu ihr und griff nach ihrer Hand. »Die Bauchschmerzen kommen von dem gestrigen Eingriff und von den Kontraktionen der Gebärmutter, die sich jetzt wieder zurückbilden muß. In ein paar Tagen wird das vorbei sein.« Besorgt sah er sie an. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll, Katharina. Worte des Trostes sind hier wohl fehl am Platze. Für den Verlust, den Sie erlitten haben, gibt es keinen Trost, aber die Zeit wird es bessermachen.«

      Katharina nickte, dann richtete sie ihren Blick voller Angst auf Dr. Daniel. »Wird es bei mir immer so sein?«

      Der Arzt wußte genau, was sie meinte, und schüttelte den Kopf. »Ihre nächste Schwangerschaft kann ganz normal verlaufen.«

      »Kann?« wiederholte sie fragend. »Ich muß also damit rechnen, daß… daß es noch einmal passiert?«

      »Machen Sie sich darüber bitte keine Gedanken, Katharina. Sie sollten mit einer zweiten Schwangerschaft ohnehin warten, bis Sie dieses schreckliche Erlebnis einigermaßen verarbeitet haben.« Er holte einen Zettel hervor. »Ich habe hier die Adresse einer Selbsthilfegruppe. Das sind junge Frauen, die Fehlgeburten, Totgeburten oder ähnlich Schlimmes hinter sich haben und nun im gemeinsamen Gespräch Hilfe… manchmal auch nur Erleichterung suchen.«

      »Danke«, flüsterte Katharina, starrte den Zettel an, dachte dabei aber an etwas völlig anderes. »Was wäre es gewesen?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß es gut für Sie ist, wenn…«

      »Bitte, Herr Doktor«, fiel Ka-tharina ihm ins Wort. »Ich muß es wissen. Ich trauere um mein Kind, da kann ich es nicht als Sache sehen. Ich möchte ihm einen Namen geben… ich möchte…« Sie schluchzte auf. »Bitte, sagen Sie es mir.«

      Dr. Daniel zögerte noch einen Moment, dann gestand er leise: »Es wäre ein kleines Mädchen gewesen.«

      »Ein Mädchen.« Die Worte kamen nahezu tonlos, während ihr Herz vor Qual aufzuschreien schien. Wieder suchte sie Dr. Daniels Blick. »Werden Sie herausfinden, woran es gestorben ist? Ob… ob ich vielleicht einen Fehler gemacht habe?«

      »Das haben Sie ganz sicher nicht«, entgegnete Dr. Daniel entschieden. »Die Ursachen, die zu derartigen… Todesfällen führen, sind sehr vielfältig, aber natürlich versuchen wir immer, sie herauszufinden – schon aus dem Grund, damit möglichst wenige werdende Mütter das durchmachen müssen, was Sie jetzt durchleiden.«

      Impulsiv drückte Katharina seine Hand. »Herr Doktor, ohne Sie… Ihren Beistand… ich wüßte nicht, wie ich es durchstehen würde. Gestern… als ich von der Narkose noch völlig erschöpft war… gleichgültig, wann ich die Augen auch öffnete, Sie waren immer bei mir. Und auch heute… das erste, was Oberschwester Lena mir sagte, war, daß Sie jederzeit für mich dasein würden, wenn ich das Bedürfnis hätte, mit Ihnen zu sprechen.«

      Dr. Daniel nickte. »Sie sagte Ihnen das auf meine Anweisung hin, und es war vollkommen ernst gemeint. Ich werde auch in Zukunft immer für Sie dasein, wenn Sie mich brauchen. Sie hatten eines der schrecklichsten Erlebnisse, die eine Frau überhaupt haben kann, und das einzige, was ich tun kann, um Ihnen zu helfen, ist, für Sie dazusein und…«

      »Das ist auch Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit!« fiel Norbert Krämer ihm in diesem Moment ins Wort. Seine Stimme klang hart und scharf. »Immerhin waren Sie es, der das Baby meiner Freundin getötet hat.«

      Dr. Daniel fuhr herum und sah den ungehobelten jungen Mann ärgerlich an. »Erstens ist es Ihnen untersagt, ohne Erlaubnis die Intensivstation zu betreten, und zweitens – wie kommen Sie dazu, derartige infame Behauptungen aufzustellen?«

      Norbert zeigte ein überhebliches Lächeln. »Ich habe mich umgehört, Herr Doktor.« Die letzten beiden Worte waren vol-ler Sarkasmus. Er wollte damit offenbar deutlich machen, wie wenig er von Dr. Daniels ärztlichen Fähigkeiten hielt.

      Allerdings konnte er den Arzt damit nicht aus der Ruhe bringen.

      »Sie unterliegen einem großen Irrtum, Herr Krämer. Ich darf und will mich mit Ihnen über diese Angelegenheit nicht unterhalten…«

      »Hast du gehört, Liebes«, wandte sich Norbert demonstrativ an seine Freundin. »Der Tod deines Babys ist für ihn nur eine Angelegenheit.«

      »Hör auf, Norbert«, bat Ka-tharina leise. »Das alles ist schlimm genug für mich. Mach du mir jetzt nicht auch noch Kummer.« Sie schwieg kurz. »Das Baby war tot. Dr. Daniel hat mein Leben gerettet…«

      »Wie edel von ihm.« Wieder dieser beißende Sarkasmus, dann sah Norbert seine Freundin eindringlich an. »Und wenn sich die Sache nun ganz anders verhalten hätte? Wenn das Baby noch gelebt hätte und Dr. Daniel es durch seinen überstürzten Eingriff erst getötet hätte?«

      Doch Katharina ließ sich nicht beirren. »Ich habe es in den Tagen zuvor schon nicht mehr gespürt… es hat sich nicht bewegt. Im übrigen würde Dr. Daniel ein solcher Fehler niemals unterlaufen.«

      »Das wird noch herauszufinden sein«, meinte Norbert und sah Dr. Daniel dabei provozierend an.

      »Verlassen Sie sofort die Intensivstation«, verlangte der Arzt energisch. »Und am besten auch die Klinik. Ihre bösartigen Unterstellungen entbehren jeder Grundlage, aber das wird ein Journalist wie Sie wohl auch noch herausfinden. Nun gehen Sie bitte.«

      Norbert machte auf dem Absatz kehrt, doch er sah noch einmal zu Katharina zurück.

      »Keine Sorge, Liebes, ich werde diesen Skandal aufdecken«, versprach er. »Dr. Daniel wird mit Sicherheit das letzte Mal so an einer Frau herumgepfuscht haben.«

      *

      Zusammengekrümmt lehnte die junge Frau Krankenpflegehelferin Darinka Stöber an der Wand und preßte beide Hände auf ihren Bauch, während Tränen über ihr zartes, madonnenhaftes Gesicht liefen.

      »Darinka! Um Himmels willen, was ist denn los?« fragte die Stationsschwester der Gynäkologie, Bianca Behrens, besorgt. Sie und Darinka waren in den vergangenen Monaten zu dicken Freundinnen geworden und teilten sich seit einiger Zeit hier in Steinhausen sogar eine Wohnung.

      »Nichts«, brachte Darinka mühsam hervor. »Es ist…« Schluchzend glitt sie an der Wand nach unten, bis sie mit angezogenen Knien auf dem Boden saß. Sie schlang beide Arme um ihre Beine und preßte das Gesicht hinein. »Es tut so weh, Bianca.«

      Die junge Krankenschwester hatte Mühe, die gemurmelten Worte zu verstehen. Jetzt legte sie einen Arm um Darinkas bebende Schultern und drückte sie freundschaftlich an sich.

      »Soll ich Dr. Metzler rufen?« fragte sie. »Oder Dr. Daniel?«

      Heftig schüttelte Darinka den Kopf. »Ich bin nicht krank.«

      Im selben Moment begriff Bianca. Es war also kein haltloses Gerücht, daß sich zwischen der rassigen Französin von Nummer 12 und Stefan Daniel etwas angebahnt hatte. Bianca hatte bis gestern Urlaub gehabt, aber nach allem, was ihre Kollegin Alexandra Keller heute früh erzählt hatte, mußte es zwischen dieser Chantal Ferraut und dem jungen Dr. Daniel schwer gefunkt haben. Angeblich war die junge Französin vor zwei Tagen operiert worden, und seitdem sollte Stefan Daniel kaum noch von ihrer Seite gewichen sein. Heute hatte zumindest Bianca ihn noch nicht gesehen, also lag die Vermutung nahe, daß er auch jetzt bei seiner neuen Flamme saß.

      »Vielleicht

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