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Figur mag, dann ist das nicht die wahre Liebe. Weißt du, Martina, Liebe fragt nicht nach Äußerlichkeiten. Man schenkt sein Herz einem Menschen, nicht einer Fassade, oder hast du dich in diesen Jan nur verliebt, weil er gut aussieht?«

      Martina zögerte. Darüber hatte sie noch nicht nachgedacht. »Ja… ich weiß nicht… er gefällt mir… er sieht gut aus, er bewegt sich auf eine ganz bestimmte Art, und wenn er lacht…« Ein zärtliches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und ließ es von innen heraus leuchten.

      »Siehst du, Martina, das ist es, was ich meine. Du liebst nicht nur sein schönes Gesicht, sondern alles an ihm: Sein Lachen, seine Art sich zu bewegen. Wenn du ihn anschaust, siehst du nicht den gutaussehenden Mann, sondern einfach nur den Menschen, den du liebst – mit all seinen Fehlern. Genauso müßte auch er empfinden. Wenn er sich in ein paar Wochen nur in deine gute Figur verlieben würde, dann könnte diese Liebe nie Bestand haben, weil sie nicht dem gelten würde, was du bist.«

      Martina wurde nachdenklich, und unwillkürlich mußte sie an den jungen Manfred Steiner denken, der seit kurzem auch im Karate-Verein war und ihr eindeutige Blicke zuwarf. Bei jeder Gelegenheit suchte er ihre Nähe…

      Vermutlich war es das, was Dr. Daniel unter wahrer Liebe verstand. Doch was half ihr eine Liebe, die sie nicht erwidern konnte? Manfred war nett, aber Jan… in seiner Nähe schlug ihr Herz einen wahren Trommelwirbel… ein Blick von ihm ließ sie dahinschmelzen. Leider schenkte er ihr höchstens mal versehentlich einen solchen Blick.

      »Ich werde darüber nachdenken«, versprach sie, dann stand sie auf. »Auch über die Diät in der Klinik.«

      *

      »Also, diese fette Kuh ist eine Schande für den ganzen Verein«, knurrte Jan Heintze, während er zusah, wie sich einer der beiden Trainer geduldig mit Martina Greiff beschäftigte, ihr die Bewegungsfolge immer wieder zeigte und sie schließlich lobte, obwohl sie es immer noch nicht richtig machte.

      »Mit ihrem Gewicht sollte sie lieber Kugelstoßen«, fuhr Jan fort, dann grinste er. »Was glaubt ihr, was die für eine tolle Kugel abgeben würde.«

      Seine Freunde lachten, während Martina verlegene Röte ins Gesicht schoß. Jan hatte zu laut gesprochen, als daß sie seine Worte hätte überhören können.

      »Mach dir nichts draus«, riet Manfred Steiner ihr. »Der will doch nur vor seinen Freunden angeben.«

      Unwirsch winkte Martina ab. »Was weißt du denn schon!«

      Dr. Jeffrey Parker, der als Anästhesist an der Steinhausener Waldsee-Klinik arbeitete, heute im Verein aber für einen erkrankten Trainer eingesprungen war, hatte alles beobachtet. Jetzt wandte er sich Jan zu, der mit seinen Freunden noch immer über den bösartigen Scherz lachte, den er über Martinas Figur gemacht hatte.

      »Jan!« rief er. »Wenn du in Karate nur halb so gut bist wie mit deinem Mundwerk, dann komm mal her zu mir!«

      Mit betont lässigem Schritt ging Jan auf den Aushilfstrainer zu und zog dabei provozierend seinen grünen Gürtel enger. Dr. Parker schmunzelte, als er es sah.

      »Glauben Sie tatsächlich, daß Sie nach Ihrem Autounfall schon wieder so fit sind, um sich mit mir anzulegen?« fragte Jan mit einem mitleidigen Lächeln. »Ich meine… immerhin hatten Sie ein paar gebrochene Rippen, Schädelbruch und etliche andere Kleinigkeiten.« Er sah seine Freunde an, bevor er noch eins draufsetzte. »Vielleicht sollten Sie lieber mit Martina anfangen. Ich glaube, die kleine Dicke wäre im Moment der geeignetere Gegner für Sie.«

      Dr. Parker lächelte, doch bei ihm wirkte es nicht überheblich.

      »Mach dir um mich mal keine Sorgen«, entgegnete er gelassen und fügte mit einer aufmunternden Handbewegung hinzu: »Na komm, zeig mir mal, was du kannst.«

      Jan stellte sich in die Ausgangsposition und startete mit einem markerschütternden Schrei seine erste Attacke gegen Dr. Parker. Für einen Moment sah es so aus, als würde dieser gar nicht reagieren, doch dann lag Jan auch schon am Boden, ohne genau zu wissen, wie er dorthin gekommen war.

      »Also, mein Junge, das war aber nichts«, urteilte Dr. Parker. »Mit so etwas kannst du vielleicht einen Laien beeindrucken, aber sonst…« Wieder machte er diese aufmunternde Handbewegung. »Komm, überleg’ dir etwas anderes.«

      Wut und Scham zeichneten sich auf Jans Gesicht ab, und genau diesen Empfindungen entsprach sein zweiter Angriff, der von Dr. Parker wieder mit Leichtigkeit abgewehrt wurde. Jetzt wandte er sich an die anderen Karateschüler, die den kurzen Kampf neugierig verfolgt hatten.

      »Welchen Fehler hat Jan begangen?« wollte Dr. Parker wissen.

      »Er hat sich von Gefühlen leiten lassen«, antwortete Manfred. »Wut und Enttäuschung über eine mißlungene Attacke sind kein guter Ansatzpunkt für einen zweiten Angriff. Besser ist es, das Vergangene zu vergessen und sich auf das Kommende zu konzentrieren.«

      Dr. Parker lächelte. »Sehr gut, Manfred. Zeig uns mal…« Er unterbrach sich mitten im Satz, weil er merkte, wie Jan hinter seinem Rücken einen dritten, sehr hinterhältigen Angriff begann. War Dr. Parkers Gegenwehr in den beiden anderen Fällen nur angedeutet gewesen, so setzte er jetzt mehr Kraft ein, was Jan schmerzhaft zu spüren bekam.

      »Au!« entfuhr es ihm, als er unsanft auf dem Boden landete.

      Der Blick, mit dem Dr. Parker ihn bedachte, war sehr ernst. »Unfaire Attacken werden bestraft. Los, steh auf und entschuldige dich bei mir.«

      Wütend fuhr Jan hoch. »Sie haben mir weh getan, und dafür soll ich mich auch noch entschuldigen? Vergessen Sie’s!« Er unterstrich seine Worte mit einer heftigen Handbewegung.

      »Du sollst dich dafür entschuldigen, daß du mich von hinten angegriffen hast«, stellte Dr. Parker richtig. »Anscheinend hast du den Sinn von Karate noch nicht begriffen. Aber das kann man ändern.« Er holte ein schmales Heft hervor, schlug die erste Seite auf und gab sie Jan. »Das will ich beim nächsten Training von dir hören – auswendig. Und jetzt warte ich auf deine Entschuldigung.«

      Jan kochte vor Wut, doch er sah ein, daß Dr. Parker am längeren Hebel saß. Im übrigen wußte er, daß er sich zu einer solchen Kurzschlußhandlung niemals hätte hinreißen lassen dürfen. Karate war kein Angriffssport, sondern eine Art der Selbstverteidigung.

      »Es tut mir leid«, murmelte er.

      »Mäßig«, urteilte Dr. Parker, »aber ich nehme deine Entschuldigung an. Und jetzt verschwinde. Für dich ist das Training heute beendet.«

      Jan biß die Zähne zusammen. Sein Blick wanderte zu dem anderen Trainer, doch Dr. Parkers Entscheidung wurde von ihm stillschweigend akzeptiert. Jan machte auf dem Absatz kehrt und ging auf die Garderobe zu. Dabei spürte an bei jedem Schritt seine müsam unterdrückte Wut.

      »Das war ziemlich hart, Jeff«, meinte der Trainer.

      Dr. Parker nickte. »Was er getan hat, auch, und wenn ihm das einmal durchgeht, wird er es immer wieder machen.« Dabei bemerkte er aus den Augenwinkeln, wie sich Martina Greiff von der Gruppe absonderte und nun ebenfalls zur Garderobe ging.

      Auch Manfred hatte es gesehen. Er fühlte einen schmerzhaften Stich im Herz. Was mußte Jan denn noch alles tun, bis Martina endlich begreifen würde, welch miesen Charakter er hatte.

      »Liebe macht blind«, erklärte Dr. Parker, der nachvollziehen konnte, was in Manfred vorging. »Vor allem, wenn die verliebten jungen Damen gerade mal sechzehn sind und der Angebetete die zwanzig bereits überschritten hat.«

      Manfred seufzte tief auf. »Er macht sich doch nur lustig über sie. Vor zehn Minuten hat er sie vor dem halben Verein lächerlich gemacht, und jetzt läuft sie ihm nach.«

      Freundschaftlich legte Dr. Parker einen Arm um seine Schultern. »Sie wird schon noch merken, wer ihre Liebe wirklich verdient.«

      Eine verlegene Röte überzog Manfreds Gesicht. »Merkt man es denn so deutlich, daß ich sie… daß ich sie sehr gern habe?«

      Dr. Parker lächelte. »Ich schon, weil ich dich inzwischen sehr gut kenne.

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