Скачать книгу

      »Es tut mir leid, wenn ich Ihnen weh getan habe«, entgegnete Dr. Daniel, obwohl er wußte, daß die Untersuchung nicht so schmerzhaft gewesen sein konnte, wie Chantal vorgab. »Offensichtlich ist es eine Eierstockzyste, die Ihnen diese Beschwerden bereitet, und nach dem Schmerz zu urteilen, den Sie bei der Untersuchung empfunden haben, dürfte es eine gestielte Zyste sein.« Er trat zurück. »Sie können sich wieder ankleiden.«

      Nur zu gern kam Chantal dieser Aufforderung nach, und kaum trug sie ihr elegantes Modellkleid, da hatte sie auch schon wieder Oberwasser bekommen.

      »Was bedeuten Ihre Worte im Klartext?« wollte sie wissen.

      »Sie sollten sich möglichst schnell operieren lassen«, riet Dr. Daniel ihr. »Eine gestielte Zyste kann sich durch eine rasche, ruckartige Bewegung um den eigenen Stiel drehen und abreißen. Wenn Sie dann nicht schnellstens operiert werden, kann die Geschwulst absterben und zu lebensgefährlichen Bauchfellentzündungen oder Verwachsungen führen. Das Risiko einer Notoperation sollten Sie keinesfalls eingehen, wenn es sich vermeiden läßt.«

      Chantal dachte eine Weile über diese Worte nach und mußte sich dabei eingestehen, daß dieser Dr. Daniel allem Anschein nach nicht nur ein äußerst guter und pflichtbewußter Arzt, sondern darüber hinaus auch sehr vorausschauend war.

      »Sie haben recht«, stimmte sie im üblichen herablassenden Tonfall zu. »Eine geplante Operation ist da in jedem Fall vorzuziehen.« Sie schwieg einen Moment. »Wie ich hörte, verfügt dieser Ort über eine Klinik, deren Direktor Sie sind. Würde diese Einrichtung meinem Niveau entsprechen?«

      »Ich kann Ihnen versichern, daß Sie in der Waldsee-Klinik bestens versorgt werden«, antwortete Dr. Daniel. »Ich weiß nicht, wie sehr Sie beruflich eingespannt sind, ob Sie vielleicht noch wichtige Termine einzuhalten haben. Ansonsten würde ich Ihnen empfehlen, sich möglichst unverzüglich in der Klinik einzufinden. Ich würde den Eingriff dann gleich für morgen früh ansetzen.«

      Chantal nickte. »Das wäre mir sehr recht. Wenn ich von der Klinik aus ein paar Telefongespräche führen kann, läßt sich meine Terminlage sicher regeln.«

      »Das wird möglich sein«, stimmte Dr. Daniel zu. Er schrieb eine Überweisung aus, die er Chantal reichte. »Wenden Sie sich damit bitte an die Sekretärin Frau Bergmeier. Man wird Ihnen ein schönes Einzelzimmer zuweisen.«

      Chantal stand auf, hielt es aber nicht für nötig, sich zu bedanken. Mit einem überheblichen Abschiedsgruß verließ sie Dr. Daniels Praxis.

      *

      »Ich will nicht, daß du noch ein einziges Mal zu diesem Dr. Daniel gehst!« rief Norbert Krämer wütend, doch seine Freundin Katharina Bertram hörte nur mit halbem Ohr hin. Schon seit Tagen hatte sie das eigenartige Gefühl, als wäre ihr Bauch leer, obwohl man ihr jetzt, im sechsten Monat, die Schwangerschaft schon sehr deutlich ansehen konnte.

      »Dr. Daniel ist ein erstklassiger Arzt«, murmelte sie und streichelte mit beiden Händen in der Hoffnung über ihren Bauch, das bekannte Pochen zu fühlen.

      Norbert preßte die Lippen zusammen, seine Augen funkelten.

      »Wenn er das wäre, dann hätte er dich von diesem Problem befreit«, entgegnete er zornig. »Du bist noch so jung, Kathy. Was sollen wir jetzt schon mit einem Baby?«

      Katharinas Kopf ruckte hoch. »Ich freue mich darauf!« Sie zuckte die Schultern. »Sicher, es war nicht geplant, aber eine Abtreibung wäre für mich niemals in Frage gekommen.« Sie schwieg einen Moment. »Im übrigen habe ich dir freigestellt zu gehen, wenn du mich und das Kind nicht haben willst.«

      Norbert stöhnte theatralisch. »Kathy, du bist immer gleich

      so dramatisch. Meine Güte, du mußt mich doch auch verstehen. Ich bin Journalist, und erst wenn ich mal die Titelstory schlechthin…«

      Desinteressiert winkte Katharina ab. »Auf diese Titelstory wartest du, seit wir uns kennen, und das werden bald fünf Jahre sein. Norbert, wir lieben uns, und du verdienst genügend, um eine Familie zu ernähren. Hör endlich auf, hinter einer Titelstory herzujagen, die du vielleicht nie schreiben wirst.«

      Doch Norbert schüttelte nur fassungslos den Kopf. »Na, du hast ja eine hohe Meinung von mir und meinen Fähigkeiten.«

      »Du verstehst das völlig falsch«, entgegnete Katharina. »Ich liebe dich, Norbert – ob mit Titelstory oder ohne. Mir ist das alles eben nicht so wichtig. Was für mich zählt…« Sie unterbrach sich und tastete wieder nach ihrem Bauch. »Ich spüre mein Baby nicht mehr.«

      Angewidert verzog Norbert das Gesicht. »Ob du es spürst oder nicht, dürfte ziemlich egal sein. Es ist jedenfalls nicht zu übersehen.«

      Katharina hatte seine lieblosen Worte gar nicht richtig wahrgenommen. Immer wieder glitten ihre Hände über den gerundeten Bauch, dann stand sie auf.

      »Bitte, bring mich zu Dr. Daniel.«

      »Nein!« begehrte Wolfgang auf. »Es gibt hier in der Nähe auch andere Frauenärzte. Ich will diesen Kerl nicht sehen!«

      »Dr. Daniel hat dir nie etwas getan«, erwiderte Katharina verständnislos. »Ganz im Gegenteil. Er war immer freundlich. Warum haßt du ihn nur so?«

      Weil er dein Baby nicht abgetrieben hat, dachte Norbert grimmig, sprach es aber nicht aus. Er kannte Katharinas Einstellung dazu, trotzdem konnte er sich eine Bemerkung nicht ganz verkneifen.

      »Er hätte sehen müssen, daß du für die Mutterrolle noch viel zu jung bist«, erklärte er. »Meiner Meinung nach bist du einfach nicht reif genug, um ein Kind großzuziehen. Kathy, du bist erst zweiundzwanzig…«

      »Meine Schwester war achtzehn, als Ronny zur Welt gekommen ist«, hielt Katharina dagegen. »Jetzt ist sie vierundzwanzig und bereits Mutter von vier Kindern.«

      »Vier Nervensägen«, knurrte Norbert. »Oder willst du vielleicht behaupten, diese Rasselbande wäre gut erzogen? Eine Frau ist frühestens mit dreißig so weit, ein Kind anständig großzuziehen, und das hätte dieser Möchtegerngynäkologe schon auf den ersten Blick sehen müssen.«

      Katharina reckte sich hoch. »Gleichgültig, was du darüber denkst, ich möchte zu Dr. Daniel, und wenn du mich nicht fährst, dann gehe ich eben zu Fuß.«

      Damit zog sie ihre Winterjacke an und verließ die kleine Wohnung. Nach dem gestrigen Eisregen waren die Straßen noch immer spiegelglatt und der Weg zur Praxis von Dr. Daniel entsprechend beschwerlich.

      Als Katharina hinter sich den Motor eines Autos hörte, atmete sie auf. Anscheinend hatte es sich Norbert doch noch anders überlegt. Sie drehte sich um, aber die heftige Bewegung löste einen leichten Schwindelanfall aus. Ka-tharina taumelte, glitt auf dem vereisten Gehsteig aus und stürzte schwer.

      Im selben Moment stieg der Autofahrer auf die Bremse, sein Wagen schlingerte sekundenlang ganz gefährlich, doch er schaffte es, ihn wieder unter Kontrolle zu bringen, dann hielt er neben Ka-tharina an und sprang aus dem Auto.

      »Haben Sie sich verletzt?« wollte er wissen.

      Besorgt beugte sich der Autofahrer über sie und erkannte, daß sie bewußtlos war. Inzwischen war aus dem gegenüberliegenden Gemischtwarenladen die Besitzerin Amelie Hauser herübergekommen.

      »Schnell!« rief der Autofahrer. »Rufen Sie in der Waldsee-Klinik an. Die Frau ist schwanger!« Er tastete ihren Hinterkopf ab und hatte sofort Blut an den Fingern. »Sie ist mit dem Kopf schwer aufgeschlagen.«

      Im Laufen hob Amelie Hauser beide Hände zum Zeichen, daß sie verstanden hatte, dann verschwand sie in ihrem Laden. Kaum zwei Minuten später kam bereits der Krankenwagen mit Blaulicht und Martinshorn. Zwei Sanitäter sprangen heraus, untersuchten Katharina notdürftig und hoben sie dann vorsichtig auf die fahrbare Trage.

      Der junge Autofahrer sah zu, wie die beiden Sanitäter Katharina in den Krankenwagen schoben. Einer von ihnen stieg hinten ein, während sich der andere ans Steuer setzte. Das Martinshorn jaulte auf, dann setzte sich der Wagen in Bewegung.

      Der junge Mann starrte auf

Скачать книгу