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gab und ihn dabei leiden sah.

      »Nun ja, es hat einen gewissen Reiz«, gab sie ungeniert zu, weidete sich noch einmal an dem Entsetzen in Stefans Augen und drehte sich dann um.

      »In zehn Minuten wird Jules mit dem Wagen vor dem Portal warten«, fügte sie im Weggehen hinzu. »Bis dahin wirst du deine paar Habseligkeiten wohl zusammengepackt haben.«

      Wie verloren blieb Stefan im Park stehen. Er spürte, den eisigen Schneewind, der durch seine Jacke fuhr. Die Kälte schmerzte plötzlich, aber nicht so sehr wie sein Herz. Es war nicht nur die Art der Abfuhr, die Chantal ihm erteilt hatte, sondern vielmehr sein eigenes Verhalten, das ihm jetzt so schrecklich weh tat. Wegen Chantal hatte er Darinka im Stich gelassen. Darinka, das Mädchen, das immer zu ihm gehalten hatte, das ihn liebte… brauchte…

      Aufstöhnend schlug Stefan die Hände vors Gesicht.

      »O Gott, was habe ich getan…«

      *

      Stefan konnte es kaum erwarten, bis die Maschine endlich in München landete. In Rekordgeschwindigkeit fuhr er mit seinem Auto nach Steinhausen, doch kaum hatte er das Ortsschild passiert, da wurde ihm bewußt, daß er nicht einfach da weitermachen konnte, wo er vor der Begegnung mit Chantal aufgehört hatte.

      Er hielt am Straßenrand an und versuchte Ordnung in seine wirren Gedanken zu bringen. Bis jetzt hatten ihn nur die Sorge um Darinka und der Wunsch, sie zu sehen, getrieben, doch nun kam die Unsicherheit. Er hatte keine Ahnung, wie die Operation verlaufen war… in welcher Verfassung sich Darinka befand… ob sie ihn überhaupt noch sehen wollte.

      Langsam fuhr Stefan wieder los, durchquerte Steinhausen und lenkte den Wagen schließlich zum Kreuzbergweg hinauf, an dessen Ende die Villa seines Vaters stand. Warm und heimelig schien das Licht aus dem Wohnzimmerfenster herunter, doch Stefan hatte Hemmungen, einfach hineinzugehen und seinem Vater gegenüberzutreten. Er wollte jetzt keine Vorwürfe mehr hören… die machte er sich schon selbst.

      Spontan wendete er und schlug den Weg zu seinem besten Freund ein. Auch hier zögerte er, doch dann stieg er aus und klingelte. Stefanie Scheibler, Gerrits Ehefrau, öffnete die Tür, und sie schien bereits Bescheid zu wissen, denn sie lächelte Stefan nicht an wie sonst. Ihr Gesicht blieb ernst.

      »Gerrit ist nicht zu Hause«, erklärte sie. »Er hat Nachtdienst in der Klinik.«

      »Und er ist stocksauer auf mich«, befürchtete Stefan.

      Stefanie schüttelte den Kopf. »So würde ich es nicht ausdrücken. Er ist enttäuscht von dir – wie wir alle übrigens.«

      Bitterkeit zeichnete sich auf Stefans Gesicht ab. »Dann weiß also ganz Steinhausen…«

      »Unsinn!« fiel Stefanie ihm ins Wort. »Natürlich hat das Klinikpersonal alles mitbekommen. Du hast deine Liebe zu dieser Frau ja nicht gerade geheimgehalten. Im übrigen bin ich mit Gerrit verheiratet, und wir führen eine gute Ehe. Es ist also ganz normal, daß er mit mir darüber gesprochen hat.«

      Stefan schluckte, dann wandte er sich ab. »Ich fahre in die Klinik hinüber.«

      Das tat er dann auch, doch als er die Eingangshalle betrat, stockte sein Schritt sekundenlang. Was würde ihn erwarten, wenn er Gerrit jetzt wirklich aufsuchte? Abrupt drehte er sich um und wollte die Klinik wieder verlassen, doch da stand wie aus dem Boden gewachsen Dr. Parker vor ihm.

      »Du traust dich tatsächlich noch hier herein?« fragte er, und Stefan hörte den eisigen Unterton in seiner Stimme unschwer heraus.

      »Ich will zu Gerrit«, erklärte er, um etwaige Vorwürfe gleich abzublocken.

      »Erstens bist du in diesem Fall in der falschen Richtung unterwegs«, entgegnete der junge Anästhesist und wies zur Chirurgie hinüber. »Gerrit ist nämlich im Ärztezimmer.« Er schwieg kurz. »Zweitens wirst du zuerst anhören, was ich dir zu sagen habe.«

      Unwillkürlich wich Stefan zurück.

      »Bleib hier!« befahl Dr. Parker streng, und der Blick seiner blauen Augen wurde zwingend. Als er weitersprach, war seine Stimme gefährlich leise. »Ich habe keine Ahnung, ob Darinka dich überhaupt sehen will, aber wenn doch, dann verdankst du es einzig deinem Vater, daß sie dazu noch in der Lage ist.«

      Stefan erschrak zutiefst. Er wußte, was diese Worte bedeuteten. Darinka hatte in Lebensgefahr geschwebt. Plötzlich bebte er wie im Schüttelfrost, und fast fühlte Dr. Parker etwas wie Mitleid mit ihm, obwohl er das ganz und gar nicht wollte.

      »So, mein Freund, jetzt kannst du zu Gerrit gehen.«

      »Jeff…«, begann Stefan, doch er wußte gleichzeitig, daß er keine weiteren Auskünfte bekommen würde. Mit einem Ruck fuhr er herum und lief zum Ärztezimmer der Chirurgie. Atemlos erreichte er es.

      »Gerrit!« stieß er hervor. »Was ist mit Darinka?«

      Betont langsam blickte der Oberarzt von den Akten auf, in denen er gerade gelesen hatte, dann erhob er sich und ging auf Stefan zu.

      »Hat dir dein Vater diese Frage noch nicht beantwortet?« wollte er wissen.

      Stefan senkte den Kopf.

      »Ich war noch nicht zu Hause«, gestand er leise. »Ich wollte schon, aber dann… ich fürchtete Papas Vorwürfe.«

      »Ach so, und du denkst, von mir bekommst du keine Vorwürfe zu hören.« Dr. Scheibler schüttelte den Kopf. »Wenn du dich da nur nicht irrst, mein Junge.«

      »Gerrit…«

      Wieder schüttelte der Oberarzt den Kopf. »Dein bittendes ›Gerrit‹ nützt dir in diesem Fall überhaupt nichts. Ich bin stinksauer auf dich, denn du gewissenloser Kerl hast einen so wertvollen Menschen wie Darinka einfach weggeworfen. Und wofür hast du das getan?« Er beantwortete diese Frage gleich selbst. »Für eine angebliche Liebe, die gerade mal drei Wochen gehalten hat. Und nun glaubst du, du bräuchtest nur zurückzukommen, und alles wäre vergessen und verziehen. Weißt du, was ich Darinka raten werde, wenn es ihr besser geht?« Wieder gab er die Antwort selbst. »Sie soll dich zum Teufel schicken. Und jetzt verschwinde!«

      Stefan konnte ein Aufschluchzen nicht unterdrücken.

      »Ich will sie sehen«, verlangte er verzweifelt. »Bitte, Gerrit, ich will…«

      »Was du willst, interessiert mich nicht. Außerdem ist Darinka jetzt nicht in der Verfassung, um Besuch zu empfangen – vor allem, wenn es sich bei diesem Besuch um dich handelt.«

      Das war zuviel für Stefan. Wie von Furien gehetzt, flüchtete er aus dem Arztzimmer.

      »War das wirklich nötig?« fragte Dr. Parker, der das Gespräch vom Flur aus verfolgt hatte.

      Erstaunt blickte Dr. Scheibler ihn an. »Das fragen ausgerechnet Sie?«

      Jeff zuckte die Schultern. »Jetzt hat er mir wirklich leid getan. Sie haben ihm schon arg zugesetzt, Gerrit. Im übrigen könnte es für Darinka vielleicht gut sein, wenn er bei ihr wäre.«

      Dr. Scheibler seufzte. »Also schön, holen wir ihn zurück. Allzu weit wird er ja noch nicht sein.«

      Sie fanden ihn auf dem Parkplatz. Wie ein Häufchen Elend saß Stefan in seinem Wagen und weinte. Er schämte sich seiner Tränen, schaffte es aber nicht, sie zurückzuhalten, und als die Autotür von außen geöffnet wurde, fuhr er erschrocken hoch.

      »Na komm, du Scheusal«, verlangte Dr. Scheibler, doch er sagte es schon nicht mehr böse.

      Hoffnungsvoll sah Stefan ihn an. »Gerrit… läßt du mich… läßt du mich jetzt doch zu ihr?«

      Dr. Scheibler nickte, schränkte aber sofort ein… »Dafür kannst du dich bei Jeff bedanken. Er war es, der Mitleid mit dir bekommen hat. Ich hätte dich noch gehörig schmoren lassen. Verdient hast du es nämlich nicht, und wenn ich dich jetzt zu Darinka lasse, dann nur ihretwegen.«

      Gemeinsam brachten die beiden Ärzte Stefan zur Intensivstation, doch hineingehen ließen sie ihn allein.

      »Geben Sie es zu, Gerrit,

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