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      Obwohl ihm nicht danach zumute war, mußte Dr. Daniel ein wenig lächeln. »Sie haben gewonnen, Gerrit. Ich werde einen Kaffee trinken, vielleicht leisten Sie mir ja ein bißchen Gesellschaft, wenn Ihr Dienstplan das zuläßt.«

      Dr. Scheibler nickte. »Er muß es zulassen. Wir sehen uns in einer Viertelstunde in der Caféteria.«

      Dr. Daniel sah ihm nach, als er das tote Baby hinaustrug, dann wandte er sich Erika zu. »Wenn Wolfgang fertig ist, bringen Sie die Patientin auf Intensiv. Ich kümmere mich nachher persönlich um sie.«

      *

      Dr. Stefan Daniel stand im Ärztezimmer der Chirurgie und sah sich ein wenig wehmütig um. In den vergangenen zwei Jahren war ihm die Waldsee-Klinik beinahe zu einer zweiten Heimat geworden. Hier hatte er seine Assistenzzeit verbracht… hatte seine ersten Erfahrungen als Arzt gemacht… und auch gelernt, was Disziplin bedeutete. Es war oftmals eine schwierige Zeit gewesen, doch jetzt, da sie sich dem Ende zuneigte, wußte Stefan, daß es vieles war, was ihm in Zukunft fehlen würde.

      Seit einem Vierteljahr arbeitete Stefan nun schon als vollwertiger Arzt hier in der Klinik mit, denn er wollte seinen Facharzt unbedingt im Krankenhaus seines Patenonkels Dr. Georg Sommer machen, der überdies auch schon seit vielen Jahren der beste Freund seines Vaters war. Die Sommer-Klinik erfüllte erst seit Anfang dieses Jahres die Anforderungen, die an eine Hochschulklinik gestellt wurden, deshalb hatte Stefan nach Ende seiner Assistenzzeit noch warten müssen, ehe er seine Ausbildung zum Facharzt antreten konnte. Doch nun war es soweit. Anfang nächster Woche würde die Sommer-Klinik in München sein neuer Arbeitsplatz sein – für fünf Jahre… wahrscheinlich sogar für mehr, wenn er sein Vorhaben durchführen und nach der Ausbildung zum Gynäkologen die Laufbahn des Mikrochirurgen einschlagen würde. Immerhin hatte er über dieses Thema auch seine Doktorarbeit geschrieben.

      »Na, Stefan, freust du dich schon auf deine neuen Aufgaben in der Sommer-Klinik?«

      Stefan erschrak, als er so unverhofft vom Chefarzt der Waldklinik angesprochen wurde.

      »Mein lieber Wolfgang, mit so etwas kannst du bei sensiblen Menschen einen Herzinfarkt verursachen«, meinte er.

      Dr. Metzler grinste. »Du bist nur erschrocken, weil sich deine Gedanken gerade in nicht sehr liebevoller Weise mit deinem Chefarzt, diesem alten Ekel, beschäftigt haben, stimmt?«

      Lächelnd schüttelte Stefan den Kopf. »Da unterliegst du einem gewaltigen Irrtum, Wolfgang. Erstens bist du weder alt noch ein Ekel, und zweitens…« Er zuckte die Schultern. »Ich gebe zu, daß ich oft eine Stinkwut auf dich hatte, wenn du wieder so gnadenlos streng mit mir warst, aber jetzt… im Nachhinein betrachtet, bin ich dir sehr dankbar dafür. Im Grunde hast du das aus mir gemacht, was ich jetzt bin.«

      »Nun hör aber auf«, wehrte Dr. Metzler ab. »Du hast in den vergangenen beiden Jahren hart an dir gearbeitet. Anfangs war es nicht leicht mit dir, weil du deinen entsetzlichen Dickschädel auf Biegen und Brechen durchsetzen wolltest, und es hat mich gelegentlich wirklich Mühe gekostet, dich zur Räson zu bringen. Aber jetzt entlasse ich einen Arzt, der es verdient, sich so zu nennen, und ich bin sicher, daß auch Dr. Sommer mit dir sehr zufrieden sein wird.«

      Über diesem Lob wurde Stefan ganz verlegen. Dr. Metzler bemerkte es und lenkte ein wenig ab.

      »Du hast meine Frage von vorhin noch nicht beantwortet. Freust du dich?«

      Stefan nickte. »Ja, natürlich freue ich mich, aber… der Abschied von der Waldsee-Klinik fällt mir doch schwerer, als ich gedacht hatte. Hier habe ich meine Freunde, und ich schätze, ihr werdet mir alle schrecklich fehlen.«

      Dr. Metzler legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Du wirst uns auch fehlen, Stefan – als Freund und als Arzt.« Dann lächelte er. »Aber München ist ja schließlich nicht aus der Welt. Ich denke doch, daß du uns gelegentlich besuchen wirst.«

      »Mit Sicherheit«, bekräftigte Stefan. »Ich werde ja weiterhin in der Villa meines Vaters wohnen.« Ein zärtliches Lächeln erhellte sein Gesicht, als er hinzufügte: »Außerdem bleibt mein Herz hier in Steinhausen bei Darinka.« Er seufzte. »Sie werde ich am meisten vermissen. Wenn ich nur daran denke, daß ich künftig nicht mehr jeden Tag mit ihr zusammensein kann…« Noch einmal seufzte er, dann warf er einen Blick auf die Uhr. »Meine Güte, ich muß ja schnellstens in die Gynäkologie hinüber. Bei einer Patientin meines Vaters sollen die vorbereiteten Untersuchungen durchgeführt werden, damit sie morgen früh operiert werden kann.«

      »Also, Dr. Daniel junior, dann nichts wie an die Arbeit«, meinte Dr. Metzler lächelnd.

      Das ließ sich Stefan natürlich nicht zweimal sagen. Eiligen Schrittes ging er in die Gynäkologie hinüber und betrat nach kurzem Anklopfen das Zimmer, das sein Vater ihm am Telefon genannt hatte.

      »Guten Tag«, begann er mit höflichem Lächeln, doch dann blieb ihm jedes weitere Wort buchstäblich im Halse stecken.

      Wie einem Magazin entsprungen saß die junge, bildschöne Frau im Bett. Ihr Gesicht war makellos geschminkt, die bernsteinfarbenen Augen dominierten und boten einen ganz zauberhaften Kontrast zu ihrem kupferroten Haar. Das hauchdünne Negligé enthüllte mehr, als es verbarg, und im selben Moment wurde Stefan bewußt, daß er noch nie eine Frau gesehen hatte, die soviel Weiblichkeit, Eleganz und Schönheit in sich vereinte wie Chantal Ferraut.

      »Mein Name ist… Daniel«, brachte Stefan mit einiger Mühe hervor.

      Chantal zog die Augenbrauen hoch, wie sie es immer tat, wenn sie erstaunt oder ärgerlich war.

      »Daniel?« wiederholte sie. »Sie sind doch wohl nicht der Sohn des Gynäkologen Daniel?«

      Stefan nickte. »Doch, der bin ich.«

      Mit einer anmutigen Handbewegung strich Chantal ihr dichtes Haar zurück. »Diese Klinik scheint ja der reinste Familienbetrieb zu sein.«

      »Ich bin nicht mehr lange hier«, entgegnete Stefan.

      Chantal musterte ihn eingehend und stellte dabei fest, daß sich ein Flirt mit diesem gutaussehenden jungen Arzt lohnen könnte. Das markante Gesicht, die wunderschönen blauen Augen und die dunklen Locken… ja, dieser Dr. Daniel würde ihr den Aufenthalt hier ein wenig erträglicher machen.

      Chantal setzte ein Lächeln auf, das sie tausendmal geübt hatte und das auch bei Stefan seine Wirkung nicht verfehlte. Es ging ihm mitten ins Herz, und eben dieses Herz vollführte jetzt einen wahren Trommelwirbel. Seine bezaubernde Freundin Da-rinka war von einem Moment zum anderen vergessen.

      »Ich muß Ihnen ein bißchen Blut abnehmen, Madame Ferraut«, fuhr Stefan fort, obwohl er keine Ahnung hatte, wie er das mit seinen plötzlich zitternden Händen überhaupt bewerkstelligen sollte.

      »Chantal«, verbesserte sie mit sanfter Stimme, dann streckte sie ihren linken Arm aus. »Bitte, Herr Dr. Daniel, walten Sie Ihres Amtes.«

      Stefan beugte sich über den Arm und versuchte Ruhe in seine Gedanken und vor allem in seine Hände zu bekommen, doch es ging nicht. Der sinnliche Duft, der von Chantal ausging, verwirrte ihn immer mehr.

      »Nennen Sie mich Stefan«, hörte er sich sagen und fühlte sich dabei, als würde er auf Wolken schweben. Die Klinik, seine Arbeit… alles lag auf einmal in weiter Ferne. Nur Chantal war noch da. Chantal und er…

      »Stefan«, wiederholte sie leise, dann schüttelte sie den Kopf. »Das klingt viel zu hart. Es paßt nicht zu dir.« Ganz selbstverständlich ging sie bereits zum vertrauten Du über. »Bei mir zu Hause würde man dich Etienne nennen.« Mit ihren schmalen, feingliedrigen Händen berührte sie sein Gesicht. »Etienne.«

      Chantals Duft, ihre sanfte, sinnliche Stimme… das alles machte Stefan völlig benommen, und ehe er noch wußte, was wirklich geschah, lagen seine Lippen schon auf den ihren. Wild und voller Leidenschaft erwiderte er ihren Kuß, ließ sich von seinen Gefühlen treiben und wußte dabei nur eines. Er wollte sich von Chantal nie wieder trennen!

      *

      Niedergeschlagen und todunglücklich lag Katharina Bertram in ihrem Bett. Gestern nach der schweren Operation

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