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      »Nein«, stammelte sie. »Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur… ich meine… es kann ja mal sein, und dann… dann wäre eine Spritze eben doch zuverlässiger.«

      Prüfend sah Dr. Daniel sie an. »Sei ehrlich, Martina, was ist mit dir los? Bist du krank? Mußt u dich öfter übergeben? So etwas kann nämlich auch Zeichen einer ernsten Krankheit sein.«

      Martina schüttelte den Kopf, dann stand sie auf. »Es ist nichts, Herr Doktor, wirklich.« Sie verabschiedete sich auffallend hastig, dann verließ sie das Untersuchungszimmer und eilte aus der Praxis, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Wie hatte sie nur so dumm sein können, Dr. Daniel derartige Fragen zu stellen? Schließlich hatte es mit der Verhütung im Moment noch keine Eile. Jan zeigte nicht das Interesse an ihr, das sie sich gewünscht hatte.

      Ich muß mehr abnehmen, dachte sie. Meine Figur ist noch immer nicht perfekt. Erst wenn sie das ist, wird sich Jan in mich verlieben.

      *

      Nach Martinas Flucht aus der Praxis blieb Dr. Daniel noch eine Weile nachdenklich sitzen. Dabei verstärkte sich sein Gefühl von vorhin noch. Irgend etwas war mit Martina nicht in Ordnung.

      Er griff nach der Karteikarte und ging seine Eintragungen gewissenhaft durch, doch es gab nichts, was auf eine Krankheit hindeutete – vorausgesetzt, Martina hatte ihm wirklich die Wahrheit gesagt.

      »Darf ich Ihnen die nächste Patientin schicken?« fragte seine junge Sprechstundenhilfe Sarina von Gehrau.

      »Einen Augenblick noch«, bat Dr. Daniel. Er ging ins Nebenzimmer, holte den Abstrich hervor, den er von Martina genommen hatte, und betrachtete ihn noch einmal unter dem Mikroskop. Doch hier ergaben sich keine Auffälligkeiten. Damit hatte er allerdings auch nicht gerechnet.

      Wenn Martina wirklich eine Krankheit in sich trug, dann mußte diese nicht unbedingt im gynäkologischen Bereich liegen. Eine Blutuntersuchung könnte vielleicht Aufschluß darüber geben, doch wie sollte er an eine Blutprobe von Martina kommen?«

      Spontan stand Dr. Daniel auf und verließ den Raum.

      »Ich gehe nur rasch zu meiner Frau hinüber«, erklärte er, wäh-rend er schon auf die Zwischen-tür zuging, die seinen Teil der Praxis von dem seiner Frau trennte, die hier halbtags als Allgemeinmedizinerin arbeitete.

      »Darf ich dich einen Moment stören, Manon?« fragte er, als er sich zwischen zwei Patienten ins Sprechzimmer mogelte.

      Mit einem zärtlichen Lächeln kam sie auf ihn zu und küßte ihn. »Natürlich, Robert. Bei mir ist es heute ausnahmsweise sehr ruhig.«

      »Bei mir leider nicht«, entgegnete Dr. Daniel, dann fuhr er sich mit einer Hand durch das dichte blonde Haar – ein deutliches Zeichen, daß er sich Sorgen machte. »Bei mir war gerade ein junges Mädchen – Martina Greiff.«

      Manon nickte. »Kenne ich. Sie war erst vor kurzem bei mir.« Jetzt lächelte sie. Wahnsinn, wie die Kleine abgenommen hat.«

      Dr. Daniel nickte. »Das genau ist es. Ich habe den Verdacht, als sei mit ihr etwas nicht in Ordnung, allerdings ist es nichts, was ich greifen könnte. Es ist einfach nur so ein Gefühl.« Er schwieg einen Moment. »Hast du im Rahmen der Untersuchung eine Blutabnahme vorgenommen?«

      »Ja«, erwiderte Manon. »Das Mädchen ist kerngesund. Das einzige, was mir Sorgen macht, ist ihr Wunsch, weiter abzunehmen. So etwas kann sich leicht zur Sucht entwickeln, und dann wäre es nicht mehr ungefährlich.«

      Dr. Daniel nickte. »Mir gegenüber hat sie auch gesagt, daß da noch das eine oder andere Fettpölsterchen wäre, das sie weghaben möchte.« Er zögerte einen Moment, dann beschloß er: »Ich werde sie ein bißchen im Auge behalten.«

      Sanft streichelte Manon über seine Wange. »Du machst dir um alles und jeden Sorgen, Robert, aber bitte, vergiß dabei nicht, daß du auch nur ein Mensch bist.«

      Dr. Daniel lächelte. »War das nun ein Kompliment, oder eine Strafpredigt?«

      »Weder das eine noch das andere«, entgegnete Manon. »Ich denke nur, daß du dir manchmal ein bißchen zuviel zumutest, und ich habe Angst, daß du an deinem Beruf noch einmal zugrunde gehst.«

      Dr. Daniel küßte sie zärtlich. »Keine Sorge, Liebling, so schnell bin ich nicht unterzukriegen. Im übrigen sorge ich mich im Moment nicht um alles und jeden, sondern nur um ein sechzehnjähriges Mädchen, das mir heute irgendwie seltsam vorgekommen ist. Dafür muß es eine Erklärung geben, und die werde ich finden.«

      *

      Dr. Parker wollte sich gerade auf den Weg zum Karate-Verein machen, als es an seiner Wohnungstür klingelte. Er öffnete und sah sich Manfred Steiner gegenüber.

      »Na, das nenne ich eine Überraschung«, meinte Dr. Parker. »Wo warst du denn während der vergangenen Wochen?«

      Manfred gab ihm keine Antwort, sondern drückte ihm ein paar Geldscheine in die Hand. Erstaunt sah Dr. Parker sie an, dann richtete er seinen Blick wieder auf Manfred.

      »Was soll das?« wollte er wissen.

      »Ich lasse mich von dir nicht aushalten!« erklärte Manfred, und der junge Arzt hörte die mühsam unterdrückte Wut aus seiner Stimme heraus.

      Dr. Parker schüttelte den Kopf, dann steckte er die Geldscheine in Manfreds Jackentasche.

      »So, und jetzt komm herein, dann sprechen wir über den Unsinn, den du da gerade erzählt hast.«

      »Es ist kein Unsinn!« begehrte Manfred auf. »Du zahlst mir die Mitgliedschaft im Verein, und das will ich nicht mehr!«

      In diesem Moment dämmerte es Dr. Parker. Offensichtlich hatte Manfred gehört, wie Martina vor Wochen eine diesbezügliche Bemerkung gemacht hatte.

      »Hör zu, mein Junge, du kannst dir die Mitgliedschaft nicht leisten, aber…«

      »Dann kündige ich sie eben!« fiel Manfred ihm unwirsch ins Wort.

      »Nein, das wirst du nicht!« entgegnete Dr. Parker. »Es geht dabei gar nicht um Karate. Das könnte ich dir auch privat beibringen. Es geht darum, daß du auch mal unter junge Leute kommst. Meine Güte, Manfred, du bist einundzwanzig! In diesem Alter gehen andere zum Tanzen und…«

      »Dazu habe ich weder Zeit noch Geld«, erwiderte Manfred, und aus seiner Stimme klang dabei offene Bitterkeit.

      »Das weiß ich«, erklärte Dr. Parker ruhig und legte eine Hand auf Manfreds Schulter, was der junge Mann mit sichtlichem Widerwillen geschehen ließ. »Was ist los, Junge? Ich denke, wir sind Freunde? Und Freunde helfen einander.«

      Manfred ließ den Kopf hängen. Seine Wut war plötzlich wie weggeblasen.

      »Soweit ich es überblicken kann, hilfst immer nur du mir«, entgegnete er, und wieder war die Bitterkeit unschwer aus seiner Stimme herauszuhören.

      »So etwas kann sich schnell ändern«, behauptete Dr. Parker. »Außerdem hat es dich bis jetzt auch nicht gestört… jedenfalls nicht so sehr, daß du einen derartigen Aufstand gemacht hättest wie gerade eben.« Er schwieg kurz. »Dir kann es doch egal sein, was andere denken – auch wenn es eine junge Dame namens Martina ist.«

      Unwirsch schüttelte Manfred den Kopf. »Mit Martina hat das alles nichts zu tun!«

      »Das glaube ich nicht. Du liebst sie doch.«

      Der junge Mann winkte ab. »Sie ist mir völlig egal!«

      »Seit wann?«

      Manfred antwortete nicht. Mit einem Ruck drehte er sich um, verließ Dr. Parkers Wohnung und warf die Tür hinter sich zu. Der junge Arzt seufzte.

      »Verflixte Liebe«, murmelte er, dann verließ er seine Wohnung ebenfalls, doch als er auf die Straße trat, war von Manfred weit und breit nichts mehr zu sehen. Dr. Parker seufzte noch einmal. »Wenn ich ihm doch nur helfen könnte.« Er wußte allerdings genau, daß er in diesem Punkt machtlos war. Liebe ließ sich nun mal nicht erzwingen.

      *

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