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mit beiden Händen durch das dichte, blonde Haar – es war eine Bewegung, die seine ganze Niedergeschlagenheit ausdrückte.

      »Es ist furchtbar schwierig, überhaupt zu ihr durchzudringen«, erklärte er. »Sie ist wie besessen von der Furcht, wieder zuzunehmen. Manchmal habe ich das Gefühl, als würde sie Augen, Ohren und sogar ihr Herz vor allen anderen Menschen verschlie-ßen.«

      Dr. Parker wandte sich ihm zu. »Sie müssen ihr helfen, Robert. Wenn Sie es nicht können, dann kann es niemand.«

      Ein kaum sichtbares Lächeln huschte über Dr. Daniels Gesicht. »Danke für das Kompliment, Jeff, aber zumindest im Moment fühlte ich mich schrecklich hilflos. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, als könnte ich überhaupt nichts tun.« Er schwieg kurz. »Dazu kommt, daß Martinas jetziges Erbrechen nichts mit der Schwangerschaft zu tun hat. Die gestrige Untersuchung hat ergeben, daß sie Ipecacuanha-Sirup zu sich genommen haben muß, wobei ich mir nicht vorstellen kann, wie sie überhaupt an das Zeug herangekommen ist, geschweige denn, wie sie es einnehmen konnte.«

      Dr. Parker runzelte die Stirn. »War Jan gestern bei ihr?«

      »Wie kommen Sie darauf?«

      »Jan ist der Sohn des Apothekers Heintze aus der Kreisstadt«, antwortete Dr. Parker. »Er ist auch für Manfreds Amphetaminvergiftung verantwortlich, und es würde mich nicht wundern, wenn er Martina den Sirup besorgt hätte. Ich hätte mir den Burschen heute ohnehin vorgeknöpft, aber in diesem Fall wäre es vielleicht von Vorteil, wenn Sie mitkommen würden.«

      Dr. Daniel nickte ohne zu zögern. »Worauf Sie sich verlassen können.«

      »Ich möchte noch schnell nach Manfred sehen, dann können wir gleich gehen«, erklärte Dr. Parker und eilte in den Nebenraum. Bei seinem Eintreten richtete sich Manfred auf, soweit es die Gurte an seinen Handgelenken zuließen.

      »Na, mein Junge, wie geht’s?« wollte der Arzt wissen, obwohl er schon sah, daß Manfred die Überdosis und auch die nachfolgende Behandlung gut überstanden hatte.

      »Wieder besser«, antwortete er, dann sah er den Arzt argwöhnisch an. »Mußt du mir etwa noch mal diese gräßliche Kohle einflößen?«

      Dr. Parker schüttelte den Kopf und setzte sich auf die Bettkante. »Nein, mein Junge, ich bin nur hier, um dich von der Sonde zu befreien. Und auch davon«, fügte er hinzu, während er die Gurte von Manfreds Handgelenken löste. »Es tut mir leid, daß ich dir das antun mußte.«

      Doch Manfred schüttelte den Kopf. »Nicht du solltest dich entschuldige, sondern ich.« Beschämt blickte er nach unten. »Ich habe mich gestern ganz schrecklich dumm benommen, und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich dafür schäme.«

      Impulsiv fuhr Dr. Parker ihm durch das dichte Haar. »Nicht nötig, mein Junge. Dein Verhalten lag an den Tabletten, die du geschluckt hattest.« Dann wurde sein Gesicht plötzlich sehr ernst. »So will ich dich nie wieder erleben, hast du mich verstanden?«

      Manfred schluckte. Er wußte genau, was jetzt kommen wür-

      de.

      »Hör zu, mein Freund«, fuhr Dr. Parker auch schon in deutlich strengerem Ton fort. »Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, daß du irgendwelche Medikamente nimmst, dann gnade dir Gott.«

      »Aber… wenn ich krank bin…«

      »Du weißt genau, was ich meine!« fiel Dr. Parker ihm ins Wort. »Ich spreche nicht von einer Kopfschmerztablette.« Er machte eine kurze Pause. »Was Jan betrifft, so wird er das letzte Mal Medikamente aus der Apotheke seines Vaters gestohlen haben. Dr. Daniel und ich werden dafür sorgen, daß dieses Früchtchen so etwas in Zukunft unterläßt.« Wieder schwieg er kurz: »Nun du, mein Junge… sollte ich dir jemals draufkommen, daß du wieder in dieses bewußte Krankenhaus gehst, dann fahre ich höchstpersönlich hin, um dich zu holen. Notfalls ziehe ich dich an den Haaren heraus, haben wir uns verstanden?«

      »Jeff, ich… ich muß doch…«

      »Ich habe gefragt, ob wir uns verstanden haben!«

      Manfred schluckte wieder, dann nickte er. »Ja, Jeff, aber… wenn ich nun…«

      »Kein Aber«, fiel Dr. Parker ihm scharf ins Wort. »Du wirst das nie wieder tun, hast du gehört, nie wieder!«

      Manfred sah in die blauen Augen seines Freundes, die im Moment so unerbittlich waren, doch er wußte auch, daß die Strenge, die Jeff jetzt an den Tag legte, nur seiner Freundschaft und Fürsorge entsprang.

      »Ich verspreche es«, flüsterte Manfred.

      »Ich hoffe, daß du dich an dieses Versprechen halten wirst«, meinte Dr. Parker, dann stellte er das Kopfende des Bettes so, daß Manfred flach auf dem Rücken liegen mußte. »Keine Angst, ich hole jetzt nur die Sonde aus deinem Magen.«

      Zügig, aber mit der gebotenen Vorsicht zog Dr. Parker den dünnen Gummischlauch heraus.

      »Darf ich jetzt wieder nach Hause?« wollte Manfred wissen.

      Der junge Arzt schüttelte den Kopf. »Heute mußt du noch hierbleiben. Ein bißchen Ruhe wird dir bestimmt nicht schaden, und mit Ruhe meine ich schlafen, ist das klar?«

      Manfred nickte. »Ich bin todmüde… schon seit Stunden, aber die viele Kohle, die du mir die Nacht über eingeflößt hast… mir war die ganze Zeit furchtbar schlecht.«

      Dr. Parker lächelte ihn an. »Das ist jetzt vorbei, und ich könnte mir vorstellen, daß dich der Chefarzt nicht nur heute, sondern auch noch die nächsten ein, zwei Tage zur Beobachtung hierbehalten wird.«

      Manfred erschrak. »Meine Güte, ich muß doch in die Firma!«

      Doch Dr. Parker schüttelte den Kopf. »Du bist entschuldigt, das entsprechende Attest geht heute raus.« Erneut setzte er sich auf die Bettkante. »Im übrigen werde ich nicht länger zusehen, wie du dich in der Firma abschuften mußt, für diesen Hungerlohn, den du dort bekommst.«

      Seufzend winkte Manfred ab. »Ich habe nichts gelernt, Jeff, ich muß Geld verdienen – so viel wie möglich. Das kann ich nur in Schichtarbeit, weil die vergleichsweise noch am besten bezahlt wird.«

      Dr. Parker stand auf. »Du wirst jetzt schlafen, Manfred. Bis du wieder aufwachst, habe ich vielleicht schon etwas arrangiert.«

      *

      Dr. Daniel und Dr. Parker erreichten die Apotheke der Heintzes gerade zur Öffnungszeit. Freundlich begrüßte Anton Heintze die beiden Ärzte, wäh-rend sein Sohn Jan zumindest über das Auftauchen Dr. Parkers nicht sehr glücklich zu sein schien.

      »Ist Ihnen in letzter Zeit eine größere Menge Ipecacuanha-Sirup abhanden gekommen?« fragte Dr. Daniel ohne Umschweife und bemerkte dabei, wie Jan errötete und sich so unauffällig wie möglich in den rückwärtigen Teil der Apotheke zurückzog.

      »Um die Medikamentenlieferungen kümmert sich ausschließlich mein Sohn«, entgegnete Anton Heintze, dann drehte er sich um. »Jan! Komm doch mal bitte.«

      Mit sichtlichem Widerwillen befolgte Jan die Aufforderung seines Vaters, beantwortete die Frage nach dem Sirup aber nur mit einem Kopfschütteln.

      »Du lügst«, hielt Dr. Parker ihm entgegen.

      Jan wollte aufbrausen, unterließ es aber, als er von den eisigen Blick des jungen Arztes heimgesucht wurde. Er schluckte, dann senkte er den Kopf.

      »Ich habe dazu nichts weiter zu sagen«, meinte er nur.

      Anton Heintze runzelte unwillig die Stirn. »Was soll das heißen, Jan?«

      »Das heißt, daß er selbst den Sirup entwendet und einer Patientin der Waldsee-Klinik eingegeben hat«, antwortete Dr. Parker an seiner Stelle. »Vermutlich mit ihrer Einwilligung, vielleicht sogar auf ihr Drängen hin.«

      »Jeff, ohne triftige Beweise können Sie solche Behauptungen nicht einfach aufstellen«, wandte Dr. Daniel ein.

      »Doch, Robert, das kann ich«, entgegnete Dr. Parker mit Nachdruck. »Weil ich genau weiß, daß er es war.

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