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und ließ den Oberarzt eintreten.

      »Aha, ein schwieriger Patient«, urteilte Dr. Scheibler, wäh-rend er zusammen mit Dr. Parker an Manfreds Bett trat. »Worum geht’s?«

      »Amphetaminvergiftung. Ich weiß nicht, wieviel er geschluckt hat, aber ich schätze, mindestens zehn bis fünfzehn Tabletten.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Das dürfte jetzt etwa eineinhalb Stunden her sein.«

      Dr. Scheibler nickte. »Hat er es absichtlich getan?«

      »Nein. Er wollte damit nur seine Müdigkeit bekämpfen.« Dr. Parker sah den Oberarzt an. »Ich habe keine Ahnung, welche Tabletten es waren… wie hoch die Amphetamine dosiert waren.«

      »Das kriegen wir schon in den Griff«, meinte Dr. Scheibler. »Führen Sie ihm die Magensonde ein, ich bereite inzwischen die Aktivkohle vor. Die wirkt bei Amphetaminvergiftung glücklicherweise auch noch Stunden nach der Einnahme.«

      Der Oberarzt verließ den Raum wieder, während sich Dr. Parker erneut seinem jungen Patienten zuwandte.

      »Also, komm, Manfred, mach deinen Mund auf«, bat er noch einmal eindringlich. »Es ist nicht angenehm, aber immer noch besser, als wenn ich dir die Sonde gegen deinen Willen einführen muß.«

      Doch Manfred machte weiterhin keine Anstalten, Dr. Parkers Aufforderung nachzukommen.

      Der junge Arzt seufzte. »Na schön, du willst es nicht anders.« Er beugte sich über Manfred, und noch ehe dieser reagieren konnte, hatte Dr. Parker ihm den zuvor bereits gleitfähig gemachten Gummischlauch in das rechte Nasenloch geschoben. Manfred wollte den Kopf herumwerfen, doch der Arzt hielt ihn mit einer Hand eisern fest, während er den Schlauch zügig, aber mit der gebotenen Vorsicht tiefer schob. Als das Schlauchende den Rachenraum passierte, mußte Manfred heftig würgen. Mit beiden Händen wollte er Dr. Parker weg-drücken, aber er hätte ebensogut versuchen können, einen Felsblock beiseite zu schieben.

      »Ruhig atmen und schlucken«, befahl der Arzt »Dann wird es leichter, Manfred. Atmen und schlucken. Gleich hast du das Schlimmste überstanden.«

      Manfred steckte noch immer voller Unruhe und war entsprechend zapplig. Als Dr. Parker die richtige Lage der Sonde kontrollierte, versuchte der junge Mann mit einer raschen Bewegung, den Schlauch aus seiner Nase zu ziehen, doch Jeff konnte gerade noch rechtzeitig reagieren. Er hielt ihm die Handgelenke fest und bedachte ihn mit einem strafenden Blick.

      »Noch ein einziger Versuch dieser Art, Manfred, und ich werde von den beiden Gurten, die hier am Bett befestigt sind, Gebrauch machen und dir die Arme festschnallen«, drohte Dr. Parker. »Und glaub ja nicht, daß ich das nur so dahinsage. Ich werde es tun, hast du mich verstanden?«

      »Sind Sie soweit, Jeff?« fragte jetzt Dr. Scheibler, der in diesem Moment zurückkam. Er hielt ein Gefäß in der Hand, das einer überdimensionalen Spritze glich und mit einer tiefschwarzen Flüssigkeit gefüllt war.

      »Ja, Gerrit, Sie können anfangen«, antwortete Dr. Parker, dann umfaßte er mit einer Hand Manfreds Handgelenke. »Damit du nicht in Versuchung kommst«, erklärte er.

      Doch Manfred dachte gar nicht mehr daran, sich den Schlauch aus der Nase zu ziehen. Entsetzt sah er zu, wie Dr. Scheibler die schwarze Flüssigkeit in den Schlauch laufen ließ, und allein die Vorstellung, daß ihm mit diesem gräßlichen Zeug nun gegen seinen Willen der Magen gefült wurde, löste einen erneuten Würgereiz aus.

      »Tief und gleichmäßig atmen, Manfred.« Dr. Parkers Stimme klang ruhig. »Du bekommst von Dr. Scheibler nur in Wasser gelöste Kohletabletten.«

      »Die in dieser Menge und Konzentration durchaus zu Übelkeit und Brechreiz führen können«, fügte der Oberarzt hinzu, bedachte Manfred mit einem kurzen, prüfenden Blick und wandte sich dann an Dr. Parker. »Richten Sie schon mal eine Schale her, Jeff. Ich fürchte, unser junger Freund gehört zu den Patienten, die sich aufgrund der Kohle übergeben müssen.«

      Doch Dr. Parker zögerte. »Wenn ich ihn loslasse, zieht er sich garantiert den Schlauch aus der Nase.«

      »Die Gurte sind nicht zur Zierde am Bett befestigt«, entgegnete Dr. Scheibler. »Schnallen Sie ihn fest. Das tut ihm nicht weh, erspart uns viel Schmutz und Arbeit und ihm eine weitere unangenehme Prozedur.«

      Dr. Parker fühlte heftiges Mitleid mit Manfred, als er die breiten Gurte um seine Handgelenke legte und gerade so fest anzog, daß sich der junge Mann nicht aus eigener Kraft aus seiner Lage befreien konnte.

      »Ich bin gleich wieder bei dir«, versprach er, doch er war nicht sicher, ob Manfred seine Worte überhaupt aufgenommen hatte. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, einen Ausweg aus dieser für ihn so schrecklichen Situation zu finden. Besorgt beobachtete Dr. Scheibler die noch immer zunehmende Hyperaktivität des Patienten.

      »Spritzen Sie ihm siebzig Milligramm Chlorpromazin intramuskulär«, ordnete er an.

      Dr. Parker zog die Augenbrauen hoch. »So viel?«

      Der Oberarzt nickte. »Sehen Sie ihn doch an.«

      Manfred war hektisch und nervös, sein ganzer Körper war angespannt wie eine Stahlfeder. Er machte den Eindruck, als würde er gleich mitsamt dem Bett, an das er jetzt geschnallt war, aus der Klinik flüchten.

      Gewissenhaft zog Dr. Parker die Spritze auf, dann trat er an das Bett und injizierte das Medikament. Manfreds Widerstand erlahmte. Teilnahmslos lag er im Bett und ließ alles mit sich geschehen.

      »Er kommt auf Intensiv«, erklärte Dr. Scheibler und stellte die jetzt geleerte Kohleflasche beiseite. »Die Sonde bleibt drin. Die ganze Nacht über bekommt er im stündlichen Rhythmus Ak-tivkohle verabreicht. Und er bleibt angeschnallt«, fügte er hinzu, als Dr. Parker die Gurte von Manfreds Handgelenken lösen wollte.

      »Ist das wirklich noch nötig, Gerrit?« wandte der junge Anästhesist ein. »Solange das Medikament wirkt, besteht doch keine Gefahr, daß er…«

      »Er bleibt angeschnallt, Jeff«, wiederholte Dr. Scheibler nachdrücklich. »Ich erwarte, daß Sie sich nach meinen Anordnungen richten.«

      Dr. Parker senkte den Kopf. »Ja, Gerrit, natürlich.«

      Freundschaftlich legte der Oberarzt einen Arm um Jeffs Schultern. »Ich verstehe sehr gut, daß Ihnen der Junge leid tut, aber es geschieht ja nur zu seinem Besten. Sie wissen selbst, wie leicht er sich verletzen kann, wenn er sich die Sonde herauszieht, und damit ist leider noch immer zu rechnen.«

      Dr. Parker seufzte. »Sie haben recht, Gerrit, aber… der Junge hatte noch nie sehr viel Glück im Leben…«

      »Er hat das Glück, Sie zum Freund zu haben«, fiel Dr. Scheibler ihm ins Wort. »Das ist mehr wert als fast alles andere.«

      *

      Der Morgen graute bereits, als sich Dr. Parker zum wiederholten Male auf den Weg zur Intensivstation machte. Auf dem schmalen Flur wäre er beinahe mit Dr. Daniel zusammengestoßen.

      »Robert, was tun Sie denn um diese Zeit schon hier?« fragte der junge Anästhesist erstaunt.

      »Das könnte ich Sie auch fragen«, entgegnete Dr. Daniel. »Ihr regulärer Dienst fängt erst in zwei Stunden an, wenn ich recht informiert bin.«

      Dr. Parker seufzte. »Ich habe hier ein Sorgenkind. Manfred Steiner. Er kam gestern abend mit einer Amphetaminvergiftung zu mir.«

      »Er ist ein ganz armer Kerl«, stimmte Dr. Daniel zu. »Er muß für eine Familie sorgen, die er sich nicht aussuchen konnte.«

      Dr. Parker zögerte einen Moment, dann sprach er aus, was er dachte. »Ich muß zwar erst noch mit Manfred darüber sprechen, aber… wenn er hier arbeiten möchte… als Pfleger beispielsweise… im regulären Dienst, ohne Nachtschichten… glauben Sie, daß Wolfgang damit einverstanden wäre?«

      »Manfred ist im Grunde ein anständiger und fleißiger Junge«, meinte Dr. Daniel. »Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß Wolfgang etwas dagegen hätte, ihn hier einzustellen.«

      Dr. Parker lächelte. »Danke, Robert.«

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