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gewöhnt, daß sich ausschließlich erstklassige Fachärzte um mich kümmern«, fuhr Chantal fort. »Aus diesem Grund sagt mir der hotel-eigene Arzt selbstverständlich nicht zu.«

      Charlotte nickte verständnisvoll. »Dr. Brunner ist Allgemeinmediziner, der eigentlich nur herangezogen wird, wenn Hotelgäste unpäßlich sind. Eine Kapazität, wie sie Ihnen gebührt, ist er sicher nicht.« Sie überlegte. »Hier in der Nähe praktizierte vor ein paar Jahren ein sehr guter Gynäkologe, aber soviel ich weiß, ist er schon vor einiger Zeit in seinen Heimatort zurückgekehrt. Wenn Sie sich einen Moment gedulden, werde ich mich umgehend nach ihm erkundigen.«

      »Tun Sie das«, entgegnete Chantal, und es klang wie ein Befehl.

      Charlotte entschuldigte sich, dann betrat sie das Büro ihres Mannes und hob den Telefonhörer ab. Es kostete sie nur einen Anruf, um die Adresse des Gynäkologen zu erfragen, dann kehrte sie zu Chantal zurück.

      »Dr. Robert Daniel ist ein Arzt, den ich Ihnen wirklich gu-ten Gewissens empfehlen kann«, erklärte sie, dann reichte sie Chantal einen Zettel. »Ich habe Ihnen seine Adresse notiert.«

      Chantal zog die Augenbrauen hoch. »Steinhausen. Das klingt, als wäre es das Ende der Welt.«

      »Ganz und gar nicht, Madame Ferraut«, erwiderte Charlotte. »Steinhausen ist von hier aus mit dem Auto in einer guten halben Stunde zu erreichen, und es ist ein ganz bezaubernder Gebirgsort, der sogar über eine ausgezeichnete Klinik verfügt, deren Direktor im übrigen auch Dr. Daniel ist.«

      »Nun gut«, meinte Chantal wieder in dieser gönnerhaften Art, die dazu führte, daß sich Charlotte wie ein dummes Schulmädchen fühlte. »Ich werde mir diesen Dr. Daniel einmal ansehen, und ich kann nur hoffen, daß er nicht zu weit unter dem für mich angemessenen Niveau liegt.«

      *

      Gabi Meindl, die in der Praxis von Dr. Robert Daniel als Empfangsdame arbeitete, ahnte Schreckliches, als die vornehm gekleidete Frau mit dem kupferroten Haar und den bernsteinfarbenen Augen das Vorzimmer betrat.

      »Mein Name ist Chantal Ferraut«, erklärte sie von oben herab. »Dr. Daniel erwartet mich.«

      Gabi Meindl warf einen Blick in ihren Terminkalender, obwohl sie sich an den Anruf des Mannes mit dem starken französischen Akzent sehr gut erinnern konnte.

      »Wenn Sie bitte noch einen Moment im Wartezimmer Platz nehmen«, erklärte sie. »Die Sprechstundenhilfe wird Sie holen, sobald Dr. Daniel frei ist.«

      Chantal zog die perfekt geschminkten Augenbrauen hoch und musterte Gabi, als wäre sie ein Wesen von einem anderen Stern.

      »Sobald er frei ist?« wiederholte sie, und Gabi konnte den gefährlichen Unterton in ihrer Stimme unschwer heraushören. »Ich bin es nicht gewohnt zu warten! Mein Sekretär hat gestern diesen Termin vereinbart, also erwarte ich, daß er auch eingehalten wird.« Sie warf einen demonstrativen Blick auf ihre elegante und sündhaft teure Armbanduhr. »Mein Termin wurde für zehn Uhr angesetzt. Jetzt ist es eine Minute vor zehn. Sollte Dr. Daniel nicht innerhalb dieser einen Minute zu sprechen sein, dann werden Sie hier den Weltuntergang erleben.«

      Gabi konnte nur mit viel Mü-he einen tiefen Seufzer unterdrücken, dann musterte sie die arrogante Frau und beschloß ganz gegen ihre Gewohnheit einzulenken.

      »Einen Augenblick bitte.« Damit stand Gabi auf und betrat nach kurzem Anklopfen Dr. Daniels Sprechzimmer.

      Der Arzt war gerade dabei, mit seiner Patientin in den danebenliegenden Untersuchungsraum zu gehen, blieb aber abwartend stehen, als er Gabis ernstes Gesicht sah.

      »Was ist los, Fräulein Meindl?« wollte er wissen, dann lächelte er. »Droht vielleicht der Weltuntergang?«

      Gabi nickte ernsthaft. »Sie haben es erfaßt, Herr Doktor. Draußen steht so eine Zimtzicke… ich meine, eine äußerst elegante Dame, die für zehn Uhr angemeldet ist. Ihr Sekretär hat diesen Termin gestern telefonisch vereinbart«, fügte sie in einem Ton hinzu, als wäre es bereits eine Todsünde, einen Sekretär zu haben. »Ich glaube, wenn die Dame nicht in einer Minute hier im Sprechzimmer sitzt, wird sie einen Aufstand machen, der sich gewaschen hat.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Fräulein Meindl, Sie überraschen mich. Seit wann lassen Sie sich von exzentrischen Damen einschüchtern? Normalerweise beharren Sie doch immer auf Ihrem Standpunkt ›Wer zuerst kommt, mahlt zuerst‹.«

      »Ich weiß«, gab Gabi zerknirscht zu. »Aber ich glaube, in diesem Fall sollte man tatsächlich eine Ausnahme machen. Es nützt ja niemandem, wenn die da draußen anfängt, Zeter und Mordio zu schreien. Wahrscheinlich ist es besser, man fertigt sie so schnell wie möglich ab.«

      Dr. Daniel nickte. »In Ordnung, Fräulein Meindl. Bringen Sie die Dame herein. Vielleicht hat sie ja sogar einen triftigen Grund, auf der Einhaltung ihres Termins zu bestehen. Da sie offenbar über einen Sekretär verfügt, scheint sie Geschäftsfrau zu sein, da wollen wir ihr keine Unannehmlichkeiten bereiten. Im übrigen sollen Ausnahmen ja die Regel bestätigen, nicht wahr?«

      Gabi atmete auf. »Danke, Herr Doktor.« Sie verließ das Sprechzimmer und bat Chantal, ihr zu folgen.

      »Dr. Daniel wird gleich hier sein«, versprach sie.

      »Hoffentlich«, entgegnete Chantal spitz.

      Es dauerte dann wirklich nicht lange, bis Dr. Daniel durch die Zwischentür ins Sprechzimmer trat, und ein erster Blick auf die elegante Dame zeigte ihm nur zu deutlich, daß Gabi Meindl mit ihrer Einschätzung richtig gelegen hatte.

      »Guten Tag, mein Name ist Daniel«, grüßte er höflich und mit dem ihm eigenen, warmherzigen Lächeln, das von Chantal allerdings nicht erwidert wurde. Für sie war ein Arzt nichts weiter als ein Dienstbote, der ihre Anweisungen zu befolgen hatte.

      »Chantal Ferraut«, stellte auch sie sich vor, doch wenn sie gedacht hatte, dieser Name würde Dr. Daniel etwas sagen, dann sah sie sich getäuscht. »Die Modeschöpferin«, fügte sie daher bedeutungsvoll hinzu.

      »Freut mich, Sie kennenzulernen«, meinte Dr. Daniel und zog sich damit geschickt aus der Affäre, denn seinen Worten war nicht zu entnehmen, ob ihm der Name nun ein Begriff war oder nicht. »Was führt Sie zu mir, Madame Ferraut?«

      »Ich habe seit einigen Tagen unerträgliche Unterleibsschmerzen, und man sagte mir, Sie wären als Gynäkologe ganz passabel.«

      »Das freut mich zu hören«, entgegnete Dr. Daniel mit einer Spur Sarkasmus. »Wie äußern sich diese Schmerzen?«

      Chantal zog die Augenbrauen hoch, dann seufzte sie: »Ich denke doch, es ist Ihre Aufgabe, das herauszufinden.«

      »Die Ursache herauszufinden, ja«, berichtigte Dr. Daniel. »Die Symptome müssen allerdings Sie mir beschreiben. Also, Madame Ferraut, ist es ein ziehender, drückender oder ein schneidender Schmerz?«

      »Meine Güte, was weiß ich denn!« brauste sie auf. »Es tut weh, sonst nichts.« Sie drückte die Fingerspitzen gegen die Schläfen. »Ich wünschte, ich wäre in Paris bei Professor de Brecheville.«

      Dr. Daniel stand auf. »Ich denke, ich werde auch herausfinden, was Ihnen fehlt. Bitte, folgen Sie mir nach nebenan, und machen Sie sich hinter dem Wandschirm frei.«

      Chantal kam seiner Aufforderung nach, obwohl sie derartige Untersuchungen haßte. Sie achtete sehr darauf, immer Würde und Überheblichkeit zu zeigen, daher fühlte sie sich auf dem gynäkologischen Stuhl äußerst unbehaglich. Dazu kam, daß dieser Dr. Daniel mit seinen gut

      fünfzig Jahren noch außergewöhnlich attraktiv war, während sich Professor de Brecheville doch schon auf die siebzig zubewegte.

      Die Abstrichuntersuchung, die Dr. Daniel durchführte, ergab keinen zweifelhaften Befund.

      »Ich muß noch Gebärmutter und Eierstöcke abtasten«, erklärte Dr. Daniel, während er sich dünne Plastikhandschuhe überstreifte. »Letzteres werden Sie möglicherweise als unangenehm, vielleicht sogar als schmerzhaft empfinden, falls eine Eierstock-entzündung für Ihre Schmerzen verantwortlich sein sollte.«

      Ergeben

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