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übergeben konnte, aber jetzt… jetzt muß ich wieder hilflos daliegen und zusehen, wie ich dicker und dicker werde.«

      »Du bist nicht dick«, wiederholte Manfred eindringlich. »Ganz im Gegenteil, du bist sogar entsetzlich dünn, Martina. Du hast so viel abgenommen, daß es mir im Herzen weh tut. Weißt du, wie hübsch dein Gesicht einmal gewesen ist? Du hattest eine Haut… so glatt und weich wie ein reifer Pfirsich, und deine Augen waren so klar, daß man das Gefühl hatte, darin zu ertrinken.« Er berührte ihr dünnes, strähniges Haar. »Deine Haare waren weich und glänzend. Du warst wunderschön, Martina.«

      Tränen traten in ihre Augen. »Heißt das… daß ich jetzt häßlich bin?«

      Manfred schüttelte den Kopf. »Für mich nicht. Für mich wirst du immer schön und begehrenswert sein, weil ich dich liebe. Wenn ich dich ansehe, dann sehe ich nicht dein Gesicht oder deine Augen… ich sehe den Menschen, der mir auf dieser Welt am meisten bedeutet… ich sehe das Mädchen, ohne das ich nicht mehr leben will. Aber wenn du schon so viel auf Äußerlichkeiten gibst, will ich offen zugeben, daß du mir besser gefallen hast, als du noch ein bißchen pummeliger warst.«

      »Das will ich nie wieder sein!«

      Manfred nickte. »Das ist ja auch vollkommen in Ordnung. Du kannst ruhig schlank sein, Martina, aber vergiß nicht – auch schlanke Menschen müssen essen. Essen macht nur dann dick, wenn du ohne Maß und Ziel einfach in dich hineinfutterst.« Er umschloß ihr Gesicht mit beiden Händen. »Martina, Liebling, du mußt dich von Dr. Daniel behandeln lassen… du mußt diese Therapie machen, von der er gesprochen hat.« Seine Stimme wurde eindringlich, er betonte jetzt jedes einzelne Wort: »Du mußt wieder gesund werden… für dich, für mich… für uns.«

      *

      Dr. Daniel und Dr. Parker standen in der Intensivstation vor der großen Glasscheibe und verfolgten das Geschehen in dem kleinen Raum. Sie konnten nicht hören, was Manfred sagte, doch sie erkannten die Innigkeit, mit der er sprach. Vor allem aber sahen sie, daß Martina auch zuhörte.

      »Er wird es schaffen«, prophezeite Dr. Parker.

      Dr. Daniel nickte ein wenig zögernd. »Sieht ganz so aus. Allerdings will ich mich gerade in diesem Fall nicht zu früh irgendwelchen trügerischen Hoffnungen hingeben.«

      »Er liebt Martina, und er hat sie auch schon geliebt, als sie noch dick war. Für ihn hat es nie ein anderes Mädchen gegeben.«

      »Martina erwartet das Kind eines anderen«, wandte Dr. Daniel ein.

      »Das wird ihn nicht stören«, entgegnete Dr. Parker so bestimmt, als könnte er direkt in Manfreds Herz sehen. »Er liebt sie, und er wird auch das Kind lieben. Gleichgültig, wie es mit Martina weitergeht – sie wird künftig einen Begleiter an ihrer Seite habe, der sie nicht verlassen wird.«

      Dr. Daniels Blick ging wieder in den kleinen Raum, wo sich Manfred gerade über Martina beugte und sie zärtlich küßte.

      »Wenn Sie recht haben, Jeff, dann hält er damit den Schlüssel zu ihrem Herzen in der Hand«, meinte Dr. Daniel. Er wartete, bis sich Manfred und Martina voneinander lösten, dann trat er durch die große Glastür ein. Dr. Parker folgte ihm.

      In diesem Moment drehte sich Manfred um und lächelte.

      »Martina wird die Therapie machen«, erklärte er, und dabei strahlte so viel Glück aus seinen Augen, als hätte sie ihm gerade einen Heiratsantrag gemacht.

      »Ich habe noch immer schreckliche Angst davor, auch nur einen Bissen zu essen«, wandte Martina leise ein. »Und ich bin auch nicht sicher, ob mir die Therapie helfen wird, aber… Manfred meint…« Sie zuckte die Schultern. »Ich will es wenigstens versuchen.«

      Dr. Daniel verbarg seine Erleichterung über Martinas Entschluß nicht. Lächelnd drückte er ihre Hand. »Ich bin froh, daß du dich für die Therapie entschieden hast. Vielleicht läßt sich die Verlegung in die andere Klinik ja sogar ein wenig beschleunigen.«

      Da schüttelte Martina den Kopf. »Ich möchte hierbleiben. Zu Ihnen habe ich Vertrauen, und…« Ihr Blick wanderte zu Manfred, ein zärtliches Lächeln huschte dabei über ihr Gesicht. »Es ist, als hätte sich in mir eine kleine Tür geöffnet. Mit Jan… da war alles kalt und leer, doch jetzt… zum ersten Mal fühle ich wieder Wärme und Licht.«

      Dr. Daniel dachte eine Weile nach, dann nickte er. »Wenn du hierbleiben willst, dann werden wir einen Weg finden, um dich auch in der Waldsee-Klinik entsprechend zu behandeln. Ich kenne einige sehr gute Therapeuten. Einer von ihnen wird sich bereitfinden, dich hier in der Klinik aufzusuchen.« Er zögerte kurz, dann löste er die Gurte von Martinas Handgelenken, setzte sich zu ihr auf die Bettkante und griff nach ihrer Hand. »Da ist noch etwas, mein Kind. Eigentlich müßte ich darüber mit dir allein sprechen, aber…« Er warf Manfred einen kurzen Blick zu. »Ich denke, der Beistand deines Freundes wird dir gerade jetzt sehr guttun.« Er sah Martina an. »du erwartest ein Baby.«

      Aus weitaufgerissenen Augen starrte ihn das junge Mädchen an.

      »Aber… das ist doch nicht möglich!« stieß sie hervor.

      »Ich muß gestehen, daß ich auch nicht damit gerechnet habe«, entgegnete Dr. Daniel. »Bei Magersucht gerät der monatliche Zyklus einer Frau so ziemlich als erstes durcheinander, das bedeutet, daß der Eisprung ausbleibt, aber du mußt mit Jan zusammengewesen sein, noch bevor das passierte, und die Pille war in diesem Fall natürlich wirkungslos, weil du dich ständig übergeben hast.«

      Martinas Hände begannen zu zittern. »Wie soll es denn jetzt weitergehen? Die Therapie… die Schule…«

      Da drängte sich Manfred dazwischen. »Das kriegen wir schon in den Griff.« Seine Stimme klang so sicher, daß ihm niemand hätte anmerken können, wie geschockt er in Wirklichkeit war. Dabei ging es gar nicht so sehr um das Baby, das Martina von Jan erwartete, sondern vor allem darum, daß Manfred im Moment einfach keine Ahnung hatte, wie er alles unter einen Hut bringen sollte – Martina, das Baby und seine Familie, die er ja auch unterstützen mußte.

      Einzig Dr. Parker ahnte, was in dem jungen Mann vorging, obwohl nicht einmal er ihm etwas ansehen konnte.

      »Manfred, ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um dir zu sagen, was ich für dich arrangiert habe«, erklärte er. »Du wirst deine Stellung kündigen und im neuen Jahr hier in der Klinik als Krankenpfleger anfangen. Deine Dienstzeit geht von acht Uhr morgens bis abends um fünf, am Freitag bis mittags. Du wirst keinen Schichtdienst haben, weil du in deiner Freizeit die Mittlere Reife nachholen wirst, und wenn du die erreicht hast, kannst du eine Lehre machen. Danach wird es dir nicht schwerfallen, Frau und Kind zu ernähren und dar-über hinaus sogar noch deine Eltern und Geschwister ein biß-chen zu unterstützen. Bis du soweit bist, werde ich dir finanziell helfen, und wenn du es nicht als Geschenk annehmen willst, dann nimm es als Darlehen und zahle es mir zurück, wenn du einmal dazu in der Lage sein wirst.« Dr. Parker sah die Abwehr auf Manfreds Gesicht und hob drohend den Zeigefinger. »Wenn du jetzt nein sagst, dann wirst du mich ganz gehörig kennenlernen!«

      Da mußte Manfred lächeln. Für einen Moment lehnte er sich vertrauensvoll an Dr. Parker.

      »Danke, Jeff«, sagte er leise. »Keine Sorge, ich sage nicht nein.«

      Dann wandte er sich Martina wieder zu.

      »Meine Zukunft ist gesichert.« Er lächelte sie an und streichelte sanft ihr schmales, blasses Gesicht. »Wenn du mich liebst und deine Oma einverstanden ist, dann… dann würde ich dich gerne heiraten…«

      »Manfred…«, stammelte Martina. »Du… du kennst mich doch noch gar nicht richtig. Und das Baby… es ist von Jan…«

      Doch Manfred zuckte nur die Schultern. »Na und? Ich liebe dich, und ich werde auch unser Baby lieben.« Er lächelte. »Außerdem denke ich, daß noch ein paar von mir dazukommen werden, wenn du erst wieder gesund bist.«

      Nun konnte Martina endlich wieder lächeln. »Ja, Manfred, ich will gesund werden… so schnell wie möglich. Und… ich liebe dich auch.«

      In diesem Moment verließen Dr. Daniel und Dr.

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